okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
An Hiobsbotschaften aus dem UEK-Krankenhaus Aurich/Norden haben sich die Bürger des Landkreises Aurich mittlerweile gewöhnt. Jedes Jahr werden rund 10 Millionen € Defizit vermeldet. Ein vom Auricher Kreistag beschlossener Sanierungs- und Rettungsplan wurde schlichtweg nicht umgesetzt. Schuld daran hat natürlich der Gutachter, dessen Empfehlungen als zu optimistisch eingeordnet werden. Eine der Empfehlungen des mittlerweile bekannten Bredehorst-Gutachten war, in Aurich einen Linksherz-Katheder-Meßplatz anzubieten. Neben etlichen Sparmaßnahmen, sollten damit zusätzliche Einnahmen erzielt werden.
Sicher, über diese Empfehlung lässt sich trefflich streiten, schließlich gibt es derartige Einrichtungen schon seit Jahren in Leer und Westerstede. Vor diesem Hintergrund wertete die AOK Niedersachsen die 1,8 Millionen € auch als Fehlinvestition. Diese könnten sich, so die AOK, nur dann rechnen, wenn Aurich den anderen Einrichtungen Patienten abwirbt. Das Bredehorst eine solche Empfehlung hat reinschreiben müssen, hatte natürlich mit seiner Auftragslage zu tun. Seine Aufgabe war es nicht, sich Gedanken über eine gesamtostfriesische Krankenhauslandschaft zu machen.
Im Rückblick offenbart sich, dass der Gutachter vor einer fast aussichtslosen Situation stand. Jahrelanges Missmanagement lässt sich nicht mit einem Crashkurs in zwei oder drei Jahren aus der Welt schaffen – ein Missmanagement, für das Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) die politische Verantwortung trägt. Schon unter seinem Vorgänger, dem Landrat Walter Theuerkauf, war Weber Krankenhaus-Dezernent. Wenig Chancen, sich auf Versäumnisse irgendeines Vorgängers berufen zu können.
Was Weber anfasst, ist zum Scheitern verurteilt
Die Krankenhauspolitik des Auricher Landrats steht schon seit Jahren in der Kritik. Auf einer Verdi-Versammlung im November 2014 platzte den Gewerkschaftern mit Blick auf Webers Planungen zur Zentralklinik schon mal der Kragen. Wilhelmine Illig, ehemalige Personalrätin der UEK, sagte: „Weber und der UEK-Geschäftsführer Jann-Wolfgang de Vries haben nie Probleme gelöst. Sie haben nur das Geld verschleudert.“
Später setzte Illig noch eins drauf: „Was Herr Weber anfasst, ist zum Scheitern verurteilt.“ Ebenfalls anwesend: Gewerkschaftssekretär Andre Hinrichs. Er gehört dem Aufsichtsrat des Klinikums Leer an und wurde ebenfalls deutlich. In Leer werde über Weber und de Vries gelästert, erklärte Hinrichs: „Sie schaffen es nicht mal, ein kleines Krankenhaus zu führen. Jetzt glauben sie, ein großes führen zu können.“ Für den Neuanfang müsse eine neue Chefetage her. (Zitiert nach: http://www.oz-online.de/-news/artikel/136505/Gewerkschafter-greifen-Landrat-verbal-an)
Inzwischen hat UEK-Geschäftsführer de Vries gut dotiert seinen Hut genommen, jedenfalls in dieser Funktion. Darüber sollte jetzt auch Landrat Harm-Uwe Weber nachdenken, denn, so titelten die in Aurich erscheinenden Ostfriesischen Nachrichten (04.03), nun verlässt sogar ein komplettes Ärzteteam die Auricher Klinik und es sind ausrechnet jene, die als leitende Ärzte mit dem Links-Herzkatheder-Meßplatz der Kardiologie mithelfen sollten, die Defizite der UEK zu reduzieren. Daran trägt Weber erhebliche Mitschuld.
Nur eine Informationspanne?
In eben diesen Ostfriesischen-Nachrichten hatte der Landrat am 9. Januar unbewiesene Gerüchte mit verbreitet, nach denen den Ärzten vorgeworfen wurde, „gefährliche Medizin“ zu betreiben, durch die reihenweise Leute gestorben seien. Dabei räumte Weber sogar ein, dass es auch auf Nachfrage nie konkreten Daten und Fakten gegeben habe.
OKJ kommentierte damals: Mittlerweile weiß jeder Facebook-Benutzer, was einem widerfahren kann, wenn man sich zu übler Nachrede hinreißen lässt. Der Landrat, selbst Jurist, sollte in seinem Studium gelernt haben, dass selbst bei einem starken Anfangsverdacht, generell die Unschuldsvermutung zu gelten hat. Wenn, wie behauptet „reihenweise Leute gestorben“ seien, so ist das wohl eher ein Fall für die Staatsanwaltschaft, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens den aufgestellten Behauptungen nachzugehen hat. Dabei sind Staatsanwaltschaften angehalten, auch entlastend zu ermitteln.
Sich als oberster Dienstherr und Landrat auf den medialen Marktplatz zu stellen und sich in dieser Funktion als Weiterverbreiter böser Gerüchte zu beteiligen, sie damit sogar zu verschärfen, kann man sehr wohl als einen Skandal werten, einer, der nicht mehr als „Informationspanne“ durchgehen kann. „Wir haben schon einen tollen Landrat“, war aus Kreisen der Abgeordneten im Kreistag zu vernehmen: „Der macht mit einer solchen unbedachten Äußerungen alles zunichte, was vorher mühevoll aufgebaut wurde“. Stellt sich aktuell die Frage, ob sich diese Erkenntnis insgesamt bei Abgeordneten des Auricher Kreistages noch einstellen wird.
Es darf spekuliert werden
Das SPD-Abgeordnete zu ihrem Spitzenmann stehen – stehen müssen – kann man Anbetracht der bevorstehenden Kommunalwahl vielleicht verstehen. Die mittlerweile zum Weber-Fanclub mutierte CDU wird sich allerdings zu fragen haben, warum sie noch immer an einem SPD-Mann klebt, den selbst etliche Genossen hinter vorgehaltener Hand nur mit zusammengebissenen Zähnen ertragen. Politisch ist diese Interessenlage schwer zu verstehen.
Für Weber wird es jedenfalls Zeit zu gehen. Wer immer auch die Nachfolge anzutreten hat – ein beneidenswerter Job ist es wahrlich nicht. Mancher sieht bereits den Ersten Kreisrat Dr. Frank Puchert als Webers natürlichen Nachfolger – obwohl viele ahnen, sich dann auf eine Gangart einstellen zu müssen, für die es nicht viele „gefällt mir“ Buttons geben könnte. Was sich in den nächsten Tagen und Wochen in der Landkreispolitik abspielen wird, bleibt abzuwarten. Die Kernfrage lautet jedoch: Was bitte soll noch alles schief gehen und wie viele Millionen darf es kosten?
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