Aurich (okj) – Planer der Zentralklinik haben offensichtlich keinen Plan, wie die wohnortnahe Grund- und Regelversorgung der Menschen in den Mittelzentren Aurich, Emden, Norden und deren Umfeld künftig organisiert werden kann. Dieser Eindruck drängte sich auf einer Veranstaltung des Landesverbands des Deutschen Hausärzteverbands Niedersachsen am gestrigen Montag (13.6.) im Europahaus in Aurich auf. Zuvor hatte der Auricher Bezirksverband vor allem bei hiesigen Hausärzten angefragt, wie sie zur geplanten Zentralklinik stehen. 49 Praxen beteiligten sich an dieser Umfrage. 40 sprachen sich gegen das Projekt aus, acht dafür. Eine enthielt sich.
Keine Alternative zur Zentralklinik ?
Der Geschäftsführer des Vorhabenträgers Zentralklinik, Claus Eppmann, kritisierte zunächst die Vorsitzende des Auricher Bezirksverbands Dr. Babara Janssen, dass die Fragestellung der Umfrage nicht vorab mit ihm besprochen worden sei und deshalb nicht objektiv wäre. Des Weiteren wurde moniert, dass die Umfrage nicht repräsentativ sei. Nachdem Vorgehensweise und Beurteilungskompetenz der zu dieser Veranstaltung einladenden Ärztinnen in Frage gestellt war, beschrieb Eppmann ausführlich die Alternativlosigkeit einer Zentralklinik in Georgsheil.
Fragen der anwesenden Ärzte und Bürger, warum das Klinikum Leer mit den angegliederten Standorten in Weener und Borkum wirtschaftlich erfolgreich sei, während die beiden Häuser des Landkreises Aurich jährlich mit 10 Mio. Defizit abschließen, wurden von Eppmann in bekannter Weise nicht beantwortet. Über geschäftliche Belange eines Mitbewerbers wolle und dürfe man sich nicht äußern. Hausärzte, die in der Umfrage eine Zentralklinik befürwortet hatten, taten dies vor allem auch wegen der bekannten desaströsen ökonomischen Situation der UEK-Krankenhäuser im Landkreis Aurich.
Der ärztliche Direktor der UEK-Kliniken, Dr. Egbert Held, bedauerte es, das die Ärzte sich nicht auf das medizinische Konzept der Zentralklinik bezogen hätten, räumte jedoch ein, dass es durch die Verfahrensabläufe bei der Abstimmung mit dem Sozialministerium bis auf Weiteres nicht möglich sein werde, ein „Modell zum anfassen“ zu präsentieren.
Strukturproblem zwischen stationärer und ambulanter Versorgung
Erneut offenbarte sich in der Diskussion das generelle Problem der in Deutschland traditionell festgefügten Trennung zwischen stationärer und ambulanter Gesundheitsvorsorge, so die Einschätzung einiger Mitgliedern des Aktionsbündnisses Klinikerhalt. Mit der Schließung wohnortnaher Krankenhäuser werde letztlich ein anachronistisches Prinzip nur konsequent fortgeführt. In ländlichen Regionen führe jedoch kein Weg mehr daran vorbei, dass kommunale Krankenhäuser integraler Bestandteil auch des sogenannten ambulanten Sektors vor Ort werden müssen. Die Vorstellung der Zentralkliniker, die ambulant behandelbaren Patienten den niedergelassenen Ärzten „aufs Auge zu drücken“, sei unter gegebenen Bedingungen weder für Patienten noch für die Ärzte praktikabel. Die sogenannten Medizinischen Versorgungszentren böten absehbar keine Alternative zur beabsichtigten Schließung der drei Krankenhäuser.
Fatal sei zudem, dass das Konzept „Zentralklinik“, welches in Ballungsräumen durchaus sinnvoll erscheinen kann, nun versucht werde auf eine ländliche Regionen mit geringerer Einwohnerzahl zu übertragen. Gefährlich sei dies vor allem deshalb, weil unter unveränderten Finanzierungsbedingungen kommunaler Krankenhäuser auch die neue Zentralklinik früher oder später wirtschaftliche Probleme bekommen werde. Dies läge in der inneren Logik des Fallpauschalen-Systems. Danach erfolge auf jede erfolgreiche Rationalisierungsmaßnahme und betriebsinterne Kostensenkung im nächsten Schritt stets eine Preissenkung für medizinische Leistungen. Anbetracht einer nun mal gegebenen Einwohnerzahl von rund 240.000 Einwohnern, werde auch die neue Zentralklinik auf der Grundlage einer Finanzierung durch Fallpauschalen auf mittlere Sicht nicht die erforderlichen Erlöse erwirtschaften können.
Immer wieder Fallpauschalen
Dieses zur Zeiten des Bundeskanzler Gerhard Schöder (SPD) 2004 eingeführte Fallpauschalen-System habe mittlerweile bundesweit über die Hälfte aller kommunalen Krankenhäuser in Deutschland in den Ruin getrieben. Laut einer bundesweiten Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Jahr 2014 lagen wegen dieser Fallpauschale die Einnahmen eines kommunalen Krankenhauses für ambulant zu behandelnde Patienten im Durchschnitt bei etwa 36.- Euro. Da ein Krankenhaus jedoch rund um die Uhr für alle Eventualitäten gerüstet sein muss, entstünden betriebswirtschaftlich gerechnet pro Patient Vorhaltekosten von etwa 120.- €.
Das Emder Krankenhaus habe deshalb im Jahr 2014 bei etwa 12.300 ambulant zu versorgten Patienten einen Verlust von rund 1.04 Mio. € eingefahren. Im Gegensatz zu den Krankenhäusern im Landkreis Aurich, deren ökonomische Probleme auf eine Vielzahl eklatanter Management-Fehler zurückzuführen sind, sei das kleine Emder Krankenhaus vor allem Opfer einer generell verfehlten Gesundheitspolitik. Unverständlich sei, warum diese Politik weiter betrieben und gar verschärft wird, obwohl jeder genau weiß, dass sie eine Fehlentwicklung ist.
Der Patient als Defizitbringer
Das Dilemma aller wohnortnahen Krankenhäuser in ländlichen Regionen, die Teil der kommunalen Daseinsvorsorge sind, bestehe vor allem darin, dass sie nicht die Möglichkeit haben, Defizit verursachende Ambulant-Patienten abzuweisen. Dies unter anderem auch, weil daraus rechtliche Konsequenzen wegen „unterlassener Hilfeleistung“ entstehen könnten. Da sogenannte „Landarzt-Praxen“ für die ambulante Gesundheitsversorgung keine Nachfolger finden und geschlossen werden, gehen die Menschen gezwungener Maßen mit Beschwerden aller Art vor allem in ihr wohnortnahes kommunales Krankenhaus. Nach bisheriger Lesart haben diese Patienten in einem Krankenhaus allerdings nichts zu suchen.
Die Lösung dieses letztlich „strukturellen Dilemmas“, bestehe nun offensichtlich darin, den Menschen ihre wohnortnahen Krankenhäuser quasi „weg zu nehmen“, auf die „Grüne Wiese“ zu verlagern, um dort – zentralisiert – die für das wirtschaftliche Überleben eines Krankenhauses erforderlichen hohen stationären Fallzahlen zu generieren. Wegen der erschwerten Erreichbarkeit einer solchen Zentralklinik, werde gleichzeitig dafür gesorgt, dass die für das Krankenhaus „ruinösen Patienten“ die Klinik erst gar nicht aufsuchen.
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