Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Aktionsbündnis: ”Krankenhäuser für ambulante Versorgung zukunftsfest machen”

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Immer noch wol­len Bür­ger für den Erhalt ihrer Gesund­heits­für­sor­ge von Ort unter­schrei­ben

Norden/Aurich (okj) – Auch am ver­gan­ge­nen Sonn­abend (11.7.) haben Mit­glie­der des Akti­ons­bünd­nis­ses mit Mahn­wa­chen und Info­stän­den über die vor allem von SPD-Poli­ti­kern im Land­kreis und dem Land Nie­der­sach­sen geplan­ten Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil infor­miert. Nach der Ent­schei­dung des Kran­ken­haus-Aus­schus­ses in Han­no­ver, der die­se Pla­nun­gen befür­wor­te­te, wol­len immer mehr Bür­ger gegen das Vor­ha­ben auf Unter­schrif­ten­lis­ten unter­schrei­ben, heißt es aus Krei­sen des Akti­ons­bünd­nis­ses.

Der Han­no­ve­ra­ner Aus­schuss hat­te auf sei­ner Sit­zung am 8. Juli erklärt, dass ohne eine struk­tu­rel­le Neu­aus­rich­tung der Kran­ken­häu­ser im Land­kreis Aurich und der Stadt Emden eine „leis­tungs­fä­hi­ge und wirt­schaft­li­che sta­tio­nä­re Ver­sor­gung dau­er­haft nicht sicher­zu­stel­len ist“. Nach Ein­schät­zung des Akti­ons­bünd­nis­ses habe die wirt­schaft­lich desas­trö­se Lage aller­dings vor allem kom­mu­na­le Poli­tik und Kran­ken­haus-Manage­ment zu ver­ant­wor­ten.

Von Kritikern geschätzt: Ökonomisch solide geführtes Klinikum im Landkreis Leer

Klinikum LeerWäh­rend das Kli­ni­kum in Leer mitt­ler­wei­le schwar­ze Zah­len errei­che, sogar inves­tie­ren kön­ne, habe man allein im Land­kreis Aurich bin­nen drei bis vier Jah­ren rund 40 Mio. € Defi­zit „auf der Uhr“. Die­se, nach dem Urteil vie­ler Beob­ach­ter „haus­ge­mach­te” Pro­blem­la­ge, die­ne den Ver­ant­wort­li­chen der­zeit dazu, noch mehr Steu­er­gel­der ein­zu­for­dern. Nach bis­he­ri­gen offi­zi­el­len Anga­ben soll der Kran­ken­haus-Neu­bau in Georgs­heil rund 250 Mio. € kos­ten.

Kri­ti­ker ver­mu­ten, dass, nach den Erfah­run­gen mit öffent­lich finan­zier­ten Bau­ten, erheb­li­che Kos­ten­stei­ge­run­gen zu erwar­ten sind. Trotz mög­li­cher För­de­rung durch das Land Nie­der­sach­sen müss­te etwa die Häl­fe davon von der Stadt Emden und dem Land­kreis Aurich mit eige­nen Haus­halts­mit­teln abge­si­chert wer­den. Hin­zu kämen Kos­ten für Infra­struk­tur­maß­nah­men, sowie eine Viel­zahl von Fol­ge- und Neben­kos­ten, deren Grö­ßen­ord­nung bis­lang nie­mand abschät­zen kann. Die­se Mil­lio­nen-Sum­men müss­ten eben­falls aus dem Haus­halt bei­der Kom­mu­nen bestrit­ten wer­den.

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Ste­hen im Mit­tel­punkt der Kri­tik: v.l. Land­rat Harm-Uwe Weber (SPD) und UEK-Geschäfts­füh­rer Jann-Wolf­gang de Vries

Dass der ver­ant­wort­li­chen Poli­tik und dem Kran­ken­haus-Manage­ment wirt­schaft­lich das Was­ser bis zum Hals ste­he, sei nicht zu über­se­hen, erklär­te Mar­git­ta Schweers vom Akti­ons­bünd­nis in Nor­den. Die­se höchst uner­freu­li­che Lage dür­fe jedoch nicht dafür her­hal­ten, dass die von ost­frie­si­schen Kom­mu­nal­po­li­ti­kern bis­lang gel­ten­de Hal­tung auf­ge­kün­digt wer­de, nach der bestehen­de Kran­ken­häu­ser durch Schwer­punkt­bil­dun­gen mit­ein­an­der koope­rie­ren soll­ten.

Krankenhäuser auch für hochwertige medizinische Versorgung im ambulanten Sektor gefragt

Nach Ein­schät­zung von Fach­leu­ten stün­den Kran­ken­häu­ser in länd­li­chen Regio­nen vor völ­lig neu­en Her­aus­for­de­run­gen. Weil der medi­zi­ni­sche Fort­schritt und öko­no­mi­sche Zwän­ge zu immer kür­ze­ren Lie­ge­zei­ten im Kran­ken­haus füh­ren – inklu­si­ve soge­nann­ter „blu­ti­ger Ent­las­sun­gen“ – müss­ten Kran­ken­häu­ser der Zukunft ver­stärkt den soge­nann­ten „ambu­lan­ten Sek­tor“ mit anbie­ten.

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Jür­gen Graal­mann

Bereits im letz­ten Jahr hat­te der in Leer gebo­re­ne Vor­sit­zen­de des AOK-Bun­des­ver­bands, Jür­gen Graal­mann, eine Öff­nung der Kran­ken­häu­ser für die ambu­lan­te Ver­sor­gung aller Pati­en­ten gefor­dert: Graal­mann: ”Künf­tig darf es für die Pati­en­ten kei­nen Unter­schied machen, ob sie zu einem Arzt gehen, der sie ambu­lant in der Kli­nik behan­delt, oder zu einem nie­der­ge­las­se­nen Fach­arzt”.

Die Ver­si­cher­ten wür­den nicht mehr ver­ste­hen, war­um sie nicht einen guten Arzt auf­su­chen könn­ten, der in einem Kran­ken­haus tätig ist. Die strik­te Tren­nung zwi­schen dem ambu­lan­ten und dem sta­tio­nä­ren Sek­tor müs­se auf­ge­ho­ben wer­den, ver­lang­te Graal­mann. Auch die Pla­nung müs­se für bei­de Berei­che zusam­men vor­ge­nom­men wer­den. Der Luxus, den Bedarf an Kran­ken­häu­sern und nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten iso­liert von­ein­an­der zu pla­nen, sei ana­chro­nis­tisch, beton­te Graal­mann.

Nach Ein­schät­zung des Akti­ons­bünd­nis­ses, dürf­te man in Ost­fries­land in zehn Jah­ren dank­bar dafür sein, wenn es noch wohn­ort­na­he Kran­ken­häu­ser gäbe. Die­se müss­ten aller­dings im Sin­ne einer hoch­wer­ti­gen medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung auch im ambu­lan­ten Bereich für die Zukunft „fit gemacht“ wer­den.

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Lächeln fürs Pres­se­fo­to. Sozi­al­mi­nis­te­rin Cor­ne­lia Rundt (SPD) und MdL Wiard Sie­bels (SPD) bei der Über­ga­be der rund 21.000 Unter­schrif­ten für den Erhalt wohn­ort­na­her Gesund­heits­für­sor­ge

Privatisierung durch Überschuldung öffentlicher Haushalte befürchtet

Fest­zu­stel­len sei jedoch, dass die hie­si­ge Kom­mu­nal­po­li­tik unter SPD-Füh­rung seit Jah­ren weder Wil­lens noch in der Lage sei, die­se künf­ti­gen Erfor­der­nis­se zu erken­nen. Anbe­tracht der exor­bi­tan­ten Defi­zi­te star­re man fast wie gelähmt auf eine angeb­li­che Ret­tung durch das Zen­tral­kli­ni­kum in Georgs­heil.

Kri­ti­ker befürch­ten mitt­ler­wei­le, dass die hohen finan­zi­el­len Belas­tun­gen durch die­ses Pro­jekt für kom­mu­na­le Haus­hal­te frü­her oder spä­ter zu einem Ver­kauf der Zen­tral­kli­nik an pri­va­te Inves­to­ren füh­ren könn­te.

Bereits heu­te hät­ten Haus­halts­po­li­ti­ker bei­der Kom­mu­nen erheb­li­che Pro­ble­me, einen Haus­halt zu ver­ab­schie­den, der nicht die Kom­mu­nal­auf­sicht auf den Plan ruft. Die­se könn­te unter Umstän­den einen Zwangs­haus­halt ver­ord­nen. Im Extrem­fall kann die Kom­mu­nal­auf­sicht auch gegen den Bür­ger­wil­len eine Pri­va­ti­sie­rung der Zen­tral­kli­nik anord­nen. Die­ses wegen der ohne­hin maro­den Haus­halts­la­ge zu pro­vo­zie­ren, sei nahe­zu sträf­lich, sag­te Schweers.


 

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