Aurich (okj) – Mit Informationsveranstaltungen in Norden, Aurich, Wiesmoor und andernorts will das Aktionsbündnis für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser ab 17. März 2016 mit der Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren im Landkreis Aurich starten. An diesem Tag wird der Kreisausschuss – nach dem Kreistag das wichtigste politische Gremium im Landkreis – über die Zulässigkeit des Bürgervotums entscheiden. Mit zwei Enthaltungen von Grünen und GFA hatte der Kreisausschuss am 28. Januar den Antrag auf das Bürgerbegehren mit den Mehrheitsstimmen von CDU und SPD wegen formaler Beanstandungen abgewiesen.
Formaljuristisches Fingerhakeln
Mitte Februar, am 16.2., trafen sich deshalb Vertreter des Aktionsbündnisses und deren Anwalt mit Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) sowie dem Leiter des Inneren Dienst, Holger Kleen, um die Beanstandungen zu überarbeiten. Unter anderem wurde ein „unzureichender Kostendeckungsvorschlag“ moniert. Die Antragsteller hätten demnach keinen ausreichenden Vorschlag gemacht, wie der Erhalt der jetzigen Klinikstandorte in Norden und Aurich finanziert werden kann. Ferner seien die Baukosten durch das Aktionsbündnis zu hoch angesetzt worden und der Anteil den der Landkreis davon zu zahlen habe nicht ausgewiesen worden.
Auf Grundlage der vom Landkreis herausgegebene Zahlen hatte das Aktionsbündnis die Baukosten mit 320 Mio. € veranschlagt. Offiziell wird von 250 Mio. € gesprochen. Nach Abzug erwarteter Fördergelder aus Hannover und dem Anteil den die Stadt Emden für das Vorhaben zu zahlen hat, wären nach Berechnungen des Landkreises lediglich 62,5 Mio. € erforderlich.
Scharfe Kritik an Landrat Harm-Uwe Weber
Nach der Entscheidung des Kreisausschusses schaltete sich zunächst der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Erwin Wenzel in die Diskussion ein. In einem Leserbrief der Ostfriesen-Zeitung (11.2.16/S. 12) bezeichnete er den Umgang mit dem Begehren der Bürger in Sachen Klinikerhalt als „Machtspiel der Verzögerung und Desinformation“. Unanständig sei, dass der für das Finanzdesaster der Ubbo-Emmius-Klinik (UEK) Aurich-Norden Hauptverantwortliche Landrat das Bürgerbegehren wegen inhaltlicher und formaler Mängel kritisiere. „Wenn nicht einmal Weber seit Jahren auch mit Hilfe von Wirtschaftsprüfern in der Lage ist, das UEK-Defizit zu reduzieren, wie sollen dann außenstehende Laien eine plausible Rechnung vorlegen können?“, schrieb Wenzel.
Aus Wittmund meldete sich vergangene Woche auch der CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Max Matthiesen anläßlich einer Mitgliederversammlung in Wittmund zu Wort. Matthiesen begrüßte das Engagement für den Erhalt kleiner Krankenhäuser und sprach sich gegen Pläne aus, die bestehende Häuser aufzugeben, um auf der grünen Wiese eine Zentralklinik aus dem Boden zu stampfen. „Kleine Kliniken sind bürgernah und leistungsfähig“, betone Matthiesen.
Der Wähler als bauchgefühlter Störfaktor
Kritisch äußerte sich auch UEK-Aufsichtsratsmitglied Hans-Gerd Meyerholz. Für den Erhalt kleiner bürgernaher Krankenhäuser stelle das Land Niedersachsen regelmäßig Millionenbeträge für die Umstrukturierung zur Verfügung. Doch seit Weber die Idee einer Zentralklinik in Georgsheil propagiere, blieben Fördermittel aus Hannover aus, beziehungsweise wurden erst gar nicht beantragt.
Als abenteuerlich bezeichneten Mitglieder des Aktionsbündnisses die Auffassung des CDU-Fraktionsvorsitzenden des Auricher Kreistages Hilko Gerdes. Dieser hatte erklärt, dass bereits Hunderttausende Euro in die Vorplanungen zur Zentralklinik investiert worden seien. Man erwarte täglich den Bescheid des Landes, so dass mit weiteren Fachplanungen begonnen werden könne. Was die Bürger des Landkreises von diesen Planungen halte, scheine Gerdes nicht zu interessieren, heißt es in Kreisen des Aktionsbündnisses.
Laut einer nichtrepräsentativen Online-Umfrage im April vergangenen Jahres, entfielen 78,5 Prozent auf den Erhalt der Ubbo-Emmius-Klinik (UEK) an den Standorten Aurich und Norden. Für ein Zentralkrankenhaus waren 20,7 Prozent.
Bürgerbefragung politisch unerwünscht
Ein demokratisches Armutszeugnis sei es für CDU und SPD im Auricher Kreistag, nicht einmal einer Bürgerbefragung zum Thema Zentralklinik zustimmen zu wollen, erklärten Mitglieder Aktionsbündnisses. Das die Stimme der Bürger der Politik wenig bedeute, zeige unter anderem das Abstimmungsverhalten im Auricher Kreistag.
Im Dezember vergangenen Jahres hatte die Kreistagsabgeordnete Blanka Seelgen (DIE LINKE) beantragt, dass die Verwaltung eine zeitnahe Bürgerbefragung zur geplanten Zentralklinik durchführe. Wer ein Projekt von solcher Tragweite plant, von dem nicht nur alle Wahlberechtigten, sondern alle Einwohnerinnen und Einwohner jeden Alters betroffen sind, müsse sicher sein, dass das Projekt in der Bevölkerung Akzeptanz findet, heißt es in der Begründung.
Trotz dieser Begründung lehnten SPD und CDU diesen Antrag ab, obwohl eine Bürgerbefragung lediglich als eine Art „amtliche Meinungsumfrage“ gilt. Anders als ein Bürgerbegehren oder Bürgerentscheid, hat die Bürgerbefragung für die Politik keine bindende Wirkung.
”Verhinderungsprüfung” mit politischer Kosmetik
Obwohl die Mehrheit der Bürger im Landkreis Aurich die Planungen zur Zentralklinik ablehnen, werden weitere Millionen ausgegeben. Im Dezember vergangenen Jahres hatte Landrat Harm-Uwe Weber den Kreisausschuss aufgefordert, für Planungskosten eine Millionen Euro aus Haushaltsmitteln zu genehmigen. Auch die Stadt Emden soll die gleiche Summe bewilligen. Anbetracht der Proteste in der Bevölkerung genehmigte der Auricher Kreisausschuss allerdings lediglich 200.000 €.
Nach Einschätzung des Aktionsbündnisses, sei dass allerdings nur „politische Kosmetik“. Tatsache sei, das durch die Planungen bereits Kosten entstanden und Rechnungen gestellt worden sind. Diese müssen bezahlt werden, so dass der Kreisausschuss die erforderlichen Gelder letztlich nicht verweigern kann.
Teile des Aktionsbündnisses fürchten derzeit, dass seitens der Politik eine Art „Verhinderungsprüfung“ der Bürgerbegehrens vorgesehen ist. So lange kein bindender Bürgerentscheid vorliegt, könnten weitere Gelder für die Zentralklinik ausgegeben werden. Nach Auffassung von Landrat Harm-Uwe Weber, könne der Landkreis die Vorbereitungen für das Vorhaben nicht einstellen, nur weil ein Bürgerentscheid angekündigt sei.
Imbiss in lockerer Runde
Entsprechend hat Weber und Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann für den 7. März 2015 um 14 Uhr zu einer gemeinsamen Sitzung der Gesellschafterversammlung der Trägergesellschaft Aurich-Emden-Norden mbH sowie der beiden Krankenhaus-Gesellschaften nach Georgsheil in die Feuerwehrtechnische Zentrale eingeladen.
In der Einladung, die dem Ostfriesischen-Klinik-Journal vorliegt, sollen den 43 Teilnehmern die Ziele und Planungen zur Zentralklinik, Wege dorthin sowie begleitende Schritte dargelegt werden. Die nichtöffentliche Runde, für die drei Stunden vorgesehen sind, soll bei einem Imbiss in lockerer Runde ihren Ausklang finden.
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