Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Bürgerbegehren nun auch in Emden

Emden/Aurich (okj) – Das „Akti­ons­bünd­nis Kran­ken­hau­ser­halt Emden“ berei­tet der­zeit ein Bür­ger­be­geh­ren gegen die Schlie­ßung des Emder Kli­ni­kums vor. Dazu hat das Bünd­nis in einem Schrei­ben an Ober­bür­ger­meis­ter Bernd Bor­n­e­mann (SPD) vom 25. Novem­ber um Beant­wor­tung von ins­ge­samt 14 Fra­gen gebe­ten. Unter ande­rem soll dar­ge­legt wer­den, wel­che Sanie­rungs­schrit­te erfor­der­lich sind, um den Betrieb des Emder Kli­ni­kums wirt­schaft­lich trag­bar zu hal­ten. Eben­falls soll die aus­führ­li­che BDO-Mach­bar­keits­stu­die „Zen­tral­kli­nik“ über­mit­telt wer­den, da in der Öffent­lich­keit ledig­lich eine gekürz­te Zusam­men­fas­sung ver­brei­tet wer­de. Fer­ner hat das Akti­ons­bünd­nis Akten­ein­sicht in vor­lie­gen­de Pla­nungs­un­ter­la­gen zur Zen­tral­kli­nik bean­tragt.

beteiligungDie­se Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung ist nach der Nie­der­säch­si­schen Kom­mu­nal­ver­fas­sung Vor­aus­set­zung, um ein Bür­ger­be­geh­ren mit einer „auf Fak­ten ori­en­tier­ten Begrün­dung“ in die Wege lei­ten zu kön­nen. Dabei sind die Ämter ver­pflich­tet, den Initia­to­ren die erfor­der­li­chen Infor­ma­tio­nen und Aus­künf­te zu ertei­len.

Ein erfolg­rei­ches Bür­ger­be­geh­ren ist Vor­aus­set­zung, um anschlie­ßend einen Bür­ger­ent­scheid durch­füh­ren zu kön­nen. Ein Bür­ger­ent­scheid, der von der Kom­mu­ne wie eine Wahl durch­zu­füh­ren ist, hat die Wir­kung eines Rats- bzw. Kreis­tags­be­schlus­ses und ist als sol­cher für die Poli­tik bin­dend. Ziel des Bür­ger­be­geh­rens ist es, eine Zen­tral­kli­nik auf der Grü­nen Wie­se zu ver­hin­dern und die wohn­ort­na­he Grund- und Regel­ver­sor­gung auch für die Zukunft zu sichern.

Formaldemokratische Hürden

paraDas Ver­fah­ren „Bür­ger­be­geh­ren“ wird aller­dings zuneh­mend auch von Juris­ten kri­tisch bewer­tet. Fest­ge­macht wird dies vor allem am vor­ge­schrie­be­nen „Kos­ten­de­ckungs­vor­schlag“. Die­ser besagt, dass die Bür­ger eines geplan­ten Vor­ha­bens exakt dar­le­gen müs­sen, das eine Alter­na­ti­ve auch finan­zier­bar ist. Die­ses kann – poli­tisch – so aus­ge­legt wer­den, dass eine Bür­ger­initia­ti­ve eine Art „Gegen­gut­ach­ten“ in Auf­trag geben müss­te. Damit kann ein Bür­ger­be­geh­ren bereits im Ansatz ver­hin­dert wer­den.

Bislang verweigert: Zeitnahe Bürgerbefragung

Bereits am 20. Novem­ber hat­te der Emder Rats­herr Wil­fried Graf (Lin­ke) bean­tragt, die Emder Ver­wal­tung mit einer „zeit­na­hen Bür­ger­be­fra­gung zur geplan­ten Zen­tral­kli­nik“ zu beauf­tra­gen. In der Begrün­dung des Antra­ges heißt es:

Die Pla­nung, eine Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil errich­ten zu wol­len, spal­tet seit Bekannt­wer­den die­ses Plans die Bevöl­ke­rung in Befür­wor­ter und Geg­ner. Bei­de Grup­pie­run­gen neh­men für sich in Anspruch, die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung auf ihrer Sei­te zu haben. Dazu befragt wur­den die Emde­rin­nen und Emder bis­her von der Poli­tik jedoch nicht.“

Wei­ter schreibt Graf, wer ein Pro­jekt von sol­cher Trag­wei­te pla­ne, von dem nicht nur alle Wahl­be­rech­tig­ten, son­dern alle Bür­ger jeden Alters betrof­fen sind, müs­se sicher sein, dass das Pro­jekt in der Bevöl­ke­rung Akzep­tanz fin­de. Alle Frak­tio­nen im Rat der Stadt Emden und auch Nie­der­sach­sens Sozi­al­mi­nis­te­rin Cor­ne­lia Rundt, hät­ten immer wie­der betont, das es wich­tig sei die mit­zu­neh­men. Des­halb sei es eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, das vor der end­gül­ti­gen Ent­schei­dung über die Errich­tung einer Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil die Bür­ger befragt wer­den.

Bürgerbegehren im Doppelpack

bismarkDa es sich bei der Kreis­frei­en Stadt Emden und dem Land­kreis Aurich um zwei getrenn­te Gebiets­kör­per­schaf­ten han­delt, müs­sen auch zwei von­ein­an­der unab­hän­gi­ge Ver­fah­ren Bür­ger­be­geh­ren und Bür­ger­ent­scheid ein­ge­lei­tet wer­den. Das Akti­ons­bünd­nis Nor­den und Aurich hat dazu bereits einen umfang­rei­chen Antrag vor­be­rei­tet. Die­ser wird in den nächs­ten Tagen offi­zi­ell dem Auricher Land­rat Harm-Uwe Weber (SPD) über­reicht wer­den.

Über die Zuläs­sig­keit die­ses Antra­ges ent­schei­det der Kreis­aus­schuss. Die­sem ist jedoch unter­sagt, ein Bür­ger­be­geh­ren aus poli­ti­schen Grün­den abzu­wei­sen. Nach rein for­mal­ju­ris­ti­schen Prü­fung, muss dem Bür­ger­be­geh­ren statt­ge­ge­ben wer­den. Erst danach kann das Akti­ons­bünd­nis eine Unter­schrif­ten­samm­lung durch­füh­ren, auf des­sen Grund­la­ge ein Bür­ger­ent­scheid mög­lich wird.

Machtvolle Durchsetzung der Zentralklinik macht Bürgerbegehren unvermeidlich

übergabeAls über­aus bedau­er­lich wer­tet das Akti­ons­bünd­nis in Emden, Nor­den und Aurich die Tat­sa­che, dass die Unter­schrif­ten­samm­lung Anfang des Jah­res zu kei­nem Umden­ken bei der Poli­tik geführt habe. Über 22.000 Bür­ger hat­ten sich im April des Jah­res gegen eine Zen­tral­kli­nik und für den Erhalt ihrer wohn­ort­na­hen Kran­ken­häu­ser aus­ge­spro­chen. Die­ses Votum, wel­ches selbst Nie­der­sach­sens Sozi­al­mi­nis­te­rin Cor­ne­lia Rundt beein­druck­te, hiel­ten füh­ren­de Kom­mu­nal­po­li­ti­ker in Aurich und Emden als eines, wel­ches „bauch­ge­fühlt“ und auf der Grund­la­ge man­gel­haf­ter Infor­ma­ti­on beru­he.

Vor dem Hin­ter­grund die­ser Ein­schät­zung, wer­de die Schlie­ßung der Kran­ken­häu­ser und das Pro­jekt Zen­tral­kli­nik wei­ter­hin mit der „poli­ti­schen Sen­si­bi­li­tät einer Dampf­wal­ze“ durch­ge­zo­gen, heißt es in Krei­sen des Akti­ons­bünd­nis­ses. Das Ver­ständ­nis von Bür­ger­be­tei­li­gung habe sich bis­lang als schlich­te „PR-Ver­an­stal­tung“ erwie­sen. Dabei wer­de den Bür­gern sug­ge­riert, dass ohne eine Zen­tral­kli­nik die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Men­schen in Ost­fries­land in Gefahr sei.

Unbeeindruckt werden weiter Fakten geschaffen

Wie aus den für gewöhn­lich gut unter­rich­te­ten Krei­sen ver­lau­tet, wird am 1. Dezem­ber um 10 Uhr in der Feu­er­wehr­tech­ni­schen Zen­tra­le Georgs­heil die mitt­ler­wei­le zwei­te Sit­zung des Bei­rats ”Trä­ger­ge­sell­schaft Zen­tral­kli­ni­kum Aurich-Emden-Nor­den mbH” statt­fin­den.

georgAuf die­ser Sit­zung soll über den Bear­bei­tungstand des Raum- und Funk­ti­ons­pro­gramms für das geplan­te Zen­tral­kli­ni­kum, die ”Struk­tur der Pla­nungs­pha­se” infor­miert und eine Ände­rung des Gesell­schafts­zwecks erör­tert wer­den. Was die Ände­rung beinhal­tet, ist aller­dings nicht bekannt. Geplant ist zudem, über die Hol­ding „Trä­ger­ge­sell­schaft Zen­tral­kli­nik“ die Auf­sichts­rä­te bei­der Kli­ni­ken (UEK/HSK) zusam­men­zu­füh­ren. Ob die­ses über­haupt zuläs­sig ist, wird in Krei­sen des Akti­ons­bünd­nis­ses bezwei­felt.

Als höchst befremd­lich betrach­tet das Akti­ons­bünd­nis ein Ver­fah­ren, nach­dem bei­de Par­la­men­te, der Rat der Stadt Emden, wie auch der Auricher Kreis­tag nicht ein­be­zo­gen wer­den. Immer­hin habe der nicht öffent­lich tagen­de Ver­wal­tungs­au­schuss des Emder Rats die Frei­ga­be von Haus­halts­mit­teln in Höhe von einer Mil­lio­nen Euro an den Rat der Stadt ver­wie­sen. Dem­ge­gen­über wur­de in Aurich durch Land­rat Harm-Uwe Weber ver­sucht, eine sol­che Ent­schei­dung vom eben­falls hin­ter ver­schlos­se­nen Türen tagen­den Kreis­aus­schuss bewil­li­gen las­sen. Die­ser hat­te sich jedoch gewei­gert und geneh­mig­te dem Land­rat ledig­lich 200.000 Euro.

Salamitaktik professioneller Natur

salamiDie Trä­ger­ge­sell­schaft Zen­tral­kli­nik ist der­zeit auf ins­ge­samt zwei Mil­lio­nen Euro öffent­li­cher Mit­tel ange­wie­sen, um Pla­nungs­kos­ten und Gehalt für die Geschäfts­füh­rung bezah­len zu kön­nen. Obwohl in den Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen zur Zen­tral­kli­nik immer wie­der ver­si­chert wur­de, dass die ohne­hin unter Druck ste­hen­den Haus­hal­te des Land­krei­ses und der Stadt Emden nicht belas­tet wer­den, zeich­ne sich schon jetzt ab, dass die kom­mu­na­len Kas­sen in die Pflicht genom­men wer­den, heißt es im Akti­ons­bünd­nis.

Gegen­über dem Auricher Kreis­tag hat­te Land­rat Harm-Uwe Weber den Abge­ord­ne­ten um März ver­si­chert, dass deren Zustim­mung zum Trä­ger­schafts­ver­trag ”Zen­tral­kli­nik” ledig­lich dem Zweck die­ne, um über­haupt För­der­gel­der bei der Lan­des­re­gie­rung ein­wer­ben zu kön­nen. Nach Ein­schät­zung des Akti­ons­bünd­nis­ses, haben bei­de Häu­ser, der Rat der Stadt Emden, wie auch der Kreis­tag, damit ihren Ein­fluss auf die wei­te­ren Ent­wick­lun­gen de fak­to abge­ge­ben. Der Kreis­tag hat sich mit die­ser Ent­schei­dung ”selbst ent­mannt”, so ein Kreis­tags­ab­ge­ord­ne­ter in pri­va­ter Run­de.

Zentralklinik überfordert die kommunalen Haushalte

Wer­de das Pro­jekt nicht gestoppt, müss­ten öffent­li­che Mit­tel für wei­ter­lau­fen­de Inves­ti­tio­nen bestehen­der Häu­ser, erheb­li­che Inves­ti­tio­nen für den Neu­bau und sowie Geld­mit­tel unbe­kann­ter Grö­ßen­ord­nung zur Erschlie­ßung der Infra­struk­tur in Georgs­heil auf­ge­bracht wer­den. Alle drei Fak­to­ren dürf­ten die kom­mu­na­len Haus­hal­te erheb­lich belas­ten. Der För­der­an­reiz durch die Lan­des­re­gie­rung ände­re dar­an nichts.

schuldenFol­ge­kos­ten sowie der Eigen­an­teil zur Finan­zie­rung des Vor­ha­bens, müss­ten bei­de Kom­mu­nen „aus eige­ner Tasche“ bezah­len. Die­se gehe nur durch wei­te­re Kre­dit­auf­nah­men, die durch kom­mu­na­le Steu­er­mit­tel abge­si­chert wer­den müs­sen. Dabei ist nicht aus­zu­schlie­ßen, das die­ses mit einer Erhö­hung der Kreis­um­la­ge ein­her­geht.

Die größ­te Gefahr dro­he jedoch dadurch, dass durch die erheb­li­chen Auf­wen­dun­gen die kom­mu­na­len Haus­hal­te in einer Wei­se „über­dehnt“ wer­den, dass die Kom­mu­nal­auf­sicht eine Art „Not­brem­se“ zie­hen muss und unter Umstän­den den Ver­kauf der Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil anord­net.

Anzu­neh­men sei des­halb, das poten­ti­el­le Inves­to­ren der­zeit abwar­ten, wie sich die Din­ge ent­wi­ckeln und „hilf­rei­che Ange­bo­te“ unter­brei­ten wer­den, sobald offen­bar wird, dass die kom­mu­na­len Haus­hal­te mit dem Vor­ha­ben über­for­dert sind.

Jeder gegen jeden: Kommunalpolitisches Monopoly im Gesundheitsmarkt?

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Statt im mil­lar­den­schwe­ren Gesund­heits­markt wei­ter „Mono­po­ly zu spie­len“ sei es nach Auf­fas­sung des Akti­ons­bünd­nis­ses rat­sa­mer, die wohn­ort­na­hen Kran­ken­häu­ser zu sanie­ren und für die Bür­ger eine hoch­wer­ti­ge medi­zi­ni­sche Grund- und Regel­ver­sor­gung sicher zu stel­len. Auf län­ge­re Sicht müs­se ohne­hin eine gesamtost­frie­si­sche Lösung gefun­den wer­den.

In dem Zusam­men­hang sei auch die Kri­tik des AOK Spre­chers Oli­ver Gie­bel am neu­en Herz­ka­the­ter­la­bor in Aurich bezeich­nend. Auf Anfra­ge der in Aurich erschei­nen­den Ost­frie­si­schen Nach­rich­ten erklär­te Gie­bel, dass Pati­en­ten im Kreis Aurich bereits durch die Labors in Leer, Wes­ter­stede und Olden­burg ver­sorgt sei­en. Aurich wer­de sich nur dann rech­nen, wenn Pati­en­ten von ande­ren Kli­ni­ken abge­wor­ben wür­den. Durch eine Über­ver­sor­gung ent­ste­he bei allen betrof­fe­nen Kran­ken­häu­sern die Ten­denz, Pati­en­ten aus wirt­schaft­li­chen Grün­den unnö­tig zu unter­su­chen.


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