Aurich (okj) – Nach dem Willen des Landrats Harm-Uwe Weber (SPD), sollen Abgeordnete des Auricher Kreistages wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflichten öffentlich gerügt werden. Dies geht aus einer Beschlussvorlage vom 21. April 2016 hervor. Unter der Geschäftsnummer VIII/2016/075 verdächtigt der Landrat Abgeordnete und Zuhörer des Kreisausschusses, Informationen über die Abweisung eines Bürgerbegehrens für den Erhalt der Krankenhäuser an die Öffentlichkeit gegeben zu haben.
Mit 6 zu 4 Stimmen und einer Enthaltung, hatte der Kreisausschuss auf seiner Sitzung am 17. März den Antrag auf ein Bürgerbegehren aus formalen Gründen abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat das Aktionsbündnis Klinikerhalt mittlerweile Klage eingereicht.
Landrat Weber unter Druck ?
Auf der nächsten Kreisausschuss-Sitzung am 25. Juni sollen nun die den Abgeordneten unterstellten Indiskretionen behandelt werden. Als Beweis dafür, sollen dem Antrag des Landrats Veröffentlichungen der Ostfriesischen Nachrichten, der Ostfriesen-Zeitung sowie des Internet-Blogs Ostfriesisches Klinik Journal (okj) beigefügt worden sein. Mehrere Abgeordnete des Auricher Kreistages bestätigten gegenüber dem okj auf Nachfrage die Existenz dieser Beschlussvorlage. Es sei beabsichtigt, auf der öffentlichen Kreistagssitzung am 16. Juni die gewählten Volksvertreter zu rügen.
Aus Kreisen des Aktionsbündnisses hieß es am Sonntag (1.5.), sollten die okj-Informationen zutreffen, sei „absolut inakzeptabel“, wenn hier der Versuch unternommen werden sollte, den gewählten Mandatsträgern einen Maulkorb verpassen zu wollen. Die Menschen im Landkreis Aurich hätten schließlich ein Anrecht darauf zu erfahren, wie Abgeordnete in einer Frage von großem öffentlichen Interesse abstimmen. Warum die Bürger das nicht wissen dürften, erschließe sich Außenstehenden in keiner Weise. Dass sich Landrat Harm-Uwe Weber eines verwaltungsrechtlichen Aktes bedient, um praktizierte Bürgernähe zu rügen, werfe die Frage auf, wer den Landrat dazu animiert haben könnte.
Erstaunlicher General-Verdacht gegen Kreistagsabgeordnete
Wir werden mit Sicherheit unsere Informanten nicht namentlich nennen, erklärte der Herausgeber des OKJ, Jürgen Wieckmann. Informantenschutz und das Zeugnisverweigerungsrecht sollte auch dem Juristen Weber geläufig sein. Gleichwohl sei dem Landrat anzuraten, mit General-Verdächtigungen gegenüber den Abgeordneten und Zuhörern im Kreisausschuss Vorsicht walten zu lassen. Im übrigen habe der Landkreis selbst durch seinen Pressesprecher Rainer Müller-Gummels das Abstimmungsergebnis der Presse mitteilen lassen.
Vielfach gelte allerdings auch, dass ungesicherte Informationen über mehrere Ecken in Redaktionsstuben ankommen. Wegen einer solch ”wackeligen Informationslage”, verbreitete okj am Abend des 17. März eine Falschmeldung, nach der sich der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Hilko Gerdes, der Stimme enthalten habe.
Mehrere Personen aus dem Umfeld des Kreistages riefen daraufhin in der Redaktion an und teilten mit, dass sich nach ihren Informationen Landrat Harm-Uwe Weber der Stimme enthalten habe. Das sich ausgerechnet der engagierteste Verfechter einer Zentralklinik der Stimme enthalten habe, erschien allerdings zunächst als höchst unglaubwürdig. Nach okj-Recherchen im Vorfeld der Abstimmung, hatte die CDU-Fraktion im Kreistag ein Bürgerbegehren befürwortet. Von daher waren Gerüchte, nach denen sich Gerdes enthalten haben soll, zunächst plausibel. Gerdes hatte sich in der Vergangenheit vehement für eine Zentralklinik ausgesprochen.
Politik hinter verschlossenen Türen treibt seltsame Blüten
Wenn jedoch eine Politik hinter verschlossenen Türen bevorzugt werde, aber auch einzelne Abgeordnete ihr Abstimmungsverhalten vor der Öffentlichkeit zu verbergen gedenken, ließen sich derartige Falschmeldungen auf der Basis von „Hören Sagen“ leider nicht immer vermeiden, betonte Wieckmann. Eine Berichtigung habe man erst eineinhalb Stunden nach der Sitzung einpflegen können.
Unabhängig davon, werde die Politik mit ihrer Tendenz zur Geheimhaltung und mangelhafter Transparenz kaum eine Vorgabe der niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) erfüllen können. Rundt hatte mehrfach betont, dass neben den rein wirtschaftlichen Überlegungen zur geplanten Zentralklinik, auch die gesellschaftliche Akzeptanz solcher Großprojekte bei der Bewilligung der angekündigten Fördermittel eine Rolle spielen werde.
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