Ostfriesland (okj) – Bereits 1946 setzte sich der damals amtierende Emder Oberbürgermeister Hans Susemihl für den Neubau eines Krankenhauses im Stadtgebiet ein. Allierte Bomberverbände hatten das alte Krankenhaus im Krieg zerstört. Deshalb wurde 1942 – in Voraussicht dieser Ereignise – eine sogenannte „Krankenhaus-Sonderanlage“ mit Holzbaracken im staatseigenen Waldgebiet der Gemeinde Sandhorst bei Aurich errichtet. Diese gehörte der Stadt Emden. Doch nach Kriegsende setzte sich Susemihl dafür ein, das Emden für seine Bürger ein neues wohnortnahes Krankenhaus erhält.
Zentralklinik: Ein Regierungspräsident war in den 50er Jahren Vater des Gedanken
Doch damit geriet er zunächst in eine Auseinandersetzung mit dem amtierenden Regierungspräsidenten Mimke Berghaus. Berghaus wollte aus dem Emder Notbehelf in Aurich eine ostfriesische Zentralklinik für die gesamte Region machen.
Doch Berghaus konnte sich nicht durchsetzen. Auf der von ihm am 13. Dezember 1950 einberufenen Dienstbesprechung aller ostfriesischen Oberkreisdirektoren, wollte sich niemand an diesem Vorhaben beteiligen.
Die Landkreise bevorzugten ihre eigenen wohnortnahen Krankenhäuser.
Mit der Entscheidung aller Oberkreisdirektoren im Rücken, hatte nun auch Susemihl „freie Bahn“. Mit aller Kraft und unter den widrigen Bedingungen der Nachkriegszeit schafften es die Emder ihr Krankenhaus zu errichten. 1951 war Richtfest.
Am 13. Mai 1953 konnte es in Dienst gestellt werden. In den Folgejahren wurde es nicht nur im medizinisch-technischen Bereich ständig auf neusten Stand gehalten.
Heute verfügt es über 370 Planbetten und genießt in ganz Ostfriesland einen guten Ruf.
Marktgesetze: Angriff auf das solidarisch aufgebaute deutsche Gesundheitssystem
Doch seit Anfang 2000 haben vor allem Politiker der Bundesebene die Schleusen für eine wachsende Privatisierung der Gesundheitsfürsorge geöffnet. Unter dem Einfluss mächtiger Lobbyisten, sollte auch in Deutschland die in der Bevölkerung vorherrschende Einstellung, nach der Gesundheit Aufgabe der solidarisch organisierten kommunalen Daseinsvorsorge ist, durch die Macht des Faktischen der Boden entzogen werden.
Argumentiert wurde, dass „der Staat“ letztlich nicht in der Lage sei, ökonomisch sinnvoll zu agieren. Als hilfreich erwiesen sich dazu praktische Beispiele von Steuerverschwendungen, die die Bürger mit Recht aufregten. Diese „Aufreger“ boten im Nachgang dann eine gute Grundlage, um zu erklären, warum die „Staatsquote“ reduziert und auch die Dienstleistungen der Gesundheit einer vor allem betriebswirtschaftliche Logik unterstellt werden müssen. Im „Schlepptau“ dieser Haltung, die als ”neoliberale Wirtschaftstheorie” bezeichnet wird, stand auch das Bestreben, den Einfluss der Politik zurückgefahren und Wirtschaftlichkeitskriterien in den Vordergrund zu rücken.
Zur praktischen Durchsetzung wurden deshalb – in vielen kleinen Schrittten – eine Vielzahl von Gesetzen auf den Weg gebracht, die die für erforderlich gehaltenen „marktwirtschaftlichen Steuerungselemente“ etablierten. In diesem Sinne besonders nachhaltig, wirkte das 2004 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführte Fallpauschalen-System. Seit dem werden Krankenhäuser nicht mehr auf der Grundlage des medizinischen Bedarfs finanziert, sondern erhalten (prospektiv) pro Fall einen festgesetzen und gedeckelten Betrag, mit dem sie auszukommen haben.
Der tägliche Kampf: Betriebswirtschaftliche Zwänge vs. ärztliche Berufsethik
Auf diese Weise gelang es schließlich, die Ärzte dazu zu zwingen, ihre Indikationen nach den finanziellen Möglichkeiten zu orientieren. Diese wurden gleichzeitig so gestaltet, das eine chronische Unterfinanzierung wirksam bleibt, um gleichzeitig auch Krankenhäuser dazu zu zwingen, ihren Betrieb unter rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu optimieren.
Nach dieser betriebswirtschaftlichen Logik, die eine hohe Qualität zu möglichst niedrigen Preisen anstrebt, waren Klinikchefs zunehmend gezwungen, entweder Personal zu entlassen, den Arbeitsdruck vor allem auch bei Pflegekräften zu erhöhen, ggf. anstelle examinierter Krankenschwester preiswerteres Personal wie etwa Hotelfachkräfte zu beschäftigen (sogenannter Qualimix) oder sich in direkter Konkurrenz zu anderen Häusern auf medizinische Dienstleistungen zu spezialisierten, für die es nach dem Fallpauschalen-System besonders hohe Vergütungen gibt.
Eine weitere Methode ist, Untersuchungen anzuordnen, die streng genommen medizinisch unnötig sind, aber helfen, die wirtschaftliche Lage eines Krankenhauses zu verbessern. Zunehmend beklagen inzwischen auch Ärzte, dass im Krankenhaus-Alltag die betriebswirtschaftliche Logik im wachsenden Widerspruch zur ärztlichen Berufsethik stehe.
Kleine kommunale Krankenhäuser sind die ersten Opfer
Vor allem kommunale Krankenhäuser, die der allgemeinen Gesundheitsfürsorge der Bevölkerung verpflichtete sind, gerieten wachsend in ökonomische Schieflage. Diese, von der Politik beabsichtigte Schieflage, bot ab 2010 die Möglichkeit, die nicht mehr „wettbewerbsfähigen Krankenhäuser” scheinbar objektivierbar schließen zu müssen.
Nach Einschätzung des „Arbeitskreises Zentralklinikum“ der Emder Wählergemeinschaft „Gemeinsam für Emden“, werde nach dieser bundweit wirkenden Strategie nun auch in Ostfriesland „mit einem Schlag vernichtet“, was die Bürger in Emden mit ihren Steuergeldern erarbeitet haben. Gleiches gelte aber auch für die Städte Norden und Aurich. Allerdings müsse man die Entwicklung generell im Auge haben. In ganz Niedersachsen würden derzeit Kliniken privatisiert oder zusammengelegt. Dabei wachse überall der Widerstand in der Bevölkerung.
Bundesweiter Widerstand der Bürger beginnt sich zu langsam zu formieren
Da deutschlandweit Krankenhäuser geschlossen werden und derzeit jede Kommune alleine, windmühlenartig gegen die Schließungen kämpft, müsse sehr bald ein bundesweiter Zusammenschluss der Bürger erfolgen, heißt es in der bundesweiten Facebook-Gruppe „Bündnis pro Krankenhäuser wohnortnah“. Noch würden zu wenige erkennen, was aktuell und bundesweit mit der Gesundheitsversorgung passiere. Der Staat verabschiede sich durch die Hintertür! Das dürfe nicht zugelassen werden.
Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts, gab 2014 jeder Einwohner in Deutschland durchschnittlich 4050.- €. für Gesundheit aus. Insgesamt beliefen sich die Gesundheitsausgaben in Deutschland auf 328 Milliarden €. Davon werden rund 190 Milliarden € von den Sozialkassen aufgebracht. Damit sei das deutsche Gesundheitssystem weltweit eines der reichsten.
Die chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser sei politisch gewollt. Hier sei Kommunalpolitik gefordert. Sie wäre – als der Politikbereich ”direkt am Bürger” – in der Verpflichtung, den wachsenden Widerstand der Bürger nicht zu fürchten und ”platt zu machen”, sondern ihn aufzugreifen und nach oben durchzugeben. Kommunalpolitiker, die gegen die Interessen der Bürger ”nach oben buckeln und nach unten treten”, gehörten abgewählt.
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