okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Man reibt sich verwundert die Augen. Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) erklärte auf Anfrage der Ostfriesischen Nachrichten, dass nach unbewiesenen Gerüchten der Chefarzt der Kardiologie an der Ubbo-Emmius-Klinik in Aurich „gefährliche Medizin“ betreibe. Im Fadenkreuz steht der neue Linksherzkatheder-Meßplatz am Standort Aurich. In dieser Abteilung seien „reihenweise Leute gestorben“, lässt Landrat Weber die Leser wissen. Doch auf konkrete Nachfrage, so betont Weber ausdrücklich, habe es nie „konkrete Daten und Fakten“ gegeben. Doch wegen dieser Gerüchte, die die Form einer Hexenjagd gehabt hätten, sei es nun zur Kündigung gekommen.
Mittlerweile weiß jeder Facebook-Benutzer, was einem widerfahren kann, wenn man sich zu übler Nachrede hinreißen lässt. Der Landrat, selbst Jurist, sollte in seinem Studium gelernt haben, dass selbst bei einem starken Anfangsverdacht, generell die Unschuldsvermutung zu gelten hat. Wenn, wie behauptet „reihenweise Leute gestorben“ seien, so ist das wohl eher ein Fall für die Staatsanwaltschaft, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens den aufgestellten Behauptungen nachzugehen hat. Dabei sind Staatsanwaltschaften angehalten, auch entlastend zu ermitteln.
Sich als oberster Dienstherr und Landrat auf den medialen Marktplatz zu stellen und sich in dieser Funktion als Weiterverbreiter böser Gerüchte zu beteiligen, sie damit sogar zu verschärfen, kann man sehr wohl als einen Skandal werten, einer, der nicht mehr als „Informationspanne“ durchgehen kann.
Was bitte veranlasste Landrat Weber dazu, sich nicht an die Sprachregelung des ärztlichen Direktors der UEK, Dr. Egbert Held zu halten? Dieser hatte wohl aus gutem Grund erklärt, dass die Erwartungen und Zeitplan für die neue Abteilung der UEK nicht den Vorstellungen entsprächen. Das kann man als „wenig konkrete“ Aussage werten. Doch will man unterstellen oder auch nur glauben, dass die Gerüchte zutreffend sein könnten, beweist der ärztliche Direktor mehr Rechtsverständnis, als der gelernte Jurist im Amt eines Landrats.
Sollte an den gegen den Chefarzt erhobenen Vorhalten nichts Gerichtsfestes übrig bleiben, hat sich der Landrat de facto und ggf. auch de jure unter Umständen an Mobbing im Amt beteiligt. Einem Arzt öffentlich vorzuhalten, bei ihm würden „reihenweise Leute sterben“, dafür dann selbst keine Belege vorbringen zu können, ist jedenfalls kein Vorgang, bei dem man zur Tagesordnung übergehen könnte.
Da wäre der Landrat wohl eher gefordert gewesen, sich schützend vor den Chefarzt zu stellen – jedenfalls, wenn es für diese Gerüchte weder konkrete Daten noch Fakten gibt und er hätte zu veranlassen gehabt, dass ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Zu laufenden Ermittlungsverfahren, Herr Landrat, gibt es in diesem unserem Rechtsstaat eine sehr sinnvolle Übung. Man hat zu schweigen.
Ansonsten sei die Frage erlaubt, welchen Bärendienst Weber mit seinen unbedachten Äußerungen dem UEK-Verbund Aurich/Norden erwiesen hat. Man erinnere sich. Der Aufbau des Linksherzkatheder-Meßplatzes in Aurich geht auf eine Empfehlung der Unternehmensberatung Bredehorst zurück. Mit diesem medizinischen Angebot sollten die Erlöse des Krankenhauses verbessert und das Defizit abgebaut werden können. Das dürfte sich bis auf weiteres erledigt haben.
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