Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Die Krankenhauswelt schaut auf Ostfriesland

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von Jürgen Wieckmann

Seit der Auricher Land­rat Harm-Uwe Weber und Emdens Ober­bür­ger­meis­ter Bernd Bor­n­e­mann (bei­de SPD) im Novem­ber 2013 die Öffent­lich­keit mit der Ankün­di­gung über­rasch­te, die bestehen­den Kran­ken­häu­ser in Nor­den, Emden und Aurich schlie­ßen und eine Zen­tral­kli­nik auf der Grü­nen Wie­se in Georgs­heil errich­ten zu wol­len, ist kaum eine Woche ver­gan­gen, in der nicht über das Für und Wider die­ses min­des­tens 250 Mio. € teu­ren Vor­ha­bens berich­tet wur­de.

Am kom­men­den Sonn­tag (11.06.17) wird ein Bür­ger­ent­scheid zumin­dest die­se Dis­kus­si­on been­den. Gegen erheb­li­che Wider­stän­de win­kel­ad­vo­ka­ti­scher Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, hat­te das Akti­ons­bünd­nis Kli­ni­ker­halt den Bür­ger­ent­scheid erzwun­gen. Die­ser wen­det sich weni­ger an soge­nann­te Exper­ten und Akteu­re des Gesund­heits­we­sens, son­dern in ers­ter Linie an die Bür­ger. Dr. Astrid Gesang, medi­zi­ni­sche Geschäfts­füh­re­rin der drei Kran­ken­häu­ser, kom­men­tiert dies mit den Wor­ten, dass die Kran­ken­haus­welt in Deutsch­land auf Ost­fries­land schaue.

Pflegefall Krankenhaus

 

Das medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Men­schen (nicht nur im Kran­ken­haus) unter wahr­haft absur­den poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen bewerk­stel­ligt wer­den muss, gehört in Ost­fries­land mitt­ler­wei­le zur All­ge­mein­bil­dung. Auch wenn öffent­li­che Debat­ten zur Zen­tral­kli­nik bis­wei­len mehr ver­wir­ren als klä­ren konn­ten, so hat dies auch mit dazu bei­getra­gen, die Absur­di­tä­ten des deut­schen Gesund­heits­we­sens zumin­dest in Ansät­zen zu ver­mit­teln. Ver­ein­facht gesagt, scheint es in Deutsch­land gelun­gen zu sein, die skur­rils­ten Aus­wüch­se büro­kra­ti­sie­ren­der Plan­wirt­schaft mit den nega­ti­ven Sei­ten soge­nann­ter „markt­wirt­schaft­li­cher Steue­rungs­ele­men­te“ zu ver­men­gen.

Fest­ge­fres­sen hat sich auch ein vor allem öko­no­mi­scher Ana­chro­nis­mus, der zwi­schen „ambu­lan­ter“ und „sta­tio­nä­rer“ Gesund­heits­ver­sor­gung unter­schei­det. Aus rein medi­zi­ni­scher Sicht ist das blan­ker Unfug. Doch mit der geplan­ten Zen­tral­kli­nik, könn­te die­ser Unfug noch in Beton gegos­sen wer­den – jeden­falls dann, wenn die Bür­ger für die Schlie­ßung ihrer bestehen­den Kran­ken­häu­ser ent­schei­den.

Politische Halblügen

Seit über drei Jah­ren wird den Ost­frie­sen die­se Zen­tral­kli­nik regel­recht ver­mark­tet. Nur mit ihr kön­ne ”hoch­wer­ti­ge medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung” sicher­ge­stellt wer­den, heißt es. Poli­ti­sche Lügen zeich­nen sich meist dadurch aus, das man nur ein Wort aus­las­sen braucht, um Halb­wahr­hei­ten zur Hal­b­lü­ge wer­den zu las­sen. Das ent­schei­den­de Wort, wel­ches hier aus­ge­las­sen wird, lau­tet „sta­tio­nä­re“.

Man darf unter­stel­len, dass sich in Ost­fries­land wohl weni­ger Wider­stand gegen das Vor­ha­ben for­miert hät­te, wenn die Damen und Her­ren Zen­tral­kli­ni­ker belas­tungs­fä­hig hät­ten dar­stel­len kön­nen, wie die vor allem nicht sta­tio­nä­re Gesund­heits­ver­sor­gung der Men­schen in den drei Mit­tel­zen­tren gestal­tet wer­den soll – ohne das Kran­ken­haus und unter rea­lis­ti­schen Annah­men. Selbst der zwei­fels­frei begna­de­te Zen­tral­kli­nik-Ver­käu­fer Claus Epp­mann, der für sei­ne pro­ak­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie von den einen geschätzt, von ande­ren bekrit­telt wird, bleibt an die­ser Stel­le auf­fäl­lig im Unge­fäh­ren. Das ist eigent­lich nicht sein Stil. Der Mann ist bekannt­lich fähig, eine Zen­tral­kli­nik zu ver­mark­ten, über die letzt­lich nichts hand­fes­tes gesagt wer­den kann.

Übermächtiger Mitspieler: die KBV

Der Grund für Epp­manns Abrut­schen ins letzt­lich inhalts­be­frei­te Polit­sprech, hat damit zu tun, dass der Kran­ken­haus­mann gut bera­ten ist, sich öffent­lich nicht zu sehr im Hoheits­ge­wäs­ser der ambu­lan­ten Gesund­heits­ver­sor­gung zu tum­meln, um die es hier geht  – schon gar nicht „pro­ak­tiv“. Hier herrscht die Kas­sen­ärzt­li­che Bun­des­ver­ei­ni­gung (KVB) und deren Ärz­te­funk­tio­nä­re. Die­se ist weni­ger eine sinn­vol­le Inter­es­sen­ver­tre­tung nie­der­ge­las­se­ner Ärz­te, son­dern eine Kör­per­schaft des öffent­li­chen Rechts, wel­che die Mil­li­ar­den ver­wal­tet und ver­teilt, die für ambu­lan­te Ver­sor­gung der Men­schen auf­zu­brin­gen sind.

Gezerre um Patientengut

Auch Kran­ken­häu­ser, die Pati­en­ten ambu­lant behan­deln, müs­sen gegen­über der KV abrech­nen. Min­des­tens ein­mal im Jahr zün­den deren Ärz­te­funk­tio­nä­re mit haus­ei­ge­nen Betriebs­wirt­schaft­lern im Schlepp­tau grö­ße­re Medi­en­kam­pa­gnen an. In die­sen wirft man Kran­ken­häu­sern vor, über ihre soge­nann­ten Not­fall-Ambu­lan­zen „Pati­en­ten­gut“ zu akqui­rie­ren, wel­ches schon gesetz­lich fest­ge­schrie­ben den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten ”gehört”. Kern­punkt ist der soge­nann­te Sicher­stel­lungs­auf­trag, der den KV’en vor allem ein Qua­si­mo­no­pol für ambu­lan­te Gesund­heits­ver­sor­gung der Kas­sen­pa­ti­en­ten sichert.

Seit Jah­ren schon schei­tern die Ver­si­che­rungwirt­schaft (Kran­ken­kas­sen) aber auch Kran­ken­haus­ärz­te und ihre nie­der­ge­las­se­nen Kol­le­gen an einer Umer­zie­hung der Pati­en­ten. Sie sol­len bei Beschwer­den aller Art eben nicht das Kran­ken­haus auf­su­chen, son­dern den nie­der­ge­las­se­nen Arzt. Doch bun­des­weit ist die Abstim­mung der Pati­en­ten mit den Füs­sen mäch­ti­ger, als das, was die Akteu­re des Gesund­heits­we­sens ger­ne hät­ten.

Krankenhaus versorgt überwiegend Ambulant-Patienten

Das offen­bart sich mit schlich­ter Sta­tis­tik auch im UEK-Ver­bund Aurich/Norden. 2016 lie­fen dort ins­ge­samt 42.377 Ambu­lant-Pati­en­ten auf. Dem­ge­gen­über stan­den ledig­lich rund 30.000 sta­tio­nä­re Behand­lun­gen. Ähn­lich auch die Lage im Emder Kli­ni­kum. 15.000 Sta­tio­när­pa­ti­en­ten stan­den rund 20.000 ambu­lant Fäl­len gegen­über. Eine beach­tens­wer­te Stei­ge­rung. 2014 waren nach Anga­ben des frü­he­ren Emder Kli­nik­chefs Ulrich Pom­berg 12.300 Ambu­lant-Pati­en­ten zu behan­deln.

Patient ruiniert Krankenhaus

Genau die­se Pati­en­ten sind in einem Kran­ken­haus jedoch nicht son­der­lich will­kom­men. Nach einer Stu­die der Deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft aus dem Jahr 2013, lie­gen die durch­schnitt­li­chen Betriebs­kos­ten eines Kran­ken­hau­ses, her­un­ter gebro­chen auf den ein­zel­nen Ambu­lant-Fall, bei etwa 120 Euro. Das dürf­te mitt­ler­wei­le mehr gewor­den sein. Abrech­nen kann ein Kran­ken­haus – eben­falls im Durch­schnitt – rund 36.- Euro pro Ambu­lant-Pati­ent. Dar­in ent­hal­ten sind etli­che Fäl­le, die das Kran­ken­haus schlicht­weg kos­ten­los behan­delt.

Die­se ungüns­ti­ge Kos­ten-/Er­lös­re­la­ti­on für ambu­lan­te Not­fall­be­hand­lun­gen im Kran­ken­haus wür­de unter unver­än­der­ten Finan­zie­rungs­be­din­gun­gen grund­sätz­lich auch das Zen­tral­kran­ken­haus tref­fen. Auch hier nei­gen Zen­tral­kli­nik-Ver­käu­fer wie­der zur Hal­b­lü­ge, etwa mit dem Hin­weis, dass der Stand­ort Georgs­heil in opti­ma­ler Mit­te zu den drei Mit­tel­zen­tren lie­ge – und des­halb Georgs­heil der Stand­ort der Wahl ist. Ein Blick auf die Land­kar­te bestä­tigt dies – aller­dings:

Verschwiegenes Argument pro Zentralklinik auf der Grünen Wiese

Ein eben­falls nicht unwich­ti­ger Grund der für die Zen­tral­kli­nik auf der Grü­nen Wie­se spricht, ist die Annah­me der Pla­ner, dass die Not­fall­am­bu­lanz der neu zu errich­ten­de Kli­nik wegen ihrer Lage außer­halb der Städ­te Emden, Aurich und Nor­den mut­maß­lich von weni­ger Pati­en­ten in Anspruch genom­men wer­den wür­de. Anstel­le der bestehen­den Kran­ken­häu­ser sol­len soge­nann­te Not­fall­ver­sor­gungs­pra­xen ent­ste­hen. Bedin­gung ist jedoch – und dar­an gibt es nichts zu deu­teln – dass das Zen­tral­kran­ken­haus die Kos­ten und das Risi­ko für die­se dem nie­der­ge­las­se­nen ärzt­li­chen Bereich zuge­ord­ne­te Leis­tun­gen nicht zu tra­gen hat.

An die­ser Stel­le beteu­ert Chef­pla­ner Claus Epp­mann (durch­aus glaub­wür­dig), er beab­sich­ti­ge nicht den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten den Stein mit Ambu­lant-Pati­en­ten in den Vor­gar­ten zu wer­fen. Das ist schlicht des­halb glaub­haft, weil die kauf­män­ni­sche Abtei­lung der Zen­tral­kli­nik letzt­lich dar­auf ange­wie­sen ist, dass die nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te dem Kran­ken­haus den Defi­zit-Brin­ger ”Ambu­lant-Pati­ent” vom Hals hal­ten. Das klingt gars­tig, aber die Spiel­re­geln der Kran­ken­haus-Finan­zie­rung inter­es­sie­ren ärzt­li­che Ethik in nur nach­ge­ord­ne­ter Wei­se – bzw. erst dann ernst­haft, wenn der ärzt­li­che Berufs­ethos aus rein wirt­schaft­li­chen Grün­den der­art mit Füs­sen getre­ten wird, das ein Image­ver­lust des Kran­ken­hau­ses droht, der sich nega­tiv auf die Bilanz aus­wirkt. Dar­über kann man sich mit Ärz­ten (hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand) und im Rah­men eines net­ten Sonn­tags­ge­sprächs wun­der­bar unter­hal­ten – doch ab Mon­tag haben sich alle wie­der den Sach­zwän­gen unter­zu­ord­nen.

Schön das wir darüber geredet haben ?

Auch des­halb ist es letzt­lich sinn­los, sich mit den Akteu­ren im Gesund­heits­we­sen zu unter­hal­ten. Sie alle sind fest im Sys­tem ein­ge­zwängt – und ver­tre­ten oft­mals nur noch mit dem Rücken an der Wand, ihre nach­voll­zieh­ba­ren Inter­es­sen. Das gilt natür­lich auch für die hie­si­gen Kran­ken­haus-Ärz­te, die mit einer bemer­kens­wer­ten Wucht, fast schon fle­hen, das man ihnen die Zen­tral­kli­nik baut. Das hat eine gewis­se Fol­ge­rich­tig­keit. Wenn man über Jah­re sys­te­ma­tisch den klei­nen Kran­ken­häu­sern öko­no­misch den Hals umdreht, ist es rela­tiv leicht zu berech­nen, wann auch eine durch­aus lei­dens­fä­hi­ge Ärz­te­schaft an ihre Gren­zen kommt. Dabei wer­den auch die Ärz­te letzt­lich nur benutzt. Im Gegen­satz zu den hin­läng­lich bekann­ten Poli­tik­dar­stel­lern, haben Ärz­te in der Bevöl­ke­rung noch eine gewis­se Glaub­wür­dig­keit und Auto­ri­tät. Die­se ein­zu­set­zen um den Bock­mist der Poli­tik zu kaschie­ren – mit dem Effekt Bür­ger­wi­der­stand gegen Kran­ken­haus­schlie­ßun­gen zu bre­chen – ist eine zwar per­fi­de aber durch­aus auch erfolg­rei­che Stra­te­gie.


Millionen-Projekt Zentralklinik

Kommunalpolitischer Fluchttunnel für einen noch amtierenden Landrat

Als fatal hat sich erwie­sen, dass es der noch amtie­ren­den Land­rat Harm-Uwe Weber zuge­las­sen hat, das Bür­ger, Pati­en­ten, Ärz­te und Pfle­ge­kräf­te in die­ser Aus­ein­an­der­set­zung in Kon­fron­ta­ti­ons­kurs gerie­ten. Das wur­de der durch­aus viel­schich­ti­gen Pro­blem­la­ge in kei­ner Wei­se auch nur ansatz­wei­se gerecht. Der Grund dafür, ist rela­tiv ein­fach. Weber weiß, dass er für die Mie­se­re der bei­den Kran­ken­haus­stand­or­te in Aurich und Nor­den zumin­dest poli­tisch ver­ant­wort­lich gemacht wird. Sein Emder Amts­kol­le­ge Bor­n­e­mann bot ihm hier für meh­re­re Mil­lio­nen Euro aus der Emder Stadt­kas­se einen recht pas­sa­blen kom­mu­nal­po­li­ti­schen Flucht­tun­nel. So jeden­falls wird es im poli­ti­schen Dunst­kreis des Auricher Kreis­ta­ges gemur­melt. Nicht ohne Grund stell­te der Chef­re­dak­teur der Ost­frie­si­schen Nach­rich­ten (ON), Ste­fan Schmidt, auf der ON-Podi­ums­dis­kusi­on in der ver­gan­ge­ne Woche Land­rat Weber die Fra­ge, wel­che Kon­se­quen­zen er zie­hen wer­de, soll­ten die Bür­ger das Pro­jekt Zen­tral­kli­nik ableh­nen.

Zentralklinik: Zu Risiken und Nebenwirkungen…

Mitt­ler­wei­le begrei­fen zuneh­mend mehr Gesund­heits­po­li­ti­ker, dass Kran­ken­haus-Zen­tra­li­sie­run­gen in länd­li­chen Regio­nen meist schief gehen. Das gilt unab­hän­gig davon, ob die­se mit Neu­bau­ten oder in eine bestehen­de Kran­ken­haus­land­schaft „imple­men­tiert“ wer­den, wie es neu­deutsch heißt.

Der von Claus Epp­mann durch­aus zurecht befürch­te­te ”Stein”, der aus dem Vor­gar­ten nie­der­ge­las­se­ner Ärz­te aufs Kran­ken­haus-Gelän­de zurück­ge­wor­fen wer­den wird, gehört zu den erfahr­ba­ren Wirk­lich­kei­ten, die ande­re Regio­nen bereits hin­ter sich haben. Gemeint sind damit die unge­lieb­ten Ambu­lant-Pati­en­ten, die in den Not­fall-Ambu­lan­zen eines Kran­ken­hau­ses nach gül­ti­ger Les­art nichts zu suchen haben. Die Dis­kus­si­on über „wei­te Wege“ zum Kran­ken­haus auf der Grü­nen Wie­se – die heu­te noch ein wesent­li­cher Grund für den Wider­stand gegen die Zen­tral­kli­nik ist – wird sich natür­lich in dem Augen­blick erle­di­gen, wenn die Zen­tral­kli­nik ans Netz geht. Die Men­schen wer­den sich damit abzu­fin­den haben, denn es bleibt ihnen bleibt dann nichts ande­res übrig.

Prellbock Bereitschaftsarzt

Sie wer­den jedoch Wege fin­den, um wei­ter­hin die gefürch­te­te Abstim­mung mit den Füs­sen zu betrei­ben – heißt prak­tisch, die klei­ne Not­fall-Ambu­lanz in Georgs­heil wird von Aurich, Nor­den und Emden gleich­zei­tig in Anspruch genom­men wer­den. Ver­hin­der­bar wäre das nur, wenn inte­grier­te Gesund­heits­ver­sor­gung (ambulant/stationär) wohn­ort­nah bes­ser wird, als das, was heu­te zu erle­ben ist. Nicht nur in Ost­fries­land. Weil Pati­en­ten, die ein Kran­ken­haus auf­su­chen, das kru­de Gesund­heits­sys­tem nicht wirk­lich ver­ste­hen (was auf ande­rer Ebe­ne soge­nann­ten Gesund­heits­ex­per­ten nicht viel anders ergeht) – wer­den dort vor allem dienst­ha­ben­de Ärz­te aber auf Pfle­ge­kräf­te oft­mals mit einer Aggres­si­vi­tät kon­fron­tiert, die bis­wei­len auch in tät­li­che Angrif­fe über­geht. Dabei sind die Medi­zi­ner an der Front die­je­ni­gen, die wenigs­ten dafür kön­nen. Den­noch müs­sen sie den Unfug irgend­wel­cher Gesund­heits­po­li­ti­ker, die bis­wei­len auch unter dem Ein­fluss frag­wür­di­ger Lob­bys ste­hen – aus­ba­den.


KV-Sicherstellungsauftrag gehört an die Krankenhäuser

Lösun­gen sind eigent­lich gar nicht so schwie­rig, wie sie auf­grund eines wir­ren Inter­es­sen-Gestrüpps bis­wei­len erschei­nen. Bei dem Stein in den Vor­gär­ten von wem auch immer gewor­fen, ist in Wahr­heit ein Mas­siv­ge­bir­ge und heißt ”ana­chro­nis­ti­sches Abrech­nungs­sys­tem”. Vie­le Gesund­heits­ex­per­ten emp­feh­len des­halb, den Sicher­stel­lungs­auf­trag der ambu­lan­ten Ver­sor­gung offi­zi­ell von der KV auf die Kran­ken­häu­ser zu über­tra­gen, eben­so wie die von den Kran­ken­kas­sen dafür bereit­ge­stell­ten finan­zi­el­le Mit­tel. Dann gäbe es erheb­lich rea­lis­ti­scher eine fes­te Anlauf­stel­le für alle Pati­en­ten an 365 Tagen, rund um die Uhr – die Defi­zi­te wür­den deut­lich gemin­dert.

Das aller­dings käme einem Erd­be­ben im Deut­schen Gesund­heits­we­sen gleich, wel­ches vor allem die Poli­tik ein­lei­ten müss­te. ‑Die Inter­es­sen der ein­zel­nen Par­tei­en im Gesund­heits­we­sen las­sen sich nun mal nicht durch wun­der­sa­me Selbst­fin­dung unter einem Dach ver­ein­ba­ren. Man­che Kom­men­ta­to­ren, die ein sol­ches Erd­be­ben für längst über­fäl­lig hal­ten, erklä­ren ger­ne, dass die­ses The­ma zu poli­ti­schen Chef­sa­che gemacht wer­den müs­se. Das aller­dings lässt sich als übli­che Flos­kel abtun – wir­kungs­los und illu­so­risch.

Der ”Riese Patient” als ”König Kunde”?

Man mag eine Men­ge „Stör­ge­füh­le“ haben, wenn vor allem Gesund­heits­öko­no­men mit einer sprach­li­chen Umer­zie­hung die Bür­ger auf einen Gesund­heits­markt hin kon­di­tio­nie­ren wol­len. Die­se Leu­te spre­chen nicht mehr von Pati­en­ten, son­dern von Kun­den – aus Ärz­ten wer­den „Gesund­heits­dienst­leis­ter“.

Mög­li­cher­wei­se ist die­ser „Kun­den­ge­dan­ke“ jedoch das ein­zi­ge Mit­tel, um die diver­sen Ein­zel­in­ter­es­sen mäch­ti­ger Grup­pie­run­gen in einer Wei­se zu dis­zi­pli­nie­ren, das sie zu ler­nen haben wer im Mit­tel­punkt zu ste­hen hat – die Bür­ger und Pati­en­ten – und, das darf auch gesagt wer­den, die Men­schen die als Ärz­te und Pfle­ge­per­so­nal vor allem einen Sozi­al­be­ruf aus­üben und die­sen in Zukunft auch unter Bedin­gun­gen – die weni­ger von Betriebs­wirt­schaft­lern domi­niert wird, die hin­ter jeder Kran­ken­schwes­ter her­lau­fen und die Minu­ten zäh­len, die man noch „weg­op­ti­mie­ren“ könn­te, um Per­so­nal­kos­ten weg zu drü­cken. Noch sind in einem Kran­ken­haus die dort arbei­ten­den Men­schen das wich­tigs­te – nicht zwangs­läu­fig medi­zi­ni­sche High­tech.

Ostfriesische Demokratie-Geschichte

Das ein­gangs erwähn­te Erd­be­ben im Gesund­heits­we­sen – vor allem des­sen öko­no­mi­sche Fehl­ent­wick­lun­gen – wird der bevor­ste­hen­de Bür­ger­ent­scheid in Ost­fries­land wahr­schein­lich nicht aus­lö­sen kön­nen. Doch wenn sich die Men­schen in Ost­fries­land gegen die Zen­tral­kli­nik ent­schei­den, wäre das ein kla­res Votum gegen eine vor allem auch von oben ver­ord­ne­te Gesund­heits­po­li­tik. Wie der Bür­ger­ent­scheid in Ost­fries­land aus­ge­hen wird, lässt sich nicht vor­her­sa­gen. Aller­dings wird eines zu gel­ten haben – egal, wie sich die Bür­ger ent­schei­den wer­den, die­ses Votum hat respek­tiert zu wer­den. Das gilt für Befür­wor­ter und Kri­ti­ker des Vor­ha­bens in glei­cher Wei­se. Dabei soll­te ver­mie­den wer­den, die einen oder die ande­ren als Ver­lie­rer oder Gewin­ner die­ser Wahl zu bezeich­nen.

Das Ent­schei­den­de ist, das hier mög­li­cher­wei­se wirk­lich ost­frie­si­sche Demo­kra­tie-Geschich­te” geschrie­ben wird – und wie immer auch die Ent­schei­dung aus­ge­hen wird, die­je­ni­gen die sich dar­an zu hal­ten haben, wer­den die Unter­stüt­zung von Bür­gern, Pati­en­ten, Ärz­ten, Pfle­ge­kräf­te aber auch Kom­mu­nal­po­li­ti­kern brau­chen. Über eines sind sich schließ­lich alle Betei­li­gen im Kla­ren. Die bevor­ste­hen­den Umstruk­tu­rie­run­gen – so oder so – wer­den kein Wald­spa­zier­gang sein. Und ent­ge­gen anders lau­ten­den Erzäh­lun­gen, ist auch den Kri­ti­kern des Vor­ha­bens klar, dass das, was sich im Land­kreis Aurich unter Land­rat Harm-Uwe Weber mit den Kran­ken­häu­sern ent­wi­ckelt hat, so nicht mehr wei­ter­ge­hen kann und auch nicht wei­ter­ge­hen wird.


 

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