Osnabrück/Aurich (okj) – Das Bürgerbegehren der Initiative „Pro Zentralklinik“ ist nach Einschätzung des Fachanwalts für Kommunalrecht, Prof. Dr. Thorsten Koch unzulässig. Sowohl der Rat der Stadt Emden wie auch der Auricher Kreistag habe bereits zugunsten der Zentralklinik votiert. Somit komme einem befürwortenden Antrag kein Rechtsschutzbedürfniss zu, so Koch. Bekanntlich habe ein erfolgreicher Bürgerentscheid die Wirkung eines Beschlusses des Rates bzw. Kreistages. Einer entsprechenden Beschlussfassung durch Bürgerentscheid sei damit die Grundlage entzogen, ein darauf gerichtetes Bürgerbegehren rechtsmissbräuchlich. Im übrigen dürften Bürgerentscheide existierenden Beschlüssen rechtlich nichts hinzugefügen.
Die den Kreistagsbeschluss unterstützende Initiative „Pro Zentralklinik“ aus Südbrookmerland will mit ihrem Antrag eine andere Fragestellung zur Zentraklinik durchsetzen. Die Bürger sollen gefragt werden, ob „zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in der Region das Zentralklinikum Georgsheil Südbrookmerland geplant und gebaut wird, mit Beibehaltung der Notfallversorgung an den Standorden Aurich, Norden und Emden.
Die Rechtsprechung stelle hohe Anforderungen an die Begründung eines Bürgerbegehrens, erklärte Koch. Sie habe inhaltlich zutreffend zu sein, damit die Bürger keine Entscheidungen auf falscher oder unsichereren Tatsachengrundlagen treffen. Spekulative bzw. ungesicherte Annahmen müssten offengelegt werden. Die Begründung des auf die Unterstützung der Zentralklinik gerichteten Bürgerbegehrens enthalte jedoch zahlreiche solcher Tatsachenbehauptungen.
Sie gipfelten in der Feststellung, es käme in absehbarer Zeit zu einer Existenzgefährdung der bestehenden Krankenhäuser. Diese Annahme sei jedoch umstritten, da andere politische Akteure auch politische und ökonomische Fehlentscheidungen für gegebene Defizite verantwortlich machen. Die Behauptung, die aktuelle Situation der Kliniken beruhe auf unveränderlichen und nicht zu beeinflussenden Rahmenbedingungen, sei daher nicht zweifelsfrei zutreffend. Unrichtig sei zudem die Begründung mit Blick auf „Gewährleistung einer Notfallversorgung rund um die Uhr“. Hierbei handele es sich um eine Aussage zur künftigen Organisation der Notfallversorgung, erklärte Koch. Darüber habe der Landkreis Aurich allerdings nicht alleine zu entscheiden. Das eine solche Notfallversorgung „gewährleistet“ werde, habe angesichts der Annahmen zur erforderlichen Infrastruktur einer solchen Notfallversorgung spekulativen Charakter, ohne das dies offengelegt werde.
Klarer Bürgerentscheid für oder gegen Zentralklinik
Unterdessen betonte das Aktionsbündnis Klinikerhalt, dass die zur Entscheidung anstehende Frage auf den rund 22.000 Unterschriften basiert, die im vergangenen Jahr an das Hannoveraner Sozialministerium übergeben wurde. Die Bürger hatten sich dafür ausgesprochen, das die bestehen Krankenhäuser erhalten und saniert werden sollen. In einer Machbarkeitsstudie der Beratergesellschaft BDO aus dem Jahr 2014, bestehe bei allen drei Krankenhäuser ein Investitionsstau vorn rund 100 Mio. €.
Entsprechend ihres Auftrags, bestätigten die Gutachter, dass eine Zentralklinik machbar sei. Bedingung dafür sei jedoch, dass die bestehenden Häuser geschlossen werden. Nach Einschätzung des Aktionsbündnisses ergebe sich schon allein daraus, dass die Bürger der Schließung ihrer Krankenhäuser zustimmen müssen, da dies laut BDO unabdingbare Voraussetzung für das Vorhaben Zentralklinik ist.
Wer das geplante Zentralklinikum befürwortet, kann dies daher unschwer zum Ausdruck bringen, indem er das Bürgerbegehren nicht unterstützt oder bei einem etwaigen Bürgerentscheid gegen das damit verfolgte Ziel stimmt, welches die bestehenden Krankenhäuser erhalten will. Der Initiative Pro Zentralklinik sei es unbenommen, gemeinsam mit der Politik und Zentralklinik-Chef Claus Eppmann bei den Bürgern für das Projekt zu werben. Dafür habe man dem Vernehmen nach bereits eine Werbeagentur beauftragt. Das habe allerdings in einem formal strengen Verfahren für Bürgerbeteiligung und Bürgerentscheid nichts zu tun. Vielmehr dränge sich der Eindruck auf, dass hier der Versuch unternommen werde, mit mit einem rechtsmissbräuchlichen Antrag auf Bürgerentscheid Pro Zentralklinik erhebliche Verwirrung zu verursachen.
Weber: Für Bürger in Aurich, Emden und Norden keine Notfallversorgung beschlossen
Auch vor dem Hintergrund der kommunalrechtlichen Darlegungen von Prof. Dr. Thorsten Koch teile man die Einschätzung des SPD-Bundestagsabgeordneten Johann Saathoff, dass das von Landrat Harm-Uwe Weber favorisierte Windhund-Verfahren nicht zielführend sei. Weber hatte erklärt, beide Bürgerbegehren zuzulassen und jenem Begehren den Vorzug zu geben, welches zuerst die erforderliche Anzahl von Unterschriften beibringen kann. Im Interesse von Kritikern und Befürwortern des Vorhabens und der Planungssicherheit, brauche es jetzt unverzüglich einen Bürgerentscheid, der für alle wahlberechtigten mit einem einfachen Ja oder Nein entschieden werden kann.
Der Auricher Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) wies auf Anfrage der in Leer erscheinenden Ostfriesen-Zeitung Behauptungen Kochs zurück. Er bleibe bei seiner Einschätzung, dass das Pro-Bürgerbegehren zulässig sei – und zwar aufgrund der eingeforderten Notfallversorgung an den heutigen Klinik-Standorten, die noch nicht beschlossen sei.
Comments are closed.