Aurich (oz/okj) – Nur ein Bürgerentscheid kann die geplante Zentralklinik in Georgsheil zu Fall bringen. Dies erklärte der Geschäftsführer des Vorhabens, Claus Eppmann in einem ganzseitigen Exklusiv-Interview der in Leer erscheinenden Ostfriesen-Zeitung am vergangenen Sonnabend (11.6.). Kritikern des Projekts Zentralklinik warf Eppmann vor, Angst zu schüren und kein Konzept zu haben. Der Zeitung hielt Eppmann vor, unbewiesene Behauptungen aufzustellen, nach der es die Menschen abschrecke, zu einem Krankenhaus auf der Grünen Wiese nach Georgsheil fahren zu müssen und ihre wohnortnahen Krankenhäuser in Norden, Emden und Aurich zu bevorzugen.
Wie Eppmann betonte, würden Patienten in einer landschaftlich ansprechenden Umgebung nachgewiesen schneller gesund als in einem Umfeld aus Stein und Beton. Darüber hinaus werde die Zentralklinik den Mitarbeitern mehr Zeit für Freizeitaktivitäten bieten. „Familie, Freunde und Freizeit haben einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft“, so Eppmann. Diese Voraussetzungen könnten in kleinen Häusern und Fachabteilungen nicht geschaffen werden.
Eppmann: Zentralklinik-Gegner gefährden medizinische Versorgungsqualität
Wer gegen eine Zentralklinik sei, sorge zwangsläufig für eine Beeinträchtigung der Gesundheitsversorgung, so Eppmann weiter. Es drohe mittel- bis langfristig die Schließung von Abteilungen, eine deutliche Reduzierung der medizinischen Versorgungsqualität und der Verlust qualifizierter und sicherer Arbeitsplätze.
Die Sorge der Menschen mit der Zentralklinik im Notfall zu lange Anfahrtswege in Kauf nehmen zu müssen, bezeichnete Eppmann als „vollkommen unbegründet“. Rettungswagen seien heute fahrende Intensivstationen, betonte der BDO-Berater.
Wer einen Rettungswagen mit einer Intensivstation gleich setze, zeige sich eher als Marketing-Stratege, der den Bürgern die Zentralklinik zu verkaufen hat, heißt es aus Kreisen des Aktionsbündnisses. Richtig daran sei nur, dass es gerade in ländlichen Regionen in Notfällen auf den Rettungsdienst ankäme. Im Landkreis sei dieser im Prinzip gut organisiert und durchaus in der Lage, einen Patienten aus Aurich zeitnah in die bestens ausgestattete Stroke Unit des Emder Klinikums zu bringen. Entfernungen spielten dabei nicht mehr die entscheidende Bedeutung.
Zentralklinik soll durchgesetzt werden
Herr Eppmann erinnere in dem OZ-Interview an einstige Schwarzmaler, die das Schreckensbild ausgehender Lichter bemühten, sollte auch nur ein einziges Atomkraftwerk in Deutschland ausgeschaltet werden. Eppmann sei wohl weniger ein Klinikchef, sondern habe die Aufgabe die Zentralklinik durchzusetzen.
Dies augenscheinlich auch gegen die Bevölkerung und das Land Niedersachsen. Dessen Interesse sei schließlich, eine Förderung des Vorhabens möglichst niedrig ausfallen zu lassen. Nach Informationen des Aktionsbündnisses lägen in Niedersachsen eine Vielzahl berechtigter Förderanträge anderer Krankenhäuser von insgesamt 1,2 Milliarden Euro vor.
Mittlerweile fürchte man im Landkreis Leer bereits, das erforderliche Investitionen für den Erhalt wohnortnaher Gesundheitsfürsorge durch die Förderwünsche des Vorhabenträgers Zentralklinik auf die lange Bank geschoben würden. Aus diesem Grunde habe inzwischen auch Leer Klage gegen die Zentralklinik eingereicht.
Gewollte Marktbereinigung kleinerer Krankenhäuser
Tatsache ist, das bundesweit alle Krankenhäuser chronisch unterfinanziert sind. Dies sei das Ergebnis jahrzehntelanger Gesundheitspolitik, die mit der Einführung marktwirtschaftlicher Steuerungselement insbesondere kleinere kommunale Krankenhäuser in ökonomische Schräglage geführt haben. Dies träfe vor allem für das Emder Krankenhaus zu. Zu befürchten sei, dass eines Tages auch das Krankenhaus in Wittmund einer solchen Marktbereinigung anheimfallen könnte.
Die Schließung dieser für die Menschen wichtigen Krankenhäuser, folge allerdings nur der Logik einer verfehlten Gesundheitspolitik.Diese setzte unter anderem auch auf einen permanenten Wettbewerb der Krankenhäuser gegeneinander. Dies führe dann auch zu einer Art Wettrüsten zwischen den Ostfriesischen Krankenhäusern, bei denen die kleineren auf der Strecke bleiben.
Überversorgung bei lukrativen medizinischen Angeboten?
Ruinös wirke hier auch eine Politik, die bei lukrativen Angeboten für eine Überversorgung sorge, während unterfinanzierte Medizinbereiche abgebaut werden. Jüngstes Beispiel sei der neue Linksherz-Katheder-Messplatz in Aurich. Derartige Einrichtungen gäbe es seit vielen Jahren in Westerstede und Leer. Durch diese Überversorgung entstehe nun ein ökonomischer Druck auf die Abteilungen. Diese müssten jetzt viele Fallzahlen generieren, damit sich die enormen Investitionen auch rechnen.
Will man nicht unnötige Untersuchungen betreiben, bliebe den Chefs nichts anderen übrig, als sich gegenseitig „Patientenpotential abzujagen“. Nicht zu verleugnen sei, dass im Landkreis Aurich mit dem immerhin größten Krankenhaus-Verbund auf der ostfriesischen Halbinsel durch jahrelange vor allem auch hausgemachte Probleme in Verbindung mit einer falschen Gesundheitspolitik eine ökonomisch fast aussichtslose Lage entstanden ist. Neben massiven Einsparungen, sollte der Linksherz-Katheder-Messplatz in Aurich zu einer ”optimierten Erlössituation“ beitragen.
Kritische Stimmen auch bei niedergelassenen Ärzten
Mittlerweile mehren sich auch die Stimmen aus Kreisen der niedergelassenen Ärzte, die eine Zentralklinik kritisch sehen. Nach einer aktuellen Umfrage haben sich 40 von 49 befragten Praxen in Ostfriesland gegen die Zentralklinik ausgesprochen, acht dafür. Eine Praxis hat sich enthalten.
Hintergrund dieser Unfrage sind Vorstellungen des Vorhabenträgers Zentralklinik, die ökonomische Lage auch dadurch verbessern zu können, dass die Zentralklinik wegen der Lage außerhalb der Städte Emden, Aurich und Norden mutmaßlich von weniger Patienten in Anspruch genommen werden würden, vor allem solchen, deren Krankheitsbilder dem Krankenhaus kaum Erlöse, sondern eher Defizite bringe.
Laut einer bundesweiten Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft liegen die durchschnittlichen Kosten etwa bei der notfallambulanten Versorgung bei 120 € pro Fall, die durchschnittlichen Einnahmen bei lediglich 36 Euro. Der Verlust des Emder Krankenhauses lag 2014 deshalb bei rund 1.4 Mio. €
Gesundheitsfürsorge nicht nur in lebensbedrohlichen Lebenslagen
Auffällig sei, dass die Werbung für die Zentralklinik vor allem mit besonders gut abrechenbaren Notfällen betrieben wird. Das gelte beispielsweise für Herzinfarkt oder Schlaganfall. Gesundheitsfürsorge, die nach allgemeiner Haltung in Deutschland als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge betrachtet wird, umfasse jedoch mehr als diese gängigen Beispiele.
An dieser Stelle erweise sich die seit zwei Jahren auf die Menschen niederprasselnde Dauerreklame für die Zentralklinik als ein mittleres Ablenkungsmanöver. Konsequent ausgelassen werde die alles entscheidende Frage, wie die wohnortnahe Gesundheitsfürsorge der Menschen in ländlichen Regionen künftig aussehen soll. Dies gelte vor allem auch für eine Gesundheitsfürsorge, die nicht nur lebensbedrohliche Dimensionen habe. Zentralklinik-Befürworter planen, diese Versorgung, für die auch wohnortnahe Krankenhäuser stehen, auf niedergelassene Ärzte abzuwälzen. Dies, obwohl allen bekannt ist, dass es gerade in ländlichen Regionen einen extremen Ärztemangel gibt. Darüber hinaus scheinen die Zentralklinik-Planer nicht begreifen zu können, dass ein wohnortnahes Krankenhaus auch für niedergelassenen Ärzte Teil eines Netzwerks der medizinischen Grund- und Regelversorgung der Bevölkerung ist.
Es steckt genug Geld im Gesundheitssystem
Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts hat jeder Einwohner in Deutschland 2014 4050.- Euro für seine Gesundheit ausgegeben. Niemand könne ernsthaft behaupten, im Gesundheitssystem herrsche Geldmangel. Wenn allerdings Finanzierungskonzepte betrieben werden, die die wohnortnahen Krankenhäuser in ökonomische Schieflage bringen, müssten wohl die Finanzierungsgrundlagen auf den Prüfstand und nicht nicht Krankenhäuser geschlossen werden. Unter unveränderten Finanzierungsbedingungen, werde schließlich auch die geplante Zentralklinik in ökonomische Probleme geraten. Dieses werde sogar von Befürwortern einer Zentralklinik nicht ausgeschlossen.
Sachzwänge sind von Menschen gemacht
Auch sei nicht von der Hand zu weisen, das eine falsche Förderpolitik wirke. Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen sähe derzeit die Lösung nur durch massive Zentralisierung und Schließung der kleineren und scheinbar unlukrativen Krankenhäuser. Krankenhausschließungen würden seit langem in ganz Niedersachsen gefördert.
Gerade in ländlichen Regionen, in denen eine allgemeine Gesundheitsfürsorge in der Fläche erforderlich ist, weise diese Förderpolitik jedoch in eine falsche Richtung. Bei all dem, bestreite niemand wirkenden Sachwänge. Diese als „Gott gegeben“ hinzunehmen könne jedoch nicht die Antwort sein.
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