Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Der vergessene Mensch

msw_300okj-Kommentar
von Margitta Schweers

Wir leben in Ost­fries­land – hier spielt man nicht mit dem Leben der Pati­en­ten. In Ost­fries­land gel­ten ande­re Regeln – hier gehen die Uhren anders her­um. Wer kennt die­sen Spruch nicht?

Im flä­chen­mäs­sig gross­räu­mi­gen Ver­sor­gungs­be­reich wer­den in Bezug auf die Erreich­bar­kei­ten här­te­re Anfor­de­run­gen an die Kli­ni­ken­be­trei­ber gestellt. Es gilt, eine flä­chen­de­cken­de Ver­sor­gung im Rah­men der Daseins­vor­sor­ge im Sin­ne des Grund­ge­set­zes zu erhal­ten und zu för­dern.

JWI D 0313Wir leben in einer Regi­on, die auf­grund ihrer Infra­struk­tur nicht mit den Mög­lich­kei­ten inner­halb einer Gross­stadt zu ver­glei­chen ist. In der Gross­stadt kann man auf eine Viel­zahl von Kran­ken­häu­sern zurück­grei­fen. Die kön­nen sich ergän­zen, ohne dass die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung in irgend­ei­ner Wei­se in Gefahr gebracht wird. Man kann „spie­len“ mit Abtei­lungs­grös­sen einer Kli­nik und man kann sogar „ris­kie­ren“, dass eine Kli­nik sich auf Fach­be­rei­che spe­zia­li­siert, weil sich der direk­te Nach­bar auf ande­re Behand­lungs­ar­ten kon­zen­triert hat.

Hier sol­len nun drei Kli­ni­ken geschlos­sen wer­den und eine neue Zen­tral­kli­nik – als Fol­ge die­ser Schlie­ßun­gen – die Ver­sor­gung des gesam­ten Gross­rau­mes mit 230000–240000 poten­ti­el­len Pati­en­ten über­neh­men. Der Plan der Poli­tik zielt auf ein Pro­jekt ab, das mit einer gerin­ge­ren Bet­ten­zahl, weni­ger Per­so­nal, wei­te­ren Anfahrts­zei­ten für die meis­ten der Pati­en­ten – und – einer rie­si­gen finan­zi­el­len Schul­den­last im Rücken die Lösung für haus­ge­mach­te Pro­ble­me sein soll.

Man könnte sich mit diesem Plan anfreunden:

wenn er ziel­füh­rend eine Pati­en­ten­ver­sor­gung garan­tie­ren könn­te – auch und nicht zuletzt dadurch, dass eine kon­kre­te und ver­läss­li­che Grund- und Regel­ver­sor­gung sicher­ge­stellt wäre.

Man lässt jedoch völ­lig aus­ser Acht, dass eine Kli­nik, auch wenn sie neu ist, mit den glei­chen äus­se­ren Ein­flüs­sen zu kämp­fen hat, wie alle ande­ren Kli­ni­ken auch. Auch dort wäre ein Über­le­ben nur gesi­chert, wenn man sich spe­zia­li­siert. Damit wäre aber der Platz für eine geord­ne­te Grund- und Regel­ver­sor­gung nicht mehr in erfor­der­lich Wei­se gege­ben.

Doch genau die brau­chen wir hier in Ost­fries­land: Nicht das Spe­zi­al­kli­ni­kum, dass aus den ent­le­gens­ten Nach­bar­kom­mu­nen die lukra­ti­ven Pati­en­ten ein­fliegt, son­dern das Kran­ken­haus, dass sich der all­täg­li­chen Krank­hei­ten annimmt und den Pati­en­ten gesun­den lässt.

Man könnte sich mit dem Plan anfreunden:

Wenn man den haus­halts­po­li­ti­schen Zah­len trau­en dürf­te, wenn es kein Bre­de­horst-Gut­ach­ten gäbe, was die Schwar­ze Null pro­gnos­ti­ziert hat.

Man könnte sich mit dem Plan anfreunden:

Wenn die Kli­ni­ken unge­nü­gend aus­ge­las­tet wären,

wenn die Kli­ni­ken von der Bevöl­ke­rung nicht ange­nom­men wor­den wären,

wenn die Kli­ni­ken in Nor­den, Aurich und Emden medi­zi­nisch nicht leis­tungs­fä­hig wären – und,

wenn die Häu­ser drin­gend und umfang­reich sanie­rungs­be­dürf­tig wären.

Gera­de den letz­ten Punkt muss man deut­lich bestrei­ten.

Viel­mehr ste­hen drei gut aus­ge­stat­te­te Gebäu­de­kom­ple­xe in den jewei­li­gen Bal­lungs­ge­bie­ten, die mit unken­ruf-glei­chen For­mu­lie­run­gen beti­telt wer­den. Sanie­rungs­an­stau von 100 Mio oder mehr ste­hen im Raum. Unfle­xi­ble Hand­lun­gen der jewei­li­gen Kli­nik­lei­tun­gen und man­geln­de Koope­ra­ti­ons­be­reit­schaft ste­hen dem IST-Zustand im Wege. Vor­schlä­ge wer­den nicht ange­nom­men, Abtei­lun­gen wer­den nicht neu zuge­teilt. Man befürch­tet Image­ver­lus­te.

Wieder Wärme fürs Gesundheitssystem

WärmflascheKon­kur­renz­ver­hal­ten in der Gesund­heits­vor­sor­ge ist völ­lig fehl am Plat­ze! Es ist ein ethi­scher Super­gau! Die Aus­wir­kun­gen wer­den auf dem Rücken der Pati­en­ten und des Per­so­nals aus­ge­tra­gen – auf dem Rücken der Men­schen.

Das Kon­kur­renz­ver­hal­ten geht sogar so weit, dass der Stand­punkt Nor­den gera­de­zu aus­ge­hun­gert wird. Die Umver­tei­lung von gewinn­brin­gen­den Abtei­lun­gen deu­tet klar dar­auf hin. Qua­li­fi­zier­te Ärz­te und Pfle­ge­per­so­nal zu rekru­tie­ren, fällt angeb­lich schwer.

Wie geht man denn mit dem vor­han­de­nen medi­zi­ni­schen Fach­per­so­nal der Kli­ni­ken um?

Man macht sich auf schmerz­haf­te Art gera­de­zu lus­tig über angeb­li­che Inkom­pe­tenz. Man streicht Arbeits­plät­ze, führt den soge­nann­ten Qua­li­mix ein, der gerin­ger aus­ge­bil­de­tes Per­so­nal in die Zwick­müh­le führt.

Sie sol­len, wol­len  und müs­sen dem Pati­en­ten etwas Gutes tun, doch die eige­ne Aus­bil­dung reicht dazu bis­wei­len nicht aus.

Pfle­ge­as­sis­ten­ten wer­den ein­ge­teilt für „Hilfs­leis­tun­gen“ wie Essens­aus­ga­be und man ver­gisst dabei leicht, dass der Blick einer qua­li­fi­zier­te Schwes­ter als Basis für die Behand­lung unver­zicht­bar ist.

Eini­ges ent­geht dem unge­schul­ten Auge der Hilfs­schwes­tern, der Pati­ent lei­det dar­un­ter und im Resul­tat muss sich der medi­zi­ni­sche Ange­stell­te trotz gros­sem Enga­ge­ments anhö­ren, wie schlecht er doch arbei­te. Das als Aus­sa­gen von Kli­nik­lei­tun­gen und Poli­tik – vom Dienst­her­ren!

Versteckspiel mit einer ”Machbarkeits”-Studie

cover machbarkeitsstudie bdoDie Zeit ist gekom­men, um ein Kran­ken­haus nicht als Gesund­heits­fa­brik zu betrach­ten, die Hei­lung am Fließ­band pro­du­ziert und die „Ware Gesund­heit“ opti­mal zu ver­mark­ten hat. Ein Kran­ken­haus ist auch eine sozia­le Ein­rich­tung, in der Mensch­lich­keit und Ethik ein wich­ti­ger Bestand­teil des Hei­lungs­pro­zes­ses ist. Pati­en­ten und Kli­nik­per­so­nal darf nicht hin­ter wirt­schaft­li­chen Hoch­rech­nun­gen und Gra­fi­ken ver­schwin­den.

Poli­tik und Kli­nik­lei­tun­gen ver­ste­cken sich hin­ter einer soge­nann­ten Mach­bar­keits­stu­die mit eben sol­chen Hoch­rech­nun­gen und Gra­fi­ken. Eine Stu­die, die in Bezug auf Fehl­ent­schei­dun­gen und rea­ler Zah­len voll­stän­dig inhalts­leer ist. Kein Wort der Ver­ant­wort­li­chen, war­um es zu schein­bar unhalt­ba­ren, haus­halts­po­li­ti­schen Finanz­pro­ble­men gekom­men ist.

Kein Verantwortlicher übernimmt Verantwortung!

Kom­men­ta­re zu sol­chen Fra­gen wir­ken wie Aus­re­den. Schuld ist alles ande­re – nur nicht Ver­wal­tung und Poli­tik.

Schuld sind die Pati­en­ten, die die Not­fall­auf­nah­men miss­brau­chen und ihre Kin­der nor­mal zur Welt brin­gen wol­len – nicht mit dem lukra­ti­ven Kai­ser­schnitt.

Das Per­so­nal ist schuld, weil sie ihr Gehalt sicher­ge­stellt haben wol­len, um von ihrer Arbeit leben zu kön­nen.

Das DRG Sys­tem ist schuld, und das stimmt sogar. Natür­lich das DRG-Sys­tem ist sehr wohl mit Schuld an der Mise­re der Kran­ken­häu­ser, weil sie dadurch auf höhe­ren Kos­ten für pro­ble­ma­ti­sche Pati­en­ten (Chro­nisch oder mul­ti­pel Kran­ke etc)  sit­zen blei­ben. Mit DRG kön­nen die Kran­ken­häu­ser nur in die schwar­zen Zah­len kom­men, wenn sie sich die „Rosi­nen“ raus­pi­cken und die zu auf­wän­di­gen Pati­en­ten mei­den. DRG ist mit Absicht das Instru­ment zur Pri­va­ti­sie­rung! Gleich­wohl ergibt man sich hier­zu­lan­de gern in das Schick­sal und schiebt es als Grund allen Übels vor. Ver­steckt sogar die Ziel­set­zung Zen­tral­kli­nik dahin­ter. Das muss man nicht kom­men­tie­ren.

Schwerlast

Logo im BDO-Gut­ach­ten: Kli­nik von oben her­ab ?

Ein­hei­ten des Gesund­heits­we­sens kön­nen nicht aus­schliess­lich unter betriebs­wirt­schaft­li­chen Gesichts­punk­ten betrach­tet wer­den. Die schwar­ze Null kann nicht das letz­te Wort im Land­kreis Aurich und der Stadt Emden sein. Die flä­chen­de­cken­de Ver­sor­gung kran­ker Men­schen gehört zur kom­mu­na­len Daseins­vor­sor­ge im Sin­ne des Grund­ge­set­zes. Die immer wie­der erklär­te Absicht der Nie­der­säch­si­schen Lan­des­re­gie­rung.

Für Kri­ti­ker ist es abso­lut inak­zep­ta­bel, dass man blind dem Gut­ach­ten der BDO AG Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaft folgt. Einem Gut­ach­ten, dass man nach kur­zem Blick dar­auf als unse­ri­ös emp­fin­den muss, da sämt­li­che kon­kre­ten und objek­ti­ven Daten dar­in feh­len.

Eine objek­ti­ve Beur­tei­lung ist nur mög­lich, wenn man nach­voll­zieh­ba­re Zah­len bekommt! Die­se Zah­len wer­den jedoch ver­wei­gert. Sogar die künf­ti­gen Geschäfts­part­ner Aurich/Emden betrach­ten sich noch als Kon­kur­ren­ten und wis­sen letzt­lich nicht, auf was sie sich ein­las­sen, wenn sie eine Part­ner­schaft ein­ge­hen – was mit viel Lie­be noch ver­ständ­lich wäre – aber die ist offen­sicht­lich noch recht blind. Auch die jewei­li­gen Auf­sichts­rä­te wer­den schlicht kalt­ge­stellt und „mit Glas­ku­geln“ ver­sorgt, um weit­rei­chen­de Ent­schei­dun­gen zu tref­fen

Dem Bür­ger bleibt die bit­te­re Erkennt­nis: Alles wird kalt­ge­stellt und an die Wand gedrückt.

Bürger melden sich zu Wort

Doch der Wider­stand ist for­miert. Unmut äus­sert sich an jeder Stel­le. Es han­delt sich schließ­lich um ein emp­find­li­ches The­ma – die Gesund­heit der Bür­ger!

Die­se for­dern zu tau­sen­den den Erhalt der drei Kli­ni­ken in Emden, Nor­den und Aurich. Das setzt vor­aus, dass die Eigen­wirt­schaft­lich­keit jeder ein­zel­nen Kli­nik nicht sys­te­ma­tisch und mit Absicht unter­gra­ben wird.

usammlund_EMD_2Die For­de­rung lau­tet auch, mit einer gemein­sa­men Ver­wal­tung – und zwar land­kreis­über­grei­fend – wirt­schaft­li­che Poten­tia­le zu nut­zen.

Dazu gehört auch, aber nicht nur der gemein­sa­me Ein­kauf und ent­spre­chen­de Pati­en­ten­be­glei­tung gegen­über den Abrech­nungs-Trä­gern.

Auch soll­te man über ein Rota­ti­ons­prin­zip in der Ärz­te­schaft nach­den­ken, um per­so­nel­le Ver­sor­gungs­eng­päs­se zu ver­mei­den. Spe­zia­li­sie­rung der ein­zel­nen Kran­ken­häu­ser zum Nut­zen aller im Gross­raum, lau­tet eine wei­te­re For­de­rung.

Die­se „Soli­dar­mo­dell“, wel­ches Kon­kur­renz­kämp­fe zu Las­ten des Bür­gers ver­mei­den könn­te, war – bis­lang jeden­falls – eine Grund­hal­tung ost­frie­si­scher Kom­mu­nal­po­li­ti­ker. Jetzt wird es mit der Zen­tral­kli­nik ange­grif­fen, statt es fort­zu­ent­wi­ckeln und zu ver­fei­nern. Unab­ding­bar ist dazu die kla­re Tren­nung der wirt­schaft­li­chen und medi­zi­ni­schen Ver­wal­tung von der Poli­tik.

Vor allem: Sicher­stel­lung und Ver­bes­se­rung der Grund- und Regel­ver­sor­gung aller Bür­ger – und zwar wohn­ort­nah.


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