okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Etwas ruhiger scheint es derzeit um das Aktionsbündnis „Krankenhaus Erhalt“ geworden zu sein. Doch der Eindruck täuscht. Derzeit wird ein Bürgerbegehren entsprechend der niedersächsischen Kommunalverfassung vorbereitet. Dass das Bündnis überhaupt einen formaljuristischen Weg zu gehen hat, irritiert.
Über 22.000 Unterschriften hatten selbst Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt bei der Übergabe in Hannover im April des Jahres beeindruckt. Ihre Pressestelle gab sogleich bekannt, dass neben den rein wirtschaftlichen Betrachtungsweisen auch die gesellschaftliche Akzeptanz einer Zentralklinik bei der Förderung durch die Landesregierung eine Rolle spielen wird. Anlässlich der Einweihung des Auricher Familienzentrums, an der auch Landrat Harm-Uwe Weber und Sozialministerin Rundt teilnahmen, verabsäumte die Ministerin es nicht, dem Landrat dieses auch persönlich deutlich zu machen.
Die Informationspanne: Bürgerbeteiligung als Verkaufveranstaltung
Doch den Landrat scheinen solche Signale nicht sehr zu beeindrucken. Selbst die Kritik aus den eigenen Reihen, die Bürger bei den Planungen „Zentralklinik“ nicht von Anfang an einbezogen zu haben, scheint nicht zu fruchten. Als „Informationspanne“ kann man es mittlerweile wohl nicht mehr werten, wie es die dem Landrat wohlgesonnene Kreise zu beschönigen versuchen. Eine durchaus professionell und mit erheblichen Kosten verbundene Informationskampagne Pro Zentralklinik „versendet“ sich – wie Fachleute zu sagen pflegen.
Keine Frage, Landräte aber auch Bürgermeister sind manchmal in einer wenig beneidenswerten Lebenslage. Hin und wieder müssen sie – aus gewissen Sachzwängen heraus – Dinge vertreten, die nicht sehr populär sind. Doch Weber scheint zu glauben, dieses als „Gutsherr von Gottes Gnaden“ bewerkstelligen zu können. Das kann natürlich nur scheitern.
Juristische Schützenhilfe gegen Bürgerbehren aus Hannover ?
Das nun drohende Bürgerbegehren dürfte dem „Gutsherrn vom Lande“ wenig Freude bereiten. Dem Vernehmen nach, soll er bereits beim Hannoveraner Innenministerium zu sondieren versuchen, wie man es formaljuristisch schon im Keim ersticken könnte. Auf derartige Gerüchte braucht man nicht viel geben. Die eigene SPD-Fraktion im „Hause Kreistag“, hat sich mittlerweile schon als Unterstützer des Bürgerbegehrens geoutet – mit publizistischer Unterstützung des MdB Johann Saathoff (SPD). Wie immer man es bewerten will – das ist natürlich auch in Hannover registriert worden.
Es stellt sich deshalb zunehmend die Frage, was den Landrat eigentlich dazu veranlasst, selbst bei Befürwortern einer Zentralklinik am laufenden Band „Störgefühle“ auszulösen. Erklärbar ist das wohl nur, wenn man sich vierzehn Jahre kommunale Krankenhaus-Politik im Landkreis Aurich vergegenwärtigt. Politisch sind diese Jahre nun mal eng mit dem Namen Weber verknüpft. Schon unter seinem Vorgänger Walter Theuerkauf zeichnete er als Krankenhaus-Dezernet verantwortlich.
Für „Mister Krankenhaus“ ist die Zentralklinik zweifelsfrei alternativlos
Die ernsthafte Prüfung einer Alternative würde zuvor verfilzte Strukturen offenbaren müssen – jene Strukturen, die es geschafft haben, den immerhin größten Krankenhaus-Verbund auf der Halbinsel de facto in die Insolvenz zu fahren. Das sich davor viele fürchten, ist ein natürliches Phänomen. Der Landrat ist deshalb auch ein Garant dafür, dass sich diese Furcht in Grenzen halten kann – noch.
Dazu winkt ein Millionenscheck aus Hannover – mit dem sich das komplette Versagen auf den Führungsebenen der letzten vierzehn Jahre – zumindest theoretisch – aus der Diskussion schaffen ließe. Wer mag schon gerne über die Vergangenheit reden, wenn eine glorreiche Zukunft versprochen wird?
Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen
Doch gerade in dieser hohen Kunst, ist Weber eine nicht gerade vertrauenerweckende Quelle. Hier ist der Kredit im wahrsten Sinne des Wortes restlos verspielt. Man muss schon in einer seltsamen Welt leben, wenn man den Menschen erzählen will, dass zwei strukturell ruinierte Krankenhäuser (NOR/AUR) eine gute Zukunft haben, wenn sie sich mit einem zusammentun, welches – eher unverschuldet – ums Überleben zu kämpfen hat (EMD).
Da fragt man sich (nebenbei), was in Emdens Oberbürgermeister gefahren sein muss, um sich ausgerechnet mit „Leuten“ zusammentun zu wollen, die seit 14 Jahren den praktischen Beweis erbracht haben, dass man sie besser nicht mit „Krankenhaus-Management“ betrauen sollte – schlicht, weil sie es nicht können.
In direkter Nachbarschaft, dem Landkreis Leer, scheint das Problem mit dem Fachkräftemangel intelligenter gelöst worden zu sein – und zwar auf Führungsebenen. Die alte Volksweisheit von dem Fisch und der Stelle, von der eine Geruchsbelästigung ausgehen kann, scheint man in Leer wohl beherzigt zu haben – seit mehr als einem Jahrzehnt.
Kommunale Krankenhäuser gesteuert im politisches Raumschiff ?
Diese Volksweisheiten sind bekanntlich großzügig (duldsam) genug, um es nicht gleich verwerflich zu finden, wenn jemand etwas nicht kann. Ärger kommt immer erst dann, wenn derartiges nicht rechtzeitig erkannt wird. Das ist der Fall, wenn man rund zwei Millionen Euro Steuermittel für eine Art „Businessplan“ ausgibt, um den UEK-Verbund AUR/NOR auf ökonomisch vertretbare Beine zu stellen – und selbst das noch in der Lage ist an die Wand zu fahren.
Stellt sich die Frage, wie naiv man im politischen Raumschiff Landkreis Aurich die im allgemeinen als bodenständig betrachteten Ostfriesen zu halten gedenkt – auch mit Blick auf erwähnte Volksweisheiten über Köpfe von Fischen.
Weber mag politisch das sein, was man im amerikanischen nicht einen Fisch, sondern eine „lahme Ente“ nennt. Juristisch ist er allerdings ein Profi. Seine Winkelzüge verdienen durchaus das Prädikat genial – allerdings:
Jenes Gremium, welches am Ende des Tages darüber zu befinden hat, ob rein formaljuristisch das Bürgerbegehren als nicht zulässig abgewiesen werden kann – wird die schwierige Frage zu beantworten haben, was juristisch möglich – politisch allerdings nach hinten losgehen könnte.
Erinnerungen an das frühere Niveau der sogenannten „Volksschule“ über die Gewaltenteilung in einer Demokratie, könnte bei der Entscheidung hilfreiche Anregungen geben.
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