okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Aurich/Emden (okj) – Der Auricher Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) hält den Streit über den Termin zur Vorlage eines neuen Konzepts für die Krankenhäuser in Aurich, Norden und Emden für überzogen. „Man sollte da den Ball flach halten“, sagte Weber auf Anfrage der in Aurich erscheinenden Tageszeitung „Ostfriesische Nachrichten“.
Laut eines Kreistagsbeschlusses soll die Geschäftsführung der Auricher Kliniken und des Emder Krankenhauses bis Ende des Jahres einen Alternativplan zur geplanten Zentralklinik vorlegen. Dieses Vorhaben hatten vor allem Emder Bürger mit großer Mehrheit im Rahmen eines Bürgerentscheids zu Fall gebracht.
Der Geschäftsführer der Zentralklinik GmbH, Claus Eppmann, hatte Tags zuvor erklärt, das der vom Kreistag vorgegebene Termin nicht einzuhalten sei. Abgeordnete des Auricher Kreistages werfen dem Klinikchef nun vor, politische Beschlüsse zu missachten. Selten hat es im Auricher Kreistag soviel Einigkeit über Fraktionsgrenzen hinweg gegeben, schreibt die in Leer erscheinende „Ostfriesen-Zeitung“.
Politisches Kasperletheater
Politische Beobachter halten derartige Aufreger jedoch für schlichte Wahlkampfmanöver. Claus Eppmann kann den parteipolitischen Zwergenaufstand souverän an sich abprallen lassen. Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann (SPD) hält schützend seine Hand über ihn und hatte dafür gesorgt, dass der Rat der Stadt Emden einen anderen Termin setzte, den 31. März 2018.
Doch diese Diskussion über Abgabetermine ist eher dazu geeignet, den eigentlichen Skandal zu verschleiern. Selbstverständlich wird man der Geschäftsführung zubilligen müssen, nicht binnen drei Monate ein belastungsfähiges Konzept vorlegen zu können. Das aber ist nicht das Thema.
Entscheidend ist, dass sich sowohl Kreistag, wie auch der Rat der Stadt Emden weigerten, den sogenannten Konsortionalvertrag aufzulösen. In diesem hatten sich beide Gebietskörperschaften, deren Krankenhäuser sowie Zentralklinik-Geschäftsführer Eppmann dazu verpflichtet, die bestehenden Krankenhäuser abzuwickeln und eine Zentralklinik in Georgsheil zu errichten.
Dies hat nun weiterhin rechtliche Geltung.
Dabei ist im Vertrag selbst vorgegeben ihn aufzulösen, wenn ein Bürgerentscheid gegen das Vorhaben ausgeht. Dies wurde unterlassen. Gültigkeit hat übrigens auch noch der einst von den Betriebsräten unterschriebene „letter of intend“. Mit Blick auf die Zentralklinik hatten die Betriebsräte in einer Art „vorauseilendem Gehorsam“ dem geplanten Personalabbau zugestimmt.
Die Politik muss die Bürger schon für äußerst dumm halten.
Plan B ist gleich Plan A
Selbstverständlich wäre es auch möglich gewesen in einer Art „letter of intend“ zu vereinbaren, dass man nun anstelle einer Zentralklinik einen Krankenhaus-Verbund AUR-EMD-NOR schaffen möchte. Und selbstverständlich hätte man darin der Geschäftsführung jene Zeit einräumen können, die sie möglicherweise auch wirklich benötigt, um ein solches Konzept belastungsfähig zu erarbeiten.
Das derart naheliegendes unterlassen wurde, legt den Verdacht nahe, dass man sich um den Entscheid der Bürger herumzumogeln gedenkt und auf Zeit spielt.
De jure ändert sich für den Geschäftsführer der Zentralklinik GmbH rein gar nichts. Selbst wenn die Bürger mehrheitlich für die Zentralklinik votiert hätten, würden zunächst die bestehenden Häuser in einen Zustand versetzt werden, der es überhaupt erlauben könnte sie zu einer Zentralklinik verschmelzen zu können.
Drei defizitäre Krankenhäuser aufeinander zu packen und „Zentralklinik“ drauf zu schreiben, kann bekanntlich nicht funktionieren. Aus diesem Grunde werden Dr. Astrid Gesang und Claus Eppmann jetzt genau das tun, was ohnehin auf ihrer Agenda steht.
Das böse ”Z‑Wort” vermeiden
Lediglich das Wort „Zentralklinik“ dürfte für die nächsten zwei Jahre auf dem Index stehen. Danach läuft der Bürgerentscheid aus – und – oh Wunder – alle drei Häuser wären dann soweit, um die nächste Phase einzuleiten – die Zusammenführung zur Zentralklinik.
Das ist keineswegs eine Verschwörungstheorie, sondern die nach wie vor rechtlich verbindliche Vorgabe. Festgehalten im weiterhin gültigen Konsortial- und Trägerschaftsvertrag Zentralklinik – mit Geschäftsführer Claus Eppmann an der Spitze. Einziger Nachteil – wenn man es überhaupt als Nachteil betrachten will: Das Vorhaben wird sich um etwa ein Jahr verzögern.
Im Hannoveraner Sozialministerium rechnete man ohnehin damit, dass frühestens 2018 ein Zentralklinik-Konzept vorgelegt und entsprechende Förderanträge gestellt werden. Nun kommen sie vielleicht erst Ende 2019. Das ist eher nebensächlich.
Zentralklinik erfolgreich verhindert
jedenfalls für das Jahr 2022
Die Vorstellung, mit der Zentralklinik 2022 „ans Netz“ gehen zu können, war sowieso mehr als sportlich-ambitioniert. Unrealistisch, wäre der treffendere Begriff. Was dort auf der Grünen Wiese in Georgsheil gebaut werden wird, ist schließlich kein kleines Einfamilienhäuschen, sondern ein hochkomplexes Projekt mit X‑Unwägbarkeiten.
Durchaus überzeugend
In einem exklusiv-Interview bei ostfriesen.tv betonte Zentralklinik-Chef Claus Eppmann durchaus glaubhaft, dass ihm das Ergebnis des Bürgerentscheids entgegen allgemeiner Wahrnehmung keineswegs „noch in den Knochen“ stecke. Man habe sich der Realität zu stellen, die der Bürger durch eine Entscheidung herbeigeführt habe. Der Bürgerentscheid – vor allem durch das Votum der Emder Bürger – müsse akzeptiert werden. Deshalb solle man sich nicht weiter ständig mit Zentralkliniken beschäftigen, so Eppmann wörtlich. Die Geschäftsführung werde dies jedenfalls nicht tun. Man habe durch die Politik den Auftrag erhalten, ein tragfähiges Konzept für die drei Standorte zu entwickeln.
Man ist geneigt, Eppmann glauben zu wollen. Wie man es von ihm kennt, trug er auch dieses sehr überzeugend vor. Sicher dürfte Eppmann wenig Lust verspüren auch noch die nächsten zwei Jahre als „bad boy“ öffentlich seinen Kopf für die Zentralklinikpläne hinhalten zu müssen. Das ist nachvollziehbar und dürfte seine durchaus authentisch wirkende Überzeugungskraft ausmachen. Doch Eppmann ist nach wie vor verpflichtet das Vorhaben weiter zu verfolgen. So jedenfalls steht es im Konsortialvertrag, der eben nicht – wie angekündigt – aufgelöst wurde.
Nicht ganz richtig ist Eppmanns Hinweis auf den Auftrag durch die Politik. Das stimmt nur formal. In Wahrheit handelt es sich um einen Auftrag der Bürger, die diesen über drei Jahre in einem wahrhaft zähen Ringen der hiesigen Kommunalpolitik regelrecht abgetrotzt hat.
Ein (fast) unmöglicher Auftrag
Will man fair bleiben, muss man zur Kenntnis nehmen, dass dieser Auftrag durch die Bürger fast ein Ding der Unmöglichkeit ist. Er bedeutet nämlich, dass sich die Geschäftsführung auch gegen landes- und bundespolitische Rahmenbedingungen „quer legen“ muss. Deren erklärtes Ziel ist es, kleine Krankenhäuser vom Markt verschwinden zu lassen – und auf Zentralkliniken zu setzen.
Ein solcher Auftrag kann, wenn überhaupt, nur dann halbwegs realistisch sein, wenn die Mehrheit der Bürger hinter einer Geschäftsführung stehen kann, eine die wirklich das Ziel verfolgt, die bestehenden Klinken entgegen den Zwängen bundespolitischer Natur zu erhalten – dies auch noch dann, wenn sie dabei Dinge tun muss und tun wird, die niemandem gefallen können. Dieses Vertrauen ist nicht gegeben.
Ohne Bürger geht es nicht !
Wer sich in den letzten drei Jahren auch nur ansatzweise mit diesen landes- und bundespolitischen Rahmenbedingungen befasst hat, wird schnell erkennen können, mit welchen Widrigkeiten ein alternatives Konzept zu kämpfen haben wird. Ohne die Bürger, die hinter einer Geschäftsführung stehen, sie darin nicht nur allein moralisch stützt, werden diese Widrigkeiten kaum zu knacken sein. Ganz abgesehen davon, dass diese Geschäftsführung zunächst einmal damit beschäftigt sein wird, die schlimmsten Auswirkungen von jahrelangen Managementfehlern der Vergangenheit in den Griff zu kriegen.
Vorsicht Falle
Manch ein Zentralkliniker, dem diese Gegebenheiten bekannt sind, könnte darauf spekulieren – auf die Möglichkeit ein Konzept ausstellen zu können, welches unter Umständen sogar von einer breiten Mehrheit der Bürger mit Applaus bedacht wird – um danach leider verkünden zu müssen, dass es wegen diverser Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene nicht umsetzbar ist.
Grundtenor: Wir haben uns wirklich bemüht – doch die Realität ist eine andere.
Macht aber nichts, denn hier sind schließlich weitsichtige Profis am Werke. Denn – oh Wunder – in den zwei Jahren „Zentralklinik-Blockade durch Bürgerentscheid“ sind die bestehenden Kliniken nachgerade perfekt optimiert worden – um sie nun – in Stufe zwei – zur Zentralklinik zusammenführen zu können.
Man muss es nicht für verwerflich halten, wenn überzeugte Zentralkliniker für ihre Haltung eintreten und für ihre Überzeugungen auch kämpfen. Im Einzelfall nötigt das selbst bei einigen Kritikern einen gewissen Respekt ab.
Der allerdings verliert sich, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, für wie blöd so mancher Politikdarsteller die Bürger hält.
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