von Jürgen Wieckmann
Stadthagen (okj) – Im Klinikum Schaumburg gibt es keine Notfallambulanz mehr. Notfälle via Rettungswagen müssen entweder nach Bückeburg oder Stadthagen gebracht werden. Internistische Notfälle werden nur noch aufgenommen, wenn sie vom niedergelassenen Hausarzt überwiesen wurden. Neurologische Notfälle können nur nach persönlicher Rücksprache in der Zeit zwischen 08:00 bis 18:00 Uhr aufgenommen werden Dies teilte der Sprecher der Geschäftsführung des Unternehmens „Krankenhausprojekt-Gesellschaft Schaumburg mbH“ Dr. med. Achim Rogge den Bürgern in einem Informations-Flyer mit.
Das Krankenhaus-Projekt in Schaumburg, welches unter Federführung des Sprechers der geplanten Zentralklinik in Georgsheil, Claus Eppmann, mit entwickelt wurde, wird unter anderem von Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) als Referenz-Projekt für die geplante Zentralklinik angesehen. Entsprechend werden auch in Ostfriesland die von den drei Krankenhäusern geführten Notfall-Ambulanzen entfallen.
”Medizinischer Kleinkram” – finanzieller Ruin für kleine Krankenhäuser
Diese werden von Bürgern jedoch seit Jahren als „Ersatz“ für Arztpraxen genutzt. 80 Prozent der Patienten kommen mit sogenannten Bagatellfällen ins Krankenhaus und sind eigentlich keine Notfälle. Allerdings bleibt den Bürgern nichts anderes übrig, da es auf dem Lande kaum noch Arztpraxen gibt. Bestehende Praxen nehmen zum Teil keine neue Patienten mehr auf oder werden aus Altersgründen in absehbarer Zeit geschlossen, da sie keine Nachfolger finden.
Diese „Bagatell-Fall-Patienten“ tragen allerdings auch zu den Defiziten der Krankenhäuser bei. Laut einer bundesweiten Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft, liegen die durchschnittlichen Einnahmen eines Krankenhauses für sogenannte „ambulante Notfälle“ pro Fall bei etwa 36.- Euro. Demgegenüber liegen die Betriebskosten eines Krankenhauses bei durchschnittlich 120.- Euro pro Fall.
Diese Rechnung ergibt sich aus den Erfordernissen eines Krankenhauses, nicht nur die Personalkosten für die „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“, (24/7), sondern auch die hierfür erforderlichen Einrichtungen, Ausstattungen, anfallende Verbrauchsmaterialien und Raumunterhaltungskosten zu finanzieren. Nach Angaben der Geschäftsführung des Emder Klinikums sind durch diese „ungünstige Kosten-/Erlösrelation“ der ambulanten Versorgung dem Emder Krankenhaus im Jahr 2014 durch die Betreuung von rund 12.300 Ambulant-Patienten ein Verlust in Höhe von 1,48 Millionen Euro entstanden.
Wird ambulante Versorgung privatisiert ?
Unter unveränderten Finanzierungsbedingungen werde diese Unterfinanzierung grundsätzlich auch das neue Zentralkrankenhaus betreffen, heißt es. Die Hoffnung der Zentralklinik-Planer ist nun, dass das Krankenhaus auf der Grünen Wiese wegen der Lage außerhalb der Städte Emden, Aurich und Norden mutmaßlich von weniger Patienten in Anspruch genommen wird. Angedacht sind deshalb sogenannte Notfallversorgungspraxen, die an den bisherigen Krankenhaus-Standorten von privaten Anbietern betrieben werden.
Klare Bedingung dabei ist jedoch, dass die geplante Zentralklinik in Georgsheil weder die Kosten noch das Risiko für diese auch gesetzlich dem niedergelassenen ärztlichen Bereich zugeordneten Leistungen zu tragen hat. Auch im kürzlich bekannt gewordenen „Konsortial-Vertrag“ zwischen der gesellschaftsrechtlichen GmbH „Trägergesellschaft Zentralklinik“ und den beiden Gebietskörperschaften Stadt Emden und Landkreis Aurich ist festgeschrieben, dass die Zentralklinik GmbH keine „Krankenhaus-Außenstellen“ in Norden, Aurich und Emden betreiben wird.
Das ist folgerichtig, da es nicht vorgesehen werden kann, am Ende des Tages vier Krankenhäuser zu betreiben, drei in den drei Mittelzentren und eines auf der Grünen Wiese.
Vom Versorgungssystem zum Gesundheitsmarkt: Beruhigungspille ”MVZ”
Auf einer Podiums-Diskussion zwischen Kritikern und Befürwortern des Vorhabens Zentralklinik am vergangenen Dienstag (23.08.) in Hinte, versicherte Zentralklinik-Unternehmensprecher Claus Eppmann den rund 60 Anwesenden allerdings, das man ein Konzept für eben diese auch ambulante Versorgung der Menschen habe. Darüber werde und könne man öffentlich jedoch erst dann sprechen, wenn es auch ”belastungsfähig gesichert” ist.
Das Eppmann ein solches Konzept im Kopf habe, wolle man ihm persönlich nicht absprechen, heißt es in Kreisen des Aktionsbündnisses. Gleichwohl handele es sich wohl eher um eine „schöne Theorie“. Tatsache ist, dass der Krankenhaus-Mann keine wirkliche Handhabe hat, sich im sogenannten „ambulanten Sektor“ einzumischen. Nach wie vor gelte in Deutschland das 1955 verabschiedete Kassenarztrecht, nachdem die ambulante Versorgung im Wesentlichen durch niedergelassene Vertragsärzte zu erfolgen hat.
Gestrenger Wächter darüber ist die Kassenärztliche Vereinigung, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts einen sogenannten „Sicherstellungsauftrag“ und damit quasi ein Versorgungsmonopol für gesetzlich Versicherte im ambulanten Sektor hat. Dabei verfüge die Kasssenärztliche Vereinigung über ein eigenes Budget, welches ebenfalls knapp bemessen ist.
Unverantwortbare Bedingungen für Ärzte und Pflegepersonal in Krankenhäuser und Arztpraxen
Vor diesem Hintergrund würden seit Jahren von „Ärztefunktionären“ Entwicklungen bekämpft, in denen Krankenhäuser als „stationärer Sektor“ Leistungen im ambulanten Bereich anbieten und somit Gelder aus dem Budget der Kassenärzte „abgreifen“. Das dies in den letzten Jahren aufgeweicht worden ist, liege letztlich „nur“ daran, dass die Bürger unabhängig von den Vorstellungen einiger „Ärztefunktionäre“ die Krankenhäuser aufsuchen – zumal sie in ländlichen Regionen auch keine andere Möglichkeit haben.
Hier arbeiten niedergelassene Ärzte schon lange am Limit. Einige sogar kostenlos, da sie das ihnen zugewiesene Budget ausgereizt haben – ihre Patienten aus ärztlicher Verantwortung heraus allerdings nicht „hängen lassen“ können. Wer solche Bedingungen in der medizinischen Versorgung konstruiere, müsse sich nicht wundern, das junge Mediziner kein Interesse haben, eine Praxis im ländlichen Raum zu eröffnen oder einen Bogen um kleine Landkrankenhäuser machen. Wer hätte das gedacht: Ärzte und medizinisches Personal finden Burnout und schlechte Arbeitsbedingungen nicht motivierend.
Bekommen den schwarzen Peter nun niedergelassene Ärzte zugeschoben ?
Eppmann, dem der Ruf vorauseilt, im „Plattmachen von Widerständen“ ein Profi zu sein, dürfte spätestens bei den Ärztefunktionären der KV an seine Grenzen geraten. Seit über 30 Jahren beißen sich weitsichtige Gesundheitspolitiker aller Parteien an dieser Organisation die Zähne aus. Zentralklinik-Macher Eppmann werde folgerichtig früher oder später pragmatisch seine „Nichtzuständigkeit“ für den ambulanten Sektor erklären. Das sei Gesetz und damit sachlich richtig, werde jedoch dazu führen, dass der „Schwarze Peter“ in Sachen „ambulante Versorgung vor Ort“ den hiesigen niedergelassenen Ärzten zugeschoben wird. Das dürfte diese nicht sehr erfreuen.
Erschwerend komme hinzu, dass der medizinische Fortschritt weiter dafür sorgen werde, dass immer mehr medizinische Leistungen vom stationären in den ambulanten Bereich übergehen werden und diesen vor neue Herausforderungen stellen wird. Hierzu gehöre nicht nur die mittlerweile auch ambulant entfernbare Gallenblase. Auch wenn derartiges ambulant gehe, seien solche Eingriffe nicht mit einem Frisörtermin vergleichbar und benötigen natürlich auch wohnortnahe Nachsorge im ambulanten Bereich.
Mit den auch politisch gesetzten Rahmenbedingungen des vorletzten Jahrhunderts, die eine letztlich aus finanziellen Gründen strikte Trennung zwischen ambulant und stationär hochhält, könne der reale Bedarf medizinischer Versorgung – insbesondere auf dem Lande – nicht organisiert werden. Im Grunde müsse man die für die Menschen wichtigen bürger- und wohnortnahen kleinen Landkrankenhäuser ”neu erfinden” und vor allem auch finanzieren können. Das stelle das eigentlich Problem dar, obwohl durch die Bürger genügend Geld im System stecke, um derartiges zu können.
Das ungelöste Problem mit den Bagatellfällen
In anderen Regionen, in denen Zentralklinik-Konzepte bereits realisiert wurde, zeige sich schon heute, dass die Rechnung der Zentralklinik-Planer nicht aufgehen werde. Auch wenn die Zentralklinik auf der Grünen Wiese weit genug von den Mittelzentren entfernt ist, werden die Bürger die Notfall-Ambulanz mit sogenannten Bagatellfällen in Georgsheil aufsuchen, dann jedoch aus Emden, Aurich und Norden gleichermaßen.
Dies ist so gut wie garantiert, sofern es nicht gelingt, die „Vor-Ort-Versorgung“ besser zu organisieren, als es sich heute bereits schon an der Grenze der Zumutbarkeit für Patienten und medizinischem Personal in Krankenhäusern gleichermaßen darstellt. Dies gelte bundesweit und sei nicht nur ein Mangement-Problem von Klinikchefs. Wegen der allgemeingültigen Rahmenbedingungen, sei bislang noch niemandem wirklich gelungen ein solches Konzept vom Papier und wohlmeinenden Absichtserklärungen in erlebbare Praxis zu überführen.
Anspruch – Notwendigkeiten und die profane Wirklichkeit
Die letztlich durch den realen Bedarf der Menschen zur Theorie verkommene Trennung zwischen „ambulant“ und „stationär“ werde sich durch die andernorts sichtbaren Realitäten von selbst erledigen. Dabei sollten die Zentralklinik-Planer die „Kreativität“ der Bürger nicht unterschätzen. Bereits heute lassen sich die Menschen „notfalls“ auch mit dem RTW in die noch bestehenden Krankenhaus-Ambulanzen einliefern.
Absehbar sei deshalb, dass der Rettungsdienst des Landkreises Aurich mit der Zentralklinik auf der Grünen Wiese noch mehr in Anspruch genommen wird und als „fahrender OP-Raum“ letztlich mit „teuren Taxifahrten“ gebunden wird.
Nach Berichten des NDR gehen diese Entwicklung allerdings noch teurer. Da es immer weniger Landärzte gibt, müssten zunehmend die Notärzte der Krankenhäuser in den Einsatz, wobei der Notarzt am Ende unter Umständen auch mit dem Hubschrauber „zum Fieber messen“ eingeflogen wird. Das ergebe sich schlicht daraus, das nach wie vor nur ein Arzt darüber entscheiden kann und darf, was dem Patienten letztlich fehle.
Video-Doku: Statements Zentralklinik Pro & Contra
Sicherheitshalber werde in der Regel neben dem Hubschrauber mit Notarzt an Bord auch gleich ein RTW mit angefordert, der neben dem „Luftrettungs-Mittel“ wartet, falls der Patient nach ärztlicher Diagnose nicht nur ein ambulanter Bagatellfall ist. In der Regel kennt der Notarzt den Patienten nicht persönlich. Deshalb kann der Notarzt nur vor Ort entscheiden, ob der Patient ein Bagatellfall ist oder mit einer Alarmfahrt stationär ins Krankenhaus muss – oder – ob es sich um einen Extrem-Notfall handelt, der einen noch teureren Hubschrauber-Einsatz unverzichtbar macht – und zwar so unverzichtbar, dass der Kostenträger Krankenkasse die Rechnung auch wirklich bezahlt.
Systematische Informationspannen
Die Befürworter einer Zentralklinik sollten wenigsten nach der Wahl und über zwei Jahre „Zentralklinik-Reklame“ langsam auch begreifen, warum sich die Mehrzahl der Menschen gegen eine Zentralklinik aussprechen. Letztlich werde in der Öffentlichkeit das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt, womit sich zwangsläufig eine ”Informationspanne” nach der nächsten ergibt.
Den Menschen „von oben herab“ die Krankenhäuser wegnehmen zu wollen – ihre Beteiligung im Entscheidungsverfahren permanent abzuwehren – und bei konkreten Nachfragen zu den Alternativen „vor Ort“ aktuell auf „Eppmann’s theoretische Konzepte“ zu setzen, verkenne die Realitäten der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen.
Schließlich sei auch Claus Eppmann kein Zauberkünstler, der aus einem Zylinder Arztpraxen hervorzaubert, wie andere Könner es im Zirkus mit Kaninchen vorgaukeln können.
Eppmann klonen ?
Selbst wenn er auch noch das beherrschen würde, sei es am Ende des Tages schlichtweg nicht seine Aufgabe, heißt es in Kreisen des Aktionsbündnisses Klinikerhalt. Eppmanns Rolle sei klar: er habe eine Zentralklinik auf den Weg zu bringen. Eine ihm vielleicht gegebene „Verhandlungsgeduld“ mit dem sogenannten „ambulanten Sektor“ sei jedoch allein durch die geltende Gesetzgebung eine definiert endliche.
Hier in Ostfriesland bräuchten wir mehrere „Eppmänner“ die auch die Belange der niedergelassenen Ärzte nicht nur im Blick, sondern operativ realisieren könnten, erklärte Margitta Schweers vom Aktionsbündnis Klinikerhalt während der Informationsveranstaltung in Hinte. Zuruf aus dem Publikum mit überwiegend Befürwortern einer Zentralklinik: „Dann müssen wir den Eppmann klonen“.
Comments are closed.