Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Zentralklinik: Ambulante Notfälle sorgen für Krankenhaus-Defizite

Beinschiene
Zentralklinik: Notfallambulanz in Georgsheil wird wegen der Lage außerhalb der Städte Emden, Aurich und Norden mutmaßlich von weniger Patienten in Anspruch genommen

VON JÜRGEN WIECKMANN

Bereitschaftspraxen

Kas­sen­ärzt­li­cher Bereit­schafts­dienst Nor­den mit fest­ge­leg­ten Sprech­stun­den

Aurich (on/okj) – Seit dem 1. Juli arbei­ten der Bereit­schafts­dienst der Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gung und die Zen­tra­le Not­auf­nah­me am Auricher UEK-Stand­ort werk­tags eine Stun­de, Sonn­abends und Sonn­tags jeweils für fünf Stun­den in den­sel­ben Räu­men zusam­men. Dies berich­te­ten die in Aurich erschei­nen­den Ost­frie­si­schen Nach­rich­ten (ON) in ihrer heu­ti­gen Aus­ga­be (14.7.). Damit sol­len unter ande­rem Dop­pel­un­ter­su­chun­gen und büro­kra­ti­sche Hin­der­nis­se umgan­gen wer­den, erklär­te UEK-Kli­nik­chef Jann-Wolf­gang de Vries der Zei­tung.

Für 15 von ins­ge­samt 148 Stun­den pro Woche soll dem Pati­en­ten ein Anlauf­punkt unab­hän­gig von der Zustän­dig­keit für sta­tio­nä­re und ambu­lan­te Behand­lun­gen gebo­ten wer­den. Die­se sind in Deutsch­land strikt von­ein­an­der getrennt. Haus­ärz­te sind für die ambu­lan­te, Kran­ken­häu­ser für sta­tio­nä­re Ver­sor­gung zustän­dig. Mit die­ser Koope­ra­ti­on will man unter ande­rem „ers­te Erfah­run­gen für die geplan­te Zen­tral­kli­nik sam­meln“, berich­ten die ON.

Patient als ökonomisch unattraktiver ”Kunde”

Pro­ble­ma­tisch für die Not­fall­auf­nah­men der Kran­ken­häu­ser ist, dass vie­le Pati­en­ten das Kran­ken­haus auf­su­chen, die aus medi­zi­ni­scher Sicht kei­ne Not­fäl­le sind. Die­se abzu­wei­sen, ist für ein Kran­ken­haus aller­dings nicht rat­sam, da abge­wie­se­ne Pati­en­ten unter Umstän­den auf unter­las­se­ne Hil­fe­leis­tung kla­gen kön­nen. Gleich­zei­tig ist es für Pati­en­ten oft fast unmög­lich, unver­züg­lich einen Ter­min beim Haus­arzt zu bekom­men. Wer sofor­ti­ge Hil­fe bean­sprucht, auch bei soge­nann­ten Baga­tell­fäl­len, sucht des­halb lie­ber die Not­fall­auf­nah­men der Kran­ken­häu­ser auf.

Notaufnahme

Defi­zi­tä­rer Bereich im Kran­ken­haus: Die ambu­lan­te Not­auf­nah­me

Für die­se Baga­tell­fäl­le kann ein Kran­ken­haus aller­dings nur 32.- € abrech­nen. Real ent­ste­hen im Kran­ken­haus jedoch Kos­ten, die bei rund 120,- € pro Pati­ent lie­gen. Dies ergibt sich, weil ein Kran­ken­haus für alle Even­tua­li­tä­ten, rund um die Uhr, Per­so­nal und medi­zi­nisch-tech­ni­sches Gerät vor­hal­ten muss.

Pri­vat­pra­xen, die das nicht leis­ten kön­nen, sind aller­dings auch auf die Infra­struk­tur eines wohn­ort­na­hen Kran­ken­haus ange­wie­sen. Des­halb wer­den Pati­en­ten, die den büro­kra­ti­schen Weg zwar ein­hal­ten und sich zunächst an den Haus­arzt wen­den, von die­sem unter Umstän­den wie­der in ein Kran­ken­haus geschickt, um dort vom Fach­per­so­nal bei­spiels­wei­se Rönt­gen­auf­nah­men machen zu las­sen.

Mit dem geplan­ten Zen­tral­kran­ken­haus hof­fen die Pla­ner auch, die durch sol­che Pati­en­ten ver­ur­sach­ten Defi­zi­te der ambu­lan­ten Not­fall­be­hand­lung zu redu­zie­ren. Dies wer­de sich mut­maß­lich dadurch erge­ben, dass die Not­fall­am­bu­lanz der Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil wegen ihrer Lage außer­halb der Städ­te Emden, Aurich und Nor­den von weni­ger Pati­en­ten in Anspruch genom­men wer­den wür­de. Der­ar­ti­ge Über­le­gun­gen, die aus Sicht einer Kran­ken­haus-Geschäfts­füh­rung nach­voll­zieh­bar sind, wer­den aus eben­falls nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den den Bür­gern aller­dings ver­schwie­gen, heißt es aus Krei­sen den Akti­ons­bünd­nis­ses.

Störfall Patient: Kunde droht mit Auftrag

Geplant ist, dass die­se Pati­en­ten, die im Kran­ken­haus Defi­zi­te ver­ur­sa­chen, künf­tig von soge­nann­ten Not­fall­ver­sor­gungs­pra­xen der all­ge­mein­me­di­zi­ni­schen Kas­sen­arzt­sit­ze behan­deln wer­den sol­len. Die dabei ent­ste­hen­den Kos­ten und Risi­ken müs­sen die­se jedoch allei­ne tra­gen und dürf­ten nicht zu Las­ten der Zen­tral­kli­nik gehen.

Rettungswache Norden

Mit einer Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil, muss auch der Ret­tungs­dienst umstruk­tu­riert wer­den

Nach Ein­schät­zung der Kri­ti­ker die­ses Vor­ha­bens wer­de damit die chro­ni­sche Unter­fi­nan­zie­rung des Gesund­heits­we­sen im ambu­lan­ten Bereich an Pri­vat­pra­xen abge­wälzt. Nur so kön­ne die Zen­tral­kli­nik unter Umstän­den die enor­men Kre­di­te abbe­zah­len, für die die kom­mu­na­len Haus­hal­te ein­zu­ste­hen hät­ten. Wür­den die Pati­en­ten das neue Kran­ken­haus in glei­cher Wei­se in Anspruch neh­men, wie der­zeit in den drei Städ­ten, dürf­te wegen der ungüns­ti­gen Kos­ten-/Er­lös­re­la­ti­on für ambu­lan­te Not­fall­be­hand­lung auch die Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil erheb­li­che Defi­zi­te machen.

Zentralklinik: Verschlechterung im ambulanten Sektor wahrscheinlich

Nach Ein­schät­zung des Akti­ons­bünd­nis­ses wer­de es für die Men­schen in der Regi­on mit der Zen­tral­kli­nik eine erheb­li­che ver­schlech­ter­te medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung im ambu­lan­ten Sek­tor geben. In Anbe­tracht der Tat­sa­che, dass durch den medi­zi­ni­schen Fort­schritt sta­tio­nä­re Lie­ge­zei­ten im Kran­ken­haus redu­ziert wer­den kön­nen, inklu­si­ve soge­nann­ter „blu­ti­ger Ent­las­sun­gen“, bekom­me die ambu­lan­te Nach­ver­sor­gung der Pati­en­ten aller­dings eine wach­sen­de Bedeu­tung. Mit den Pla­nun­gen zur Zen­tral­kli­nik wer­de der­zeit ver­sucht, eine Ent­wick­lung zu zemen­tie­ren, die sich schon längst als falsch erwie­sen hat.

Karte Georgsheil

Kran­ken­haus-Stand­ort Georgs­heil: Für Pati­en­ten die die ambu­lan­te Not­fall-Auf­nah­me auf­su­chen, zu weit ent­fernt

Die Ver­spre­chun­gen der Befür­wor­ter für eine „qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Medi­zin“, sei schlich­te Augen­wi­sche­rei. Sie beträ­fe ledig­lich den sta­tio­nä­ren Bereich des Kran­ken­hau­ses. Die „tol­le Rekla­me“ hie­si­ger SPD-Poli­ti­ker für die Zen­tral­kli­nik ver­schleie­re, dass durch die fehl­ge­lei­te­te Öko­no­mi­sie­rung im Gesund­heits­we­sen, nun auch kom­mu­na­le Kran­ken­häu­ser dazu über­ge­hen, Pati­en­ten „los­zu­wer­den“, deren Krank­heits­bil­der weni­ger lukra­tiv sind oder gar Defi­zi­te ver­ur­sa­chen. Auch die Schlie­ßung gynä­ko­lo­gi­scher Abtei­lun­gen habe vor allem damit zu tun, dass ein Kran­ken­haus für eine nor­mal ver­lau­fen­de Geburt ohne Kom­pli­ka­tio­nen „drauf­zah­len“ muss.

Fach­leu­te for­dern des­halb bereits seit Jah­ren, die in Deutsch­land übli­che Tren­nung zwi­schen ambu­lan­tem und sta­tio­nä­ren Bereich zu been­den. Ins­be­son­de­re in länd­li­chen Regio­nen müs­sen die Kran­ken­häu­ser der Zukunft den ambu­lan­ten Sek­tor mit über­neh­men kön­nen. Dies auch, weil Land­arzt­pra­xen kaum Nach­fol­ger fin­den und büro­kra­ti­sche Hin­der­nis­se die Zulas­sung von Kas­sen­ärz­ten behin­dern, bzw. deren Bud­get deckeln. In Extrem­fäl­len arbei­ten Kas­sen­ärz­te bis­wei­len schon fast umsonst, weil sie ihre Pati­en­ten aus ärzt­li­cher Ver­ant­wor­tung her­aus wei­ter­be­han­deln, obwohl sie ihr Bud­get bereits aus­ge­schöpft haben.

Plan B

Gesucht: öko­no­misch ver­tret­ba­re Alter­na­ti­ven zur geplan­ten Zen­tral­kli­nik

Statt sich über eine Zen­tral­kli­nik zu strei­ten, die aller Vor­aus­sicht nach von den ohne­hin über­schul­de­ten kom­mu­na­len Haus­hal­ten nur mit wei­te­ren Über­schul­dun­gen zu finan­zie­ren ist, soll­ten sich weit­sich­ti­ge Kom­mu­nal­po­li­ti­ker mit „ihren Bür­gern“ aber auch Ärz­ten und Pfle­ge­per­so­nal ver­bün­den und gemein­sam gegen ein Gesund­heits­sys­tem auf­leh­nen, des­sen Struk­tu­ren absurd und völ­lig aus dem Ruder gelau­fen sind. Das wis­sen auch vie­le Geschäfts­füh­rer von Kran­ken­häu­sern.

Gefragt sei ein Plan‑B zu dem, vor allem von SPD-Poli­ti­kern im Kreis und dem Land Nie­der­sach­sen favo­ri­sier­ten, und gegen den Bür­ger­wil­len offen­siv durch­ge­setz­ten, Zen­tral­kli­ni­kum. Nie­mand bestrei­te gege­be­ne Sach­zwän­ge. Aller­dings fal­len die­se nicht vom Him­mel, son­dern sind von der Poli­tik selbst gemacht und waren in der Ten­denz schon seit Jah­ren abseh­bar.


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