Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Marketing-Offensive Zentralklinik

JWI G 3515Aurich (oz/okj) – Nur ein Bür­ger­ent­scheid kann die geplan­te Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil zu Fall brin­gen. Dies erklär­te der Geschäfts­füh­rer des Vor­ha­bens, Claus Epp­mann in einem ganz­sei­ti­gen Exklu­siv-Inter­view der in Leer erschei­nen­den Ost­frie­sen-Zei­tung am ver­gan­ge­nen Sonn­abend (11.6.). Kri­ti­kern des Pro­jekts Zen­tral­kli­nik warf Epp­mann vor, Angst zu schü­ren und kein Kon­zept zu haben. Der Zei­tung hielt Epp­mann vor, unbe­wie­se­ne Behaup­tun­gen auf­zu­stel­len, nach der es die Men­schen abschre­cke, zu einem Kran­ken­haus auf der Grü­nen Wie­se nach Georgs­heil fah­ren zu müs­sen und ihre wohn­ort­na­hen Kran­ken­häu­ser in Nor­den, Emden und Aurich zu bevor­zu­gen.

Wie Epp­mann beton­te, wür­den Pati­en­ten in einer land­schaft­lich anspre­chen­den Umge­bung nach­ge­wie­sen schnel­ler gesund als in einem Umfeld aus Stein und Beton. Dar­über hin­aus wer­de die Zen­tral­kli­nik den Mit­ar­bei­tern mehr Zeit für Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten bie­ten. „Fami­lie, Freun­de und Frei­zeit haben einen hohen Stel­len­wert in unse­rer Gesell­schaft“, so Epp­mann. Die­se Vor­aus­set­zun­gen könn­ten in klei­nen Häu­sern und Fach­ab­tei­lun­gen nicht geschaf­fen wer­den.

Eppmann: Zentralklinik-Gegner gefährden medizinische Versorgungsqualität

Wer gegen eine Zen­tral­kli­nik sei, sor­ge zwangs­läu­fig für eine Beein­träch­ti­gung der Gesund­heits­ver­sor­gung, so Epp­mann wei­ter. Es dro­he mit­tel- bis lang­fris­tig die Schlie­ßung von Abtei­lun­gen, eine deut­li­che Redu­zie­rung der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­qua­li­tät und der Ver­lust qua­li­fi­zier­ter und siche­rer Arbeits­plät­ze.

JWI G 4994Die Sor­ge der Men­schen mit der Zen­tral­kli­nik im Not­fall zu lan­ge Anfahrts­we­ge in Kauf neh­men zu müs­sen, bezeich­ne­te Epp­mann als „voll­kom­men unbe­grün­det“. Ret­tungs­wa­gen sei­en heu­te fah­ren­de Inten­siv­sta­tio­nen, beton­te der BDO-Bera­ter.

Wer einen Ret­tungs­wa­gen mit einer Inten­siv­sta­ti­on gleich set­ze, zei­ge sich eher als Mar­ke­ting-Stra­te­ge, der den Bür­gern die Zen­tral­kli­nik zu ver­kau­fen hat, heißt es aus Krei­sen des Akti­ons­bünd­nis­ses. Rich­tig dar­an sei nur, dass es gera­de in länd­li­chen Regio­nen in Not­fäl­len auf den Ret­tungs­dienst ankä­me. Im Land­kreis sei die­ser im Prin­zip gut orga­ni­siert und durch­aus in der Lage, einen Pati­en­ten aus Aurich zeit­nah in die bes­tens aus­ge­stat­te­te Stro­ke Unit des Emder Kli­ni­kums zu brin­gen. Ent­fer­nun­gen spiel­ten dabei nicht mehr die ent­schei­den­de Bedeu­tung.

Zentralklinik soll durchgesetzt werden

Herr Epp­mann erin­ne­re in dem OZ-Inter­view an eins­ti­ge Schwarz­ma­ler, die das Schre­ckens­bild aus­ge­hen­der Lich­ter bemüh­ten, soll­te auch nur ein ein­zi­ges Atom­kraft­werk in Deutsch­land aus­ge­schal­tet wer­den. Epp­mann sei wohl weni­ger ein Kli­nik­chef, son­dern habe die Auf­ga­be die atomkraft-aber-ja-dochZen­tral­kli­nik durch­zu­set­zen.

Dies augen­schein­lich auch gegen die Bevöl­ke­rung und das Land Nie­der­sach­sen. Des­sen Inter­es­se sei schließ­lich, eine För­de­rung des Vor­ha­bens mög­lichst nied­rig aus­fal­len zu las­sen. Nach Infor­ma­tio­nen des Akti­ons­bünd­nis­ses lägen in Nie­der­sach­sen eine Viel­zahl berech­tig­ter För­der­an­trä­ge ande­rer Kran­ken­häu­ser von ins­ge­samt 1,2 Mil­li­ar­den Euro vor.

Mitt­ler­wei­le fürch­te man im Land­kreis Leer bereits, das erfor­der­li­che Inves­ti­tio­nen für den Erhalt wohn­ort­na­her Gesund­heits­für­sor­ge durch die För­der­wün­sche des Vor­ha­ben­trä­gers Zen­tral­kli­nik auf die lan­ge Bank gescho­ben wür­den. Aus die­sem Grun­de habe inzwi­schen auch Leer Kla­ge gegen die Zen­tral­kli­nik ein­ge­reicht.

Gewollte Marktbereinigung kleinerer Krankenhäuser

Tat­sa­che ist, das bun­des­weit alle Kran­ken­häu­ser chro­nisch unter­fi­nan­ziert sind. Dies sei das Ergeb­nis jahr­zehn­te­lan­ger Gesund­heits­po­li­tik, die mit der Ein­füh­rung markt­wirt­schaft­li­cher haiSteue­rungs­ele­ment ins­be­son­de­re klei­ne­re kom­mu­na­le Kran­ken­häu­ser in öko­no­mi­sche Schräg­la­ge geführt haben. Dies trä­fe vor allem für das Emder Kran­ken­haus zu. Zu befürch­ten sei, dass eines Tages auch das Kran­ken­haus in Witt­mund einer sol­chen Markt­be­rei­ni­gung anheim­fal­len könn­te.

Die Schlie­ßung die­ser für die Men­schen wich­ti­gen Kran­ken­häu­ser, fol­ge aller­dings nur der Logik einer ver­fehl­ten Gesundheitspolitik.Diese setz­te unter ande­rem auch auf einen per­ma­nen­ten Wett­be­werb der Kran­ken­häu­ser gegen­ein­an­der. Dies füh­re dann auch zu einer Art Wett­rüs­ten zwi­schen den Ost­frie­si­schen Kran­ken­häu­sern, bei denen die klei­ne­ren auf der Stre­cke blei­ben.

Überversorgung bei lukrativen medizinischen Angeboten?

Rui­nös wir­ke hier auch eine Poli­tik, die bei lukra­ti­ven Ange­bo­ten für eine Über­ver­sor­gung sor­ge, wäh­rend unter­fi­nan­zier­te Medi­zin­be­rei­che abge­baut wer­den. Jüngs­tes Bei­spiel sei der neue Links­herz-Kathe­der-Mess­platz in Aurich. Der­ar­ti­ge Ein­rich­tun­gen gäbe es seit vie­len Jah­ren in MessplatzWes­ter­stede und Leer. Durch die­se Über­ver­sor­gung ent­ste­he nun ein öko­no­mi­scher Druck auf die Abtei­lun­gen. Die­se müss­ten jetzt vie­le Fall­zah­len gene­rie­ren, damit sich die enor­men Inves­ti­tio­nen auch rech­nen.

Will man nicht unnö­ti­ge Unter­su­chun­gen betrei­ben, blie­be den Chefs nichts ande­ren übrig, als sich gegen­sei­tig „Pati­en­ten­po­ten­ti­al abzu­ja­gen“. Nicht zu ver­leug­nen sei, dass im Land­kreis Aurich mit dem immer­hin größ­ten Kran­ken­haus-Ver­bund auf der ost­frie­si­schen Halb­in­sel durch jah­re­lan­ge vor allem auch haus­ge­mach­te Pro­ble­me in Ver­bin­dung mit einer fal­schen Gesund­heits­po­li­tik eine öko­no­misch fast aus­sichts­lo­se Lage ent­stan­den ist.  Neben mas­si­ven Ein­spa­run­gen, soll­te der Links­herz-Kathe­der-Mess­platz in Aurich zu einer ”opti­mier­ten Erlös­si­tua­ti­on“ bei­tra­gen.

Kritische Stimmen auch bei niedergelassenen Ärzten

Mitt­ler­wei­le meh­ren sich auch die Stim­men aus Krei­sen der nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te, die eine Zen­tral­kli­nik kri­tisch sehen. Nach einer aktu­el­len Umfra­ge haben sich 40 von 49 befrag­ten Pra­xen in Ost­fries­land gegen die Zen­tral­kli­nik aus­ge­spro­chen, acht dafür. Eine Pra­xis hat sich ent­hal­ten.
ArztpraxisHin­ter­grund die­ser Unfra­ge sind Vor­stel­lun­gen des Vor­ha­ben­trä­gers Zen­tral­kli­nik, die öko­no­mi­sche Lage auch dadurch ver­bes­sern zu kön­nen, dass die Zen­tral­kli­nik wegen der Lage außer­halb der Städ­te Emden, Aurich und Nor­den mut­maß­lich von weni­ger Pati­en­ten in Anspruch genom­men wer­den wür­den, vor allem sol­chen, deren Krank­heits­bil­der dem Kran­ken­haus kaum Erlö­se, son­dern eher Defi­zi­te brin­ge.

Laut einer  bun­des­wei­ten Stu­die der Deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft lie­gen die durch­schnitt­li­chen Kos­ten etwa bei der not­fall­am­bu­lan­ten Ver­sor­gung bei 120 € pro Fall, die durch­schnitt­li­chen Ein­nah­men bei ledig­lich 36 Euro. Der Ver­lust des Emder Kran­ken­hau­ses lag 2014 des­halb bei rund 1.4 Mio. €

Gesundheitsfürsorge nicht nur in lebensbedrohlichen Lebenslagen

Auf­fäl­lig sei, dass die Wer­bung für die Zen­tral­kli­nik vor allem mit beson­ders gut abre­chen­ba­ren Not­fäl­len betrie­ben wird. Das gel­te bei­spiels­wei­se für Herz­in­farkt oder Schlag­an­fall. Gesund­heits­für­sor­ge, die nach all­ge­mei­ner Hal­tung in Deutsch­land als Teil der kom­mu­na­len Daseins­vor­sor­ge betrach­tet wird, umfas­se jedoch mehr als die­se gän­gi­gen Bei­spie­le.

JWI G 0964An die­ser Stel­le erwei­se sich die seit zwei Jah­ren auf die Men­schen nie­der­pras­seln­de Dau­er­re­kla­me für die Zen­tral­kli­nik als ein mitt­le­res Ablen­kungs­ma­nö­ver. Kon­se­quent aus­ge­las­sen wer­de die alles ent­schei­den­de Fra­ge, wie die wohn­ort­na­he Gesund­heits­für­sor­ge der Men­schen in länd­li­chen Regio­nen künf­tig aus­se­hen soll. Dies gel­te vor allem auch für eine Gesund­heits­für­sor­ge, die nicht nur lebens­be­droh­li­che Dimen­sio­nen habe. Zen­tral­kli­nik-Befür­wor­ter pla­nen, die­se Ver­sor­gung, für die auch wohn­ort­na­he Kran­ken­häu­ser ste­hen, auf nie­der­ge­las­se­ne Ärz­te abzu­wäl­zen. Dies, obwohl allen bekannt ist, dass es gera­de in länd­li­chen Regio­nen einen extre­men Ärz­te­man­gel gibt. Dar­über hin­aus schei­nen die Zen­tral­kli­nik-Pla­ner nicht begrei­fen zu kön­nen, dass ein wohn­ort­na­hes Kran­ken­haus auch für nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te Teil eines Netz­werks der medi­zi­ni­schen Grund- und Regel­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung ist.

Es steckt genug Geld im Gesundheitssystem

Nach Berech­nun­gen des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts hat jeder Ein­woh­ner in Deutsch­land 2014 4050.- Euro für sei­ne Gesund­heit aus­ge­ge­ben. Nie­mand kön­ne ernst­haft behaup­ten, im Gesund­heits­sys­tem euroschein100herr­sche Geld­man­gel. Wenn aller­dings Finan­zie­rungs­kon­zep­te betrie­ben wer­den, die die wohn­ort­na­hen Kran­ken­häu­ser in öko­no­mi­sche Schief­la­ge brin­gen, müss­ten wohl die Finan­zie­rungs­grund­la­gen auf den Prüf­stand und nicht nicht Kran­ken­häu­ser geschlos­sen wer­den. Unter unver­än­der­ten Finan­zie­rungs­be­din­gun­gen, wer­de schließ­lich auch die geplan­te Zen­tral­kli­nik in öko­no­mi­sche Pro­ble­me gera­ten. Die­ses wer­de sogar von Befür­wor­tern einer Zen­tral­kli­nik nicht aus­ge­schlos­sen.

Sachzwänge sind von Menschen gemacht

Schraubzwinge-201020475669Auch sei nicht von der Hand zu wei­sen,  das eine fal­sche För­der­po­li­tik wir­ke. Die rot-grü­ne Lan­des­re­gie­rung in Nie­der­sach­sen sähe der­zeit die Lösung nur durch mas­si­ve Zen­tra­li­sie­rung und Schlie­ßung der klei­ne­ren und schein­bar unlu­kra­ti­ven Kran­ken­häu­ser. Kran­ken­haus­schlie­ßun­gen wür­den seit lan­gem in ganz Nie­der­sach­sen geför­dert.

Gera­de in länd­li­chen Regio­nen, in denen eine all­ge­mei­ne Gesund­heits­für­sor­ge in der Flä­che erfor­der­lich ist, wei­se die­se För­der­po­li­tik jedoch in eine fal­sche Rich­tung. Bei all dem, bestrei­te nie­mand wir­ken­den Sachwän­ge. Die­se als „Gott gege­ben“ hin­zu­neh­men kön­ne jedoch nicht die Ant­wort sein.


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