Aurich/Emden/Norden (okj) – Noch vor der Kommunalwahl am 11. September soll das Vorhaben „Zentralklinik“ in einem sogenannten „Konsortialvertrag“ rechtlich abgesichert werden. Im Auftrag von Landrat Harm-Uwe Weber und dem Emder Oberbürgermeister Bernd Bornemann (beide SPD) haben der Sprecher der Zentralklinik und BDO-Mann Claus Eppmann sowie der Geschäftsführer des Emder Klinikums Ulrich Pomberg zu einer Gesellschafterversammlung am 19. August um 12 Uhr in die Feuerwehrtechnische Zentrale Georgsheil eingeladen.
Beabsichtigt ist, die insgesamt 54 Teilnehmer, zu denen auch Arbeitnehmervertreter der Kliniken in Emden, Aurich und Norden sowie Aufsichtsräte gehören, über die rechtlichen Bedingungen zu informieren. Erarbeitet wurde dieser Vertrag von der BDO-Legal, eine im August 2012 vom Berater-Konzern BDO ins Leben gerufene Rechtsanwaltsgesellschaft.
Die BDO-Legal hat sich vor allem auf Aktien- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Der Geschäftsführer der international agierenden Großkanzlei Parwäz Rafiqpoor, wird den anwesenden Kommunalpolitikern aus Ostfriesland die Einzelheiten des Vertrages erläutern.
Kritische Öffentlichkeit unerwünscht
Um auch interne Kritik an den Planungen künftig zu unterbinden, wird im Paragraphen § 28 ein sogenanntes „Kommunikationskonzept“ verpflichtend. Informationen für die Öffentlichkeit und die Belegschaft dürften danach ausschließlich und nur durch die Trägergesellschaft und nach vorheriger Abstimmung mit dem Sprecher Claus Eppmann erfolgen.
Eigene öffentliche Erklärungen oder Mitteilungen durch die Beteiligten sind demnach untersagt. Alle dem Landkreis und der Stadt Emden Verpflichteten ist es im § 25 zudem untersagt, sich „zu Ungunsten des Zentralklinikums“ zu betätigen. Nach Einschätzungen des Aktionsbündnisses Klinikerhalt, ist mit diesem Vertrag auch beabsichtigt, eine kritische Öffentlichkeit zu behindern.
Weiterhin sollen sich die Unterzeichner dazu verpflichten ein Nachnutzungskonzept für die Standorte in Norden, Aurich und Emden zu erarbeiten.
Im § 21 wird jedoch klargestellt, dass die Zentralklinik nicht zur Nachnutzung verpflichtet ist.
Zentralklinik auf der Grünen Wiese vermeidet wirtschaftlich nicht lohnende Patienten
Bereits am 21. Februar 2012 hatte Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann auf die Anfrage des Emder Ratsmitglieds Wilfried Graf (Linke) erklären lassen, dass unter unveränderten Finanzierungsbedingungen auf Bundesebene, auch das Zentralkrankenhaus mit Defiziten rechnen müsse. Dies gelte besonders für die ambulante Notfallversorgung.
Die chronische Unterfinanzierung dieser Abteilungen haben dem Emder Krankenhaus im Jahre 2014 etwa 1,48 Mio. € Verlust gebracht. Dieser Verlust könnte sich reduzieren, da die geplante Zentralklinik wegen der Lage außerhalb der Städte Emden, Aurich und Norden „mutmaßlich von weniger Patienten in Anspruch genommen werden würde“.
Eine Versorgung der Bürger müsse von den niedergelassenen Ärzten übernommen werden. Bedingung dafür sei jedoch, dass die Zentralklinik weder die Kosten noch das Risiko für diese dem „niedergelassenen ärztlichen Bereich zugeordneten Leistungen“ zu tragen hat.
Rette sich wer kann:
Der Kampf um Fachärzte wird härter
Zentralklinik-Macher Claus Eppmann hatte in der Vergangenheit schon mehrfach angedeutet, dass das Problem des Ärztemangels in ländlichen Regionen nicht vom Krankenhaus gelöst werden könne. Vielmehr habe das Krankenhaus selbst größte Probleme Fachärzte für die Kliniken zu gewinnen.
Entgegen den Erklärungen der Politik, man werde für eine ausreichenden gesundheitlichen Grund- und Regelversorgung der Bürger sorgen, wird mit dem Konsortialvertrag festgeschrieben, dass sich der Landkreis Aurich, die Stadt Emden wie auch das Land Niedersachsen aus der Krankenhausversorgung vor Ort zurückzieht. Diese Zwangsläufigkeit ergibt sich schlicht daraus, dass nicht vier Krankenhäuser in Emden, Aurich, Norden und Georgsheil gleichzeitig betrieben werden können.
Wird der ambulante Sektor vor Ort privatisiert?
Die Gesundheitsversorgung vor Ort soll deshalb unter dem Label „Gesundheits-Zentrum“ oder „Medizinisches Versorgungs-Zentrum“ (MVZ) privatisiert werden. Als potentielle Investoren für diesen sogenannten ambulanten Sektor, haben sich bundesweit vor allem die Sana-Kliniken AG sowie die Klinikgruppe Rhön engagiert. Diese wollen sich künftig als „integrierte Gesundheitsdienstleister“ des Marktsegmentes „ambulante Versorgung“ annehmen.
Dazu wurden in der Vergangenheit bundesweit Privatpraxen und Kassen-Arztsitze aufgekauft. Auch der Landkreis Aurich sowie die Stadt Emden haben in der Vergangenheit Kassenarzt-Sitze erworben. Diese können von den Kommunen unter Führung und Rechtsberatung der BDO an Investoren veräußert werden.
Gleiches gilt auch für Betriebsteile der bestehenden Krankenhäuser. Deren Geschäftsführung wird entsprechend des § 16 von der Trägergesellschaft Zentralklinik übernommen, deren Chef derzeit BDO-Mann Claus Eppmann ist.
Am Ende zahlt der Steuerzahler
Als zumindest nicht zutreffend erweisen sich die Aussagen von Landrat Weber und Oberbürgermeister Bernd Bornemann, dass die Haushalte der beiden Kommunen durch die Zentralklinik nicht belastet werden, da die Zentralklinik sich selbst tragen würde. Bereits nach einem halben Jahr beantragten beide SPD-Politiker jeweils eine Millionen € aus Haushaltsmitteln der Stadt Emden und des Landkreises Aurich, um das Gehalt von Geschäftsführer Claus Eppmann sowie weitere Planungskosten finanzieren zu können.
Der Kreisausschuss in Aurich hatte jedoch lediglich 200.000 € genehmigt. Landrat Harm-Uwe Weber kündigte damals an, das weitere Gelder benötigt werden. Bereits heute liegen der Kreisverwaltung Rechnungen vor, die beglichen werden müssen. Sollte ein Bürgerentscheid gegen die Zentralklinik erfolgreich sein, wären Einschätzung von Landrat Weber diese Gelder verloren.
Wachsende Furcht vor Kommunalwahl und Bürgerentscheid
Der Konsortialvertrag, der rechtliche Fakten gegen die bestehenden Krankenhäuser schafft, müsste nach Empfehlungen von BDO-Legal nach § 34 aufgelöst werden, sollte ein Bürgerentscheid gegen die Zentralklinik erfolgreich sein. Wegen des Abstimmungsverhaltens von SPD-Kreistagsabgeordneten im Kreisausschuss, wurde die Einleitung eines Bürgerentscheids aus formalen Gründen abgewiesen.
Wortlaut zum freien download öffentlich:
Die Inhalte des Konsortial-Vertrages nach Vorgaben der BDO Legal
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