okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Aurich (on/okj) – Das Bürgerbegehren gegen die geplante Zentralklinik in Georgsheil wird sich voraussichtlich um einige Monate verzögern. Dies berichteten die in Aurich erscheinenden Ostfriesischen Nachrichten (ON) in ihrer Ausgabe vom 06.10. 2015. Die größte Hürde für das Bürgerbegehren sei, dass das Aktionsbündnis für den Erhalt wohnortnaher Krankenversorgung einen Kostendeckungsvorschlag unterbreiten muss, erklärte Holger Rohlfing vom Aktionsbündnis in Aurich. In diesem müsse der Erhalt der Klinikstandorte Aurich und Norden auf ökonomisch vertretbare Weise darlegt werden. Eine solche kostendeckende Alternative zur Zentralklinik sei beim Landkreis einzureichen und müsse anschließend vom Kreisausschuss genehmigt werden. Erst dann könne und dürfe ein Bürgerbegehren eingeleitet werden. Deshalb werde sich der Start des Bürgerbegehrens sehr wahrscheinlich auf 2016 verschieben – eventuell bis nach der Wahl im September 2016.
Alternative zur Zentralklinik politisch nicht gewollt
Derzeit ist der Landkreis nicht einmal selbst in der Lage, alle Kosten zu prognostizieren, die mit dem Bau einer Zentralklinik auf die kommunalen Haushalte zukommen werden. Hierzu zählen eben nicht nur die reinen Neubau-Kosten, (nach heutiger Schätzung mindestens 250 Mio. €), für die es möglicherweise eine Förderung durch das Land Niedersachsen geben könnte. Zu Buche schlagen auch nicht unerhebliche Infrastruktur und Erschließungskosten, dazu weitere Folgekosten, über die derzeit niemand belastbare Angaben machen kann.
Gleichzeitig weigert sich die politische Führung im Landkreis eine Alternative zur geplanten Zentralklinik prüfen zu lassen. Die Weigerung wird mit der Tatsache begründet, dass der UEK-Verbund Aurich/Norden de fakto in einer wirtschaftlich aussichtslosen Lage ist. Ohne den Griff in die Kassen des Landkreises, müsste das kommunale Unternehmen UEK Insolvenz anmelden.
UEK-Millionenverluste als „Totschlagargument“ für Zentralklinik
Die mittlerweile rund 50 Mio. € Verlust, die einschließlich 2015 aufgelaufen sind, dienen heute als das stärkstes Argument für eine Zentralklinik. Ursache dafür sind vor allem auch „hausgemachte Probleme“ im Management. Dabei hatte der Kreistag 2013 einen Rettungsplan beschlossen, durch den beide Standorte auf eine ökonomisch vertretbare Weise hätte betrieben werden können. Dieses sogenannte „Bredehorst-Gutachten“ wurde allerdings nicht umgesetzt. Wäre dieses geschehen, hätte der UEK-Verbund bereits 2015 gar mit Erlösen abschließen können. Zugegeben, ein „sportlicher Ansatz“. Wäre er auch nur ansatzweise gelungen, so vermutet man in Kreisen des Aktionsbündnisses, würde man heute nicht über eine Zentralklinik diskutieren.
Binden Planungskosten Zentralklinik schon heute Haushaltsmittel?
Mittlerweile gehen die Vermutung noch einen Schritt weiter. Bereits heute dürften die erforderlichen Vorplanungen für ein Zentralkrankenhaus die kommunalen Haushalte in Anspruch nehmen. Der für das Zentralklinikum als Geschäftsführer berufene Ulrich Pomberg wird diesen Job wohl nicht ehrenamtlich leisten, so glaubt man in Kreisen des Aktionsbündnisses. Selbstverständlich werde eine Art „Businessplan Zentralklinik“ zu erstellen sein, den es ebenfalls nicht geschenkt gibt. Vor der Tür steht unter anderem ein Verfahren zur Regionalen Raumordnung, welches ebenfalls Kosten verursacht. Dem Sozialministerium wird jedenfalls ein rundes Konzept vorzulegen sein, das ins Detail zu gehen hat. Zu diesen Vorarbeiten dürften sicher auch Bodenproben gehören, etwa um sicher zu stellen, dass der gewünschte Bauplatz für das Vorhaben geeignet ist. An der Stelle verstehen die Arbeitsebenen der Ministerien bekanntlich keinen Spaß.
Die Kosten diverser Vorarbeiten könnten – theoretisch – zwischen 1,5 und mehr Mio. € liegen. Das jedenfalls bekommt man als „Hausnummer“ von Fachleuten erzählt, die sich mit derartigen Abläufen auskennen. Und das wäre nur der Anfang. Geld, was in die Hand genommen werden muss, egal, ob es am Ende des Tages eine Zentralklinik geben wird oder auch nicht – oder ob ein Bürgerbegehren vom Landkreis genehmigt wird.
Zentralklinik: Top-Down-Strategie hinter verschlossenen Türen?
Von all dem bekommt die Öffentlichkeit nichts mit. Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) hatte am 18.3.2015 dem Kreistag erklärt, der Trägerschaftsvertrag für die Zentralklinik, dem der Kreistag mit großer Mehrheit zustimmte, diene nur dazu, Fördergelder des Landes einwerben zu können. Bei genauer Betrachtung erweist es sich – freundlich formuliert, als nicht einmal die halbe Wahrheit. Im Jargon der Politiker heißt das ”Top-Down-Strategie”
Doch Anbetracht der gespannten Haushaltslage im Landkreis Aurich, dürfte Landrat Harm-Uwe Weber gezwungen sein, dem Kreistag eben jene Millionen „abzuluchsen“, die er jetzt dringend benötigt, um die erforderlichen Vorarbeiten für eine Zentralklinik finanzieren zu können. Natürlich hätte Weber recht, würde er sagen, auch dies sei schließlich Vorbedingung um Fördergelder beantragen zu können.
Diese Wahrheit wäre jedoch noch mit der Tatsache zu ergänzen, dass die Zentralklinik nun mal beschlossene Sache ist. Bürgerbeteiligung, selbst wenn sie in Wahlkampfzeiten als gewünscht dargestellt wird, könnte sich noch als demokratische Beschäftigungstherapie erweisen. Eine gefährliche Strategie. Sie könnte den Glauben an die Funktionsfähigkeit unserer demokratischen Institutionen weiter in Mitleidenschaft ziehen.
Pragmatisch spekulieren darf man allerdings über die Frage, wie sich wohl der Rat der Stadt Emden aufstellen wird. Schließlich wird sich auch Emden an den Kosten dieser Vorarbeiten in Millionenhöhe zu beteiligen haben. Oberbürgermeister Bernd Bornemann plagen derzeit allerdings andere Sorgen. Die Milliardenforderungen denen der VW-Konzern derzeit ausgesetzt ist, wird selbstverständlich auch dem Emder Haushalt schwer zusetzen.
Stellt sich also erneut die Frage, ob es nicht doch klüger wäre, die bestehenden Krankenhäuser mit einem integrierten Konzept strukturell zu optimieren, statt sich auf das „Abenteuer Zentralklinik“ einzulassen, welches weder von den Bürgern dieser Region gewollt, noch in seinen finanziellen Dimensionen seriös abzuschätzen ist.
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