Aurich (ok/on/okj) – Die Verwaltung des Landkreises Aurich hat die vom „Aktionsbündnis Klinikerhalt“ angeforderten Unterlagen über die Kosten einer neuen Zentralklinik in Georgsheil zusammengestellt. Wie der in Norden erscheinende „Ostfriesischer Kurier“ in seiner heutigen Ausgabe berichtet (7.11.), liegen die Unterlagen dem Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) zur Unterschrift vor. Die Kreistagsfraktion der Grünen hatte Weber in einem offenen Brief aufgefordert, die Informationen unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Die Dokumente werden benötigt, um einen Bürgerentscheid für den Erhalt der Klinikstandorte in Norden und Aurich auf den Weg bringen zu können. Der allerdings muss mit einem Gegenvorschlag zur Zentralklinik begründet werden, der zudem einen Kostendeckungsvorschlag zu unterbreiten hat.
Nach Einschätzung des Aktionsbündnisses haben die enormen Defizite des UEK-Verbundes Aurich/Norden vor allem hausgemachte Ursachen. Bereits im Mai des Jahres hatte die AOK Niedersachsen eine Investition von 1,8 Mio Euro für das Linksherzkatheter-Labor am Standort Aurich als überflüssig bezeichnet.
Wie AOK-Sprecher Oliver Giebel auf Anfrage den Ostfriesischen Nachrichten erklärte, seien die Patienten im Kreis Aurich bereits durch die Labors in Leer, Westerstede und Oldenburg versorgt. Aurich werde sich nur dann rechnen, wenn Patienten von anderen Kliniken abgeworben würden.
Durch eine Überversorgung entstehe bei allen betroffenen Krankenhäusern die Tendenz, Patienten aus wirtschaftlichen Gründen unnötig zu untersuchen.
Herzkatheter-Labore: Jede 6. Behandlung geht schief
Herzkatheter-Behandlungen sind für Krankenhäuser wirtschaftlich besonders lukrativ und gehören in Deutschland zu den häufigsten Eingriffen. Ob eine Behandlung glückt, hängt jedoch im hohem Maße davon ab, in welche Klinik der Patient kommt. Zu diesem Ergebnis kam eine Erhebung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WiDo) aus dem Jahre 2013.
Das Ergebnis der AOK-Erhebung dürfte viele Patienten erschrecken. In den besten Krankenhäusern lag die Komplikationsrate nach der Herzkatheter-Behandlung bei unter acht Prozent, in den schlechtesten Häusern dagegen bei 28 Prozent und höher. Im Gesamtdurchschnitt ermittelte das Institut eine Rate der Komplikation und „qualitätsrelevanten Folgeeingriffen“ von 17,7 Prozent. Die Sterblichkeitsrate läge im Schnitt bei 0,7 Prozent – jeder sechste Herzkatheter Eingriff misslingt.
Die Investition in das Auricher Herzkatheter-Labor geht auf Empfehlungen des sogenannten „Bredehorst-Gutachtens“ zurück. In diesem wurde dargelegt, wie der UEK-Verbund Aurich/Norden die enormen Defizite von rund 10 Mio. Euro jährlich abbauen und in Perspektive sogar Erlöse erzielen könnte. Dabei sollten beide Standorte erhalten werden. Rund zwei Millionen Euro hatte sich der Landkreis die Arbeit des Sanierers kosten lassen.
Top-Down-Strategie: Zentralklinik gegen den Willen der Bürger
Rivalitäten in der Ärzteschaft aber auch die kreisinterne Konkurrenzsituation hat die Realisierung dieses Vorhabens jedoch scheitern lassen. Wer konkret und an welcher Stelle den Sanierungsplan boyotttiert hat, wird allerdings nicht offenbart. In Teilen des Aktionsbündnisses wird deshalb vermutet, das der Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser nicht im Interesse der Politik ist. Vor allem die Landesregierung setze auf die Zentralklinik.
Mit den ungewöhnlich hohen Defizite würden derzeit die Auricher Kreistagsabgeordneten regelrecht erpresst, so dass sie letztlich gegen den Willen der Bürger einer Zentralklinik zustimmen. Kein Politiker könne die Defizite – die mit Steuergeldern aufgefangen werden müssen – noch vertreten.
Allerdings scheue man sich in der hiesigen Kommunalpolitik, die für diese Defizite Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Wäre das Bredehorst-Gutachten auch nur zum Teil umgesetzt worden, würde heute wohl niemand über eine Zentralklinik auf der Grünen Wiese diskutieren, heißt es im Aktionsbündnis.
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