okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Landrat Harm-Uwe Weber scheint derzeit unter hoher Anspannung zu stehen. Gemeinsam mit Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann gab er am Donnerstag vergangener Woche (25.6.) eine Pressemitteilung heraus, nach der den Bürgermeistern aus Aurich und Norden unterstellt wird, dass sie „ganz offenbar eine Privatisierung als konkrete Option für den Erhalt ihrer Krankenhäuser in Betracht ziehen“.
Windhorst hatte vor drei Jahren mit dem privaten Klinikbetreiber Helios Gespräche über eine mögliche Nachnutzung des freigewordenen Kasernengeländes in Aurich gesprochen und darüber offen informiert. Helios hatte schon längst abgewunken. Das ”rechnet sich nicht”.
Beliebtes Instrument: Warnung vor Privatisierung
Das Argument hat Methode. Kritikern der geplanten Zentralklinik wird ständig vorgehalten, sie würden mit ihrem „Nein“ letztlich einer Privatisierung des UEK-Verbundes Aurich/Norden das Wort reden. Diese Drohung wurde bereits 2013 gegenüber UEK-Mitarbeitern ausgesprochen, als Krankenhaus-Sanierer Bredehorst innerhalb der UEK die Strukturen optimieren sollte.
Derartige Maßnahmen führen in jedem Unternehmen zu Widerständen. Sanierung heißt immer auch, lieb gewonnene Gewohnheiten und Besitzstände zu schleifen. Die Drohkulisse „Privatisierung“ wird in solchen Fällen gerne eingesetzt, um Mitarbeiter für schmerzhafte Einschnitte gefügig zu machen. Das funktioniert meistens gut.
Der ärztliche Direktor der UEK, Dr. Egbert Held, lobte deshalb in einem ON-Interview am 31. Januar ausdrücklich die „sehr praxisnahe“ und „vorbildliche Zusammenarbeit“ insbesondere beim Pflegepersonal. Doch „auf ärztlicher Ebene“, so Dr. Held, „ist man bei weitem nicht so weit“. Die bemerkenswert diplomatische Formulierung, hört sich aus anderen Quellen weniger zurückhaltend an. Der Sanierungsplan „Bredehorst“ habe auch die „oberen Etagen“ nicht geschont. Genau von dort kam dann auch der größte Widerstand bis hin zum offenen Boykott.
Drohkulisse ”Privatisierung” nicht völlig aus der Luft gegriffen
Über zwölf Jahre haben UEK-Management und die politische Ebene den größten Krankenhaus-Verbund auf der ostfriesischen Halbinsel im Grunde in die Insolvenz gesteuert. Dabei versteckt man sich gerne hinter den Bundesgesetzen, die eine beinharte Ökonomisierung in der Medizin befördern.
Unter dem sinnvollen Vorzeichen „Kostendämpfung im Gesundheitswesen“, steht mittlerweile so gut wie jeder Arzt täglich im Zwiespalt zwischen „ärztlicher Ethik“ und dem Zwang, bei den Befunden nicht zu vergessen, dass aus jedem Patienten möglichst viele Erlöse herauszuwirtschaften sind.
Bei jeder Visite im Krankenhaus steht dem Arzt mittlerweile auch ein DRG-Beauftragter im Nacken, der den Arzt daran erinnert, dass er bei der Diagnose auch an das Geld zu denken habe.
Der Bürger als Bürge
Gäbe es nicht die Möglichkeit in die Kasse des Landkreises zu greifen, also den Steuerzahler als Bürger zum Bürgen zu machen, hätte man es mit dem Straftatbestand der „Konkursverschleppung“ zu tun.
Die Drohkulisse ist allerdings auch wieder absurd. Kein Investor dürfte an den beiden heruntergewirtschafteten Krankenhäusern gesteigertes Interesse zeigen. Rein wirtschaftlich betrachtet, wäre es natürlich attraktiver, würde die Kommune zunächst eine schicke Zentralklinik bauen, sich dabei absehbar finanziell überheben, um dann „als Retter in der Not“ den Neubau übernehmen zu können. Exakt das fürchtet Aurichs Bürgermeister Heinz-Werner Windhorst – und diese „Aussicht“ ist keineswegs „bauchgefühlt“.
Aurich ist faktisch der Finanzier des Projektes
Doch die Millionen, die die „Enercon-Stadt“ jährlich als Kreisumlage zahlt, werden nicht mehr so üppig fließen, wie man es bislang gewohnt war. Davon kann Windhorst ein Lied singen – genauer, seine Haushaltspolitiker, denen mittlerweile auch die Schweißperlen auf der Stirn stehen.
Viele Vergünstigungen für die Auricher Bürger standen schon bei den letzten Haushaltsberatungen auf dem Prüfstand. Darunter sogar die Befreiung von Kindergarten-Gebühren. In Aurich eine Art „heilige Kuh“, die niemand zu schlachten gedenkt.
Derartiges überhaupt – wenn auch nur kurz – öffentlich zum Thema zu machen, zeigte deutlich, wie eng es in Aurich ist und noch weiter werden wird. Die erheblich reduzierten Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt Aurich schlagen sich mit einem Jahr Verzug inzwischen auch auf den Haushalt des Landkreises nieder.
Nur unter größter Anstrengung konnte 2015 ein Landkreis-Haushalt verabschiedet werden. Einer, der nicht gleich die Kommunalaufsicht auf den Plan ruft. Das bedeutet unter Umständen, dass dem Landkreis ein Zwangshaushalt verordnet wird – so, wie das auf internationaler Bühne derzeit mit Griechenland exekutiert wird.
Emder Bürgermeister als ökonomischer Rettungssanitäter?
Dass Landrat Harm-Uwe Weber dazu neigt, jeden wegzubeissen, der sich den Plänen für eine Zentralklinik zu widersetzen gedenkt, hat einen nachvollziehbaren Hintergrund. Als Retter in der Not, dient sich derzeit Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann mit seiner Idee einer gemeinsamen Zentralklinik in Georgsheil an. Man darf dabei vermuten, dass der gute Freund aus Hannover, Staatssekretär Jörg Röhmann, „dem Bernd“ nahegelegt hat, dem „Herrn Weber“ ein solches Angebot zu unterbreiten. Das alles mit dem verlässlichen Signal, dafür auch finanzielle Unterstützung aus Hannover zu erhalten.
Vom Dach des Hannoveraner Sozialministeriums pfeifen es die Spatzen schon lange: Keinen Cent gibt es mehr für diesen an die Wand gefahrenen UEK-Verbund Aurich/Norden. Hannover hat die Faxen dicke – das Affentheater UEK läuft schließlich schon seit über 12 Jahren. Irgendwann ist auch die Geduld in Hannover am Ende – bei allem Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung.
Gibt es einen Plan‑B ?
Von den Kritikern einer Zentralklinik in Georgsheil wird gerne das Beispiel aus dem kleineren Landkreis Leer angeführt. Unter gleichen Bedingungen, denen auch der Landkreis Aurich unterliegt, hat man es dort geschafft, das kommunale Krankenhaus nicht nur mit der berühmten „Schwarzen Null“ zu betreiben, sondern ist außerdem noch in der Lage, in das Krankenhaus zu investieren. Kein Zaubertrick. Auch in Leer ging dieser Prozess nicht ohne Schmerzen über die Bühne. Doch dort hatte man bereits 2004 die Zeichen der Zeit verstanden und sich darauf eingestellt. Das ist der entscheidende Unterschied.
Im Landkreis Aurich beschäftige man sich statt dessen lieber mit einer Art Provinzposse zwischen zwei nicht mehr existierenden Altkreisen. Bedeutete praktisch: man „pflegte“ einen ruinösen kreisinternen Konkurrenzkampf zwischen dem UEK-Standort Norden und dem in Aurich. Unter diesem vor allem mal politischen Problem, litt natürlich auch das Krankenhaus. Von Zusammenarbeit und Kooperation war nur auf dem Papier die Rede.
Jetzt wird die Rechnung präsentiert und der Bürger darf sie bezahlen
Was die Menschen auf die Palme bringt, sind nicht unbedingt die für Normalbürger eher abstrakten Millionen-Defizite, sondern, dass ausgerechnet Landrat Weber die Zentralklinik als ein mittleres Ablenkungsmanöver nutzt. Damit wird versucht – und das nicht ganz ungeschickt, das Missmanagement der letzten Jahre „vergessen zu machen“.
Eher beschönigend erklärten Befürworter der Zentralklinik, dem Landrat sei in Sachen Zentralklinik bei der „Kommunikation mit den Bürgern“ eine „Informationspanne“ unterlaufen. Informationspannen gehören allerdings zum „System Weber“. Weber trägt (schon als Krankenhausdezernet unter seinem Vorgänger Theuerkauf) zumindest die politische Verantwortung für den desaströsen UEK-Zustand. Damit ist er auch politisch der falsche Mann für das Projekt Zentralklinik. Sich als politisch Verantwortlicher für die 40 Millionen € Defizit des UEK-Verbundes vor die Bürger zu stellen und ihnen von oben herab zu verkünden, dass man diesen Bürgern ihre Krankenhäuser schließen will – schließen muss, kommt einfach nicht gut. Das können nicht einmal mehr hochbezahlte PR-Profis glattbügeln.
Einigkeit bei Kritikern und Befürwortern: ”So kann es nicht mehr weitergehen”
An einer Stelle sind sich Kritiker und Befürworter einer Zentralklinik allerdings einig. So, wie die letzten 12 Jahre unter Weber, kann und darf es nicht mehr weitergehen. Ob dabei eine Zentralklinik der Stein der Weisen ist, bleibt weiterhin umstritten. Konstruktiv wird man darüber allerdings erst reden können, auch mit einem realistischen Plan‑B, wenn diejenigen, die den UEK-Verbund Aurich/Norden in eine fast aussichtslose Lage geführt haben, ihren Hut nehmen.
Ob mögliche Nachfolger noch die Chance haben, die Fehler der Vergangenheit im Interesse der Bürger auszubügeln, hängt entscheiden davon ab, ob man in Hannover derartiges nochmal mitmacht. Zweifel sind nach den Erfahrungen der letzten Jahre angebracht. Dennoch – gefragt sind auch in Ostfriesland Kommunalpolitiker, die sich gegebenenfalls auch gemeinsam mit den Bürgern gegen eine Gesundheitspolitik verwahren, die auf Kosten des Pflegepersonals, der Ärzte und vor allem auch der Patienten gehen. Nicht gebrauchen kann man Kommunalpolitiker, die eine erkannt verkehrte Gesundheitspolitik ”von oben” in Verbindung mit eigener ”Dusseligkeit” nach ”unten” durchreichen.
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