Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

OKJ-Interview: Nicht alles widerstandslos hinnehmen

Der Auricher Rats­herr Hen­drik Sie­bolds (DIE LINKE) kri­ti­siert ein Gesund­heits­sys­tem, wel­ches zu einem rein Kom­mer­zi­ell aus­ge­rich­te­ten Repa­ra­tur­be­trieb  wird, in dem der Pati­ent nur eine Ware ist. OKJ sprach mit Sie­bolds über die­se Ent­wick­lung und die Plä­ne, wohn­ort­nah­me Kran­ken­häu­ser in Emden, Aurich und Nor­den zu schlie­ßen und für rund 250 Mil­lio­nen Euro eine Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil zu errich­ten.

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Bun­des­po­li­tik schickt kom­mu­na­le Kran­ken­häu­ser in den Ruin

OKJ: Über 10 Mio. € Ver­lust schreibt der UEK-Ver­bund Aurich/Norden im Geschäfts­jahr 2014. Herr Sie­bolds, könn­te eine Zen­tra­li­sie­rung nicht doch zur Min­de­rung die­ser Defi­zi­te bei­tra­gen?

Hen­drik Sie­bolds: Es ist mitt­ler­wei­le all­ge­mein bekannt. Wir haben eine Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung, die gut die Hälf­te der Kran­ken­häu­ser in den Ruin, in die Pri­va­ti­sie­rung oder die Zen­tra­li­sie­rung schickt. So wird mas­sen­haft wohn­ort­na­he Ver­sor­gung abbaut. Hier ist vor allem das Sys­tem krank.

OKJ: Gegen die­se Ent­wick­lung hat der Bür­ger doch wenig Chan­cen?

Hen­drik Sie­bolds: Der Bür­ger, der Laie, der Pati­ent hat wohl das Recht der Poli­tik und den Ent­schei­dern zu sagen: ist ja viel­leicht alles toll in der ZK, aber ich ver­lan­ge, dass man mit mei­nen Steu­er­gel­der eine eben­so gute Ver­sor­gung hier vor Ort in den bestehen­den Kli­ni­ken gemacht wird, seht zu, dass ihr das hin­be­kommt!!!

Und wir wis­sen ja, dass das über einen geschick­ten Kli­nik­ver­bund mit spe­zia­li­sier­ter Auf­ga­ben­ver­tei­lung plus Grund­ver­sor­gung auch gut mach­bar ist.

OKJ: Ist das nicht ein vor­ge­scho­be­nes Argu­ment. Die Fach­ärz­te sehen das doch ent­schie­den anders. Dass Sie als Auricher es nicht ger­ne sehen kön­nen, dass das Kran­ken­haus hier geschlos­sen und auf die Grü­ne Wie­se ver­bannt wird, ist ja nach­voll­zieh­bar?

Hen­drik Sie­bolds: es geht nicht nur um Stand­ort­fra­gen und län­ge­re Wege. Wir müs­sen immer wie­der auch grund­sätz­lich die­se Art von medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung mit Fall­pau­scha­len, blu­ti­ger Ent­las­sung, unnö­ti­gen OPs für die Wirt­schaft­lich­keit, Appa­ra­te-Medi­zin etc., in Fra­ge stel­len. Das ist ja kei­ne mensch­li­che, ganz­heit­li­che Medi­zin mehr, das ist eher ein rein auf Kom­mer­zia­li­sie­rung aus­ge­rich­te­ter Repa­ra­tur­be­trieb, in dem der Pati­ent nur Ware ist.

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Bür­ger müs­sen Erhalt der Kran­ken­häu­ser in Emden, Aurich und Nor­den for­dern

Die Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil ist nur die Aus­ge­burt der vor­ge­ge­be­nen Sach­zwän­ge, mit die­sen Sach­zwän­gen argu­men­tie­ren die Fach­leu­te und Ärz­te natür­lich, weil sie in der Moment­auf­nah­me auch nur am Ende der Ket­te ste­hen.

Wenn wir uns dar­auf ein­las­sen, haben wir schon ver­lo­ren, denn da kann nur eine Zen­tral­kli­nik bei raus­kom­men. Wir müs­sen die Sach­zwän­ge, also das kran­ke Sys­tem in Fra­ge stel­len und die Lösung der schwie­ri­ge­ren Auf­ga­be, Erhalt der UEK und Kli­nik Emden, von den Machern for­dern.

OKJ: Das dürf­te der Kom­mu­nal­po­li­tik aber kaum mög­lich sein. Sie steht letzt­lich am Ende der poli­ti­schen Nah­rungs­ket­te?

Hen­drik Sie­bolds: Das Pro­blem ist natür­lich, dass man auf kom­mu­na­ler Ebe­ne die Geset­ze nicht ändern kann. Aller­dings muss man die die der­zei­ti­gen Sach­zwän­ge der Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung auch nicht wider­stands­los hin­neh­men. Die struk­tu­rel­len Pro­ble­me dort, bestehen schon seit lan­gem, was in letz­ter Zeit auch immer wie­der von den Medi­en bestä­tigt wird.

OKJ: Den­noch wird von Kri­ti­kern der Zen­tral­kli­nik immer wie­der erklärt, dass es auf der Füh­rungs­ebe­ne des UEK-Ver­bun­des Aurich/Norden eine gewis­se Miss­wirt­schaft gege­ben habe.

Hen­drik Sie­bolds: Mit dem UEK-Ver­bund Aurich/Norden haben wir nicht nur das Pro­blem, dass dort offen­bar durch die Geschäfts­füh­rung Miss­wirt­schaft getrie­ben wor­den ist. Im Hin­ter­grund betref­fen die­se Kran­ken­häu­ser – und natür­lich auch ein neu­es – die vom Gesetz­ge­ber vor­ge­ge­be­ne struk­tu­rel­le Unter­fi­nan­zie­rung. Das ist aus den Zei­ten der Schwarz/Gelben Koali­ti­on und bedeu­tet, die Kran­ken­häu­ser haben stän­dig zu wenig Inves­ti­tio­nen.

Die Län­der, also auch das Land Nie­der­sach­sen, kön­nen den Kran­ken­häu­sern nicht genug Geld für ihre Inves­ti­tio­nen geben. Die­se müs­sen aus dem lau­fen­den Betrieb genom­men wer­den und das kann nur den wenigs­ten Kran­ken­häu­sern gelin­gen.

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Aus Daseins­vor­sor­ge kön­nen kei­ne Gewin­ne erzielt wer­den.

OKJ: Den­noch gibt es vie­le Kran­ken­häu­ser, die sogar Gewin­ne erzie­len

Hen­drik Sie­bolds: Mir erschließt es sich nicht, wie man aus Krank­heit noch Gewin­ne zie­hen kann. Es liegt natür­lich auf der Hand, dass man aus der Daseins­für­sor­ge kei­ne Gewin­ne machen kann. Wenn das eini­gen pri­va­ten Kran­ken­häu­sern gelingt, dann wis­sen wir, dass es oft auf Kos­ten des Per­so­nals geht, mit ganz nied­ri­gen Per­so­nal­kos­ten. Zum Teil geht es auch nur damit, dass man sich die Rosi­nen raus­pickt,

Es ist das Pro­blem mit den Fall­pau­scha­len bei den Pati­en­ten. Vie­le pri­va­te Kran­ken­häu­ser ver­su­chen natür­lich, Pati­en­ten, die hohe Kos­ten ver­ur­sa­chen – für die es also wenig Ein­nah­men gibt, zu ver­mei­den. Das sind chro­nisch kran­ke Pati­en­ten oder auch mul­ti­ple kran­ke Pati­en­ten. Ich will das nicht allen Kli­ni­ken unter­stel­len, aber gera­de bei den pri­va­ten Kli­ni­ken wis­sen wir, dass sie sich dann die Fäl­le raus­su­chen, wo sie am meis­ten mit ver­die­nen kön­nen. Aber Gewin­ne zu machen mit einem Kran­ken­haus – zumal in kom­mu­na­ler Trä­ger­schaft, das kann ich mir nicht vor­stel­len und das ist auch nicht nötig.

OKJ: Bür­ger in Emden, Aurich und Nor­den befürch­ten ja, dass mit der Zen­tral­kli­nik auf der Grü­nen Wie­se die Anfahrts­we­ge zum Kran­ken­haus – gera­de auch für älte­re Men­schen, ein­fach zu lang sind.

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Zen­tral­kran­ken­haus Georgs­heil: Raum­ord­ne­risch völ­li­ger Unsinn

Hen­drik Sie­bolds: Ich habe mal ganz grob über­schla­gen, dass es min­des­tens 1,5 Mio Fahr­ten und mehr sind, die jedes Jahr ent­ste­hen und dass ein gro­ßer Teil die­ser Fahr­ten ver­meid­bar wären, wenn zum Bei­spiel die Kli­nik in Aurich ste­hen wür­de, oder von mir aus in einem ande­ren Mit­tel­zen­trum – das liegt auch auf der Hand.

Man spricht immer vom medi­zi­ni­schen Kon­zept der Zen­tral­kli­nik. Aber gera­de die Fol­ge­kos­ten durch Zunah­me der Fahr­ten, der Ret­tungs­fahr­ten, das wird nicht berück­sich­tigt.

Bei einem Stand­ort wie Georgs­heils sind die­se Fahr­ten extrem hoch. Die­ser Stand­ort fern­ab ist natür­lich völ­lig indis­ku­ta­bel. Ich den­ke, dass ist auch der kleins­te gemein­sa­me Nen­ner aller Geg­ner der Zen­tral­kli­nik oder von Georgs­heil.

Da draus­sen in Georgs­heil eine Kli­nik zu bau­en – ich sage mal vor­sich­tig, in der Dia­spo­ra, das ist raum­ord­ne­risch völ­li­ger Unsinn. Es belas­tet ja alle, die dort hin­fah­ren müs­sen. Das sind nicht nur die Ärz­te, dass sind Pati­en­ten, die Ange­hö­ri­gen, das Per­so­nal.

OKJ: Mit einer neu­en Zen­tral­kli­nik soll aber eine opti­ma­le medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Men­schen in unse­rer Regi­on sicher­ge­stellt wer­den.

Hen­drik Sie­bolds: Die Ärz­te schwär­men natür­lich davon, wie schön sie es in einer schö­nen, neu­en, gro­ßen Kli­nik haben. Ich darf aber, als Mit­glied einer Par­tei, die die­se Kran­ken­haus­sys­tem nicht umge­setzt und auch nicht beschlos­sen hat, sagen, man soll­te das hin­ter­fra­gen. Und auch der Bür­ger soll­te nicht alles nur akzep­tie­ren.

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Grund­la­gen der Gesund­heits­po­li­tik in Fra­ge stel­len

Gera­de das Pro­blem der Fall­pau­scha­len, blu­ti­ge Ent­las­sung, dass die Leu­te immer schnel­ler ope­riert wer­den, dass sie immer kür­ze­re Zeit lie­gen, das ist ein ech­tes Pro­blem und das haben uns auch die Chef­ärz­te zwi­schen den Zei­len durch­aus bestä­tigt.

Es ist mir dar­an gele­gen, dass man in Fra­ge stellt, ob das alles so rich­tig sein kann, dass der Pati­ent nicht mehr im For­der­grund steht, son­dern nur noch die Öko­no­mie.

Als letz­tes möch­te ich ver­wei­sen auf den deut­schen Ethik­rat, der in Deutsch­land durch­aus Gewicht hat, der gera­de vor kur­zem die Öko­no­mi­sie­rung der Kli­ni­ken kri­ti­siert hat – dass der Pati­ent dabei auf der Stre­cke bleibt.

Der Ethik­rat hat ganz deut­lich gemacht, dass die Auf­ga­be von Kran­ken­häu­sern auch eine sozia­le Auf­ga­be ist, die dort völ­lig unter­geht.


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