Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Gesundheitsökonomie: Betriebswirtschaftliche Abrißbirne

JWI G 1001Aurich (on/okj) – Eher unter­kühlt ist der­zeit das Ver­hält­nis zwi­schen der Ubbo-Emmi­us-Kli­nik (UEK) im Land­kreis Aurich und den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten. Wie die in Aurich erschei­nen­den Ost­frie­si­schen Nach­rich­ten in ihrer heu­ti­gen Aus­ga­be (02.04.) berich­ten, will der ärzt­li­che Direk­tor der UEK, Dr. Egbert Held, für die Zukunft deut­lich mehr Ver­net­zung mit den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten errei­chen.

Hin­ter­grund die­ses Bestre­bens sind die Pla­nun­gen für eine Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil, die eine Schlie­ßung der Kran­ken­häu­ser in Nor­den, Emden und Aurich vor­se­hen.

Die Pla­nun­gen haben aller­dings bis­lang nicht dar­le­gen kön­nen, wie künf­tig die wohn­ort­na­he Grund- und Regel­ver­sor­gung gestal­tet wer­den soll. Die­se betrifft auch die ambu­lan­te Not­fall­ver­sor­gung. Bei unver­än­der­ten Finan­zie­rungs­be­din­gun­gen durch das Land Nie­der­sach­sen und die Kos­ten­trä­ger, wer­den mög­li­che Defi­zi­te aus der Not­fall­ver­sor­gung auch die geplan­te Zen­tral­kli­nik betref­fen, erklär­te der Geschäfts­füh­rer des Emder Kli­ni­kums, Ulrich Pom­berg, im Febru­ar ver­gan­ge­nen Jah­res auf eine ent­spre­chen­de Anfra­ge des Emder Rats­mit­glieds Wil­fried Graf (Die Lin­ke).

Die Pla­ner set­zen jedoch dar­auf, dass das Kran­ken­haus auf der Grü­nen Wie­se wegen der Ent­fer­nung zu den Städ­ten Emden, Aurich und Nor­den mut­maß­lich von weni­ger Pati­en­ten in Anspruch genom­men wird.

Kassenärzte sollen wohnortnahes Krankenhaus ersetzen

verdi

Kos­ten­dämp­fer Zen­tral­kli­nik: UEK-Betriebs­rat unter­schreibt ”sozi­al­ver­träg­li­che Mas­sen­ent­las­sung”

Auf­fan­gen sol­len das die aus­ge­la­ger­ten all­ge­mein­me­di­zi­ni­schen Kas­sen­arzt­sit­ze. Bedin­gung dafür ist jedoch, dass das Zen­tral­kran­ken­haus die Kos­ten und das Risi­ko für die nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te nicht zu tra­gen hat. Not­fall-Pati­en­ten sind für Kran­ken­häu­ser die größ­ten Ver­lust­brin­ger.

Nach einer bun­des­wei­ten Stu­die der Deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft, ent­ste­hen einem Kran­ken­haus pro Fall Kos­ten in Höhe von 120.- €. Die durch­schnitt­li­chen Ein­nah­men lie­gen jedoch bei nur etwa 36.- € pro Pati­ent. Die höhe­ren Kos­ten für das Kran­ken­haus erge­ben sich dar­aus, dass nicht nur die Per­so­nal­kos­ten für die „Rund-um-die-Uhr-Ver­sor­gung“ der ambu­lan­ten Not­fall-Pati­en­ten, son­dern auch die hier­für erfor­der­li­che Ein­rich­tun­gen und Aus­stat­tun­gen sowie anfal­len­de Ver­brauchs­ma­te­ria­li­en und Raum­un­ter­hal­tungs­kos­ten finan­ziert wer­den müs­sen.

Fachfremde Betriebswirtschaftler gängeln Ärzteschaft

Die­se vor allem von medi­zi­nisch nicht gebil­de­ten Betriebs­wirt­schaft­lern auf­ge­mach­te Rech­nung, ist auch der Tat­sa­che geschul­det, das spe­zi­ell in Deutsch­land eine mitt­ler­wei­le ana­chro­nis­ti­sche Tren­nung zwi­schen ambu­lan­ter und sta­tio­nä­rer Ver­sor­gung bei­be­hal­ten wird.

Nach Ein­schät­zung des Geschäfts­füh­rers der Schüch­ter­mann-Kli­nik in Bad Rothen­fel­de, Dr. Micha­el Böckel­mann, liegt die Zukunft der Kran­ken­häu­ser, ins­be­son­de­re in länd­li­chen Regi­on, in der Öff­nung zum ambu­lan­ten Sek­tor. Dies ist auch eine For­de­rung des Vor­sit­zen­den des AOK-Bun­des­ver­bands, Jür­gen Graal­mann. Sei­ner Auf­fas­sung nach, müs­se die strik­te Tren­nung zwi­schen dem ambu­lan­ten und dem sta­tio­nä­ren Sek­tor auf­ge­ho­ben wer­den.

bwlGraal­mann: ”Künf­tig darf es für die Pati­en­ten kei­nen Unter­schied machen, ob sie zu einem Arzt gehen, der sie ambu­lant in der Kli­nik behan­delt, oder zu einem nie­der­ge­las­se­nen Fach­arzt. Die Ver­si­cher­ten wür­den nicht mehr ver­ste­hen, war­um sie nicht einen guten Arzt auf­su­chen könn­ten, der in einem Kran­ken­haus tätig ist. Die strik­te Tren­nung zwi­schen dem ambu­lan­ten und dem sta­tio­nä­ren Sek­tor müs­se auf­ge­ho­ben wer­den, ver­lang­te Graal­mann.

Auch die Pla­nung müs­se für bei­de Berei­che zusam­men vor­ge­nom­men wer­den. Der Luxus, den Bedarf an Kran­ken­häu­sern und nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten iso­liert von­ein­an­der zu pla­nen, sei ana­chro­nis­tisch, beton­te Graal­mann.

Zentralklinik ist kein ”medizinisches Wunderhaus”

lego 2Vor dem Hin­ter­grund der Ein­schät­zung die­ser Fach­leu­te, wer­de man nach Beur­tei­lung des Akti­ons­bünd­nis­ses Kli­ni­ker­halt in Ost­fries­land in zehn Jah­ren dank­bar dafür sein, wenn es noch wohn­ort­na­he Kran­ken­häu­ser gäbe. Die­se müss­ten aller­dings im Sin­ne einer hoch­wer­ti­gen medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung auch im ambu­lan­ten Bereich für die Zukunft „fit gemacht“ wer­den.

Anders als ver­mit­telt wird, ist auch die geplan­te Zen­tral­kli­nik ein Kran­ken­haus der Grund- und Regel­ver­sor­gung. Das Land Nie­der­sach­sen för­de­re die­ses Vor­ha­ben vor allem des­halb, weil durch die Zen­tral­kli­nik erheb­li­che Per­so­nal­kos­ten ein­ge­spart und soge­nann­te Dop­pel­struk­tu­ren abge­schafft wer­den könn­ten. Wei­ter­hin hofft man, durch die Zen­tral­kli­nik vor allem jene Pati­en­ten zu bekom­men, deren Krank­heits­bil­der nach DRG-Sys­tem lukra­tiv abre­chen­bar sind.

Hier­zu gehört auch die Mög­lich­keit, meh­re­re Fach­ärz­te mit einem Fall zu kon­sul­tie­ren, was sich posi­tiv auf Abrech­nungs­mög­lich­kei­ten aus­wirkt. Die weni­ger lukra­ti­ven Fäl­le sol­len dage­gen zu den Kas­sen­ärz­ten ver­wie­sen wer­den kön­nen.

Betriebswirtschaftliches Problem: Der ökonomisch unattraktive Patient

lego 1Pro­ble­ma­tisch ist für alle Kran­ken­häu­ser, das die Men­schen vor­zugs­wei­se die ambu­lan­ten Not­fall­ver­sor­gun­gen der Kran­ken­häu­ser auf­su­chen. Dabei han­delt es sich meist um Fäl­le, die bei der strik­ten Tren­nung zwi­schen ambu­lant und sta­tio­när kein Kran­ken­haus auf­su­chen dürf­ten.

Aller­dings kön­nen die Kran­ken­häu­ser die­se Pati­en­ten nicht abwei­sen, da sie sich damit unter Umstän­den der Gefahr aus­set­zen, wegen unter­las­se­ner Hil­fe­leis­tung recht­lich belangt zu wer­den.

Der Ver­such, die wohn­ort­na­hen Kran­ken­häu­ser zu schlie­ßen, um sich mit einer Kli­nik auf der Grü­nen Wie­se letzt­lich auch vor wirt­schaft­li­chen Ver­lus­ten „öko­no­misch unat­trak­ti­ver Pati­en­ten“ zu schüt­zen, ist nach Auf­fas­sung des Akti­ons­bünd­nis­ses eine wei­te­re „Per­ver­si­on eines kran­ken Gesund­heits­sys­tems“.


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