okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Das war nicht vorgesehen. Mitten im Wahlkampf veröffentlichte am vergangenen Wochenende der Internet-Blog „Ostfriesisches Klinik Journal“ eine Powerpoint-Präsentation mit rechtlichen Rahmenbedingungen zum sogenannten Konsortialvertrag zwischen dem Landkreis Aurich und der Stadt Emden. Geheimnisvolles ist darin wahrlich nicht zu entdecken, so bestätigt es auch Zentralklinik-Sprecher Claus Eppmann. Das Dokument vermittelt jedoch auf nachvollziehbare Weise, über welche rechtlichen Wege die bestehenden Krankenhäuser in Emden, Aurich und Norden in Perspektive aufgelöst und in die neue Trägergesellschaft Zentralklinik überführt werden sollen – inklusive des Hinweises, dass ein Bürgerentscheid gegen die Zentralklinik diesen Vertrag wirkungslos machen könnte.
Juristisches Kunstwerk von Profihand gemacht
Für Fachjuristen des Kommunalrechts sind solche Vertragswerke wahre Kunstwerke, ersonnen und aufgeschrieben von den Profis der BDO-Legal. Das juristische Meisterstück ”Konsortial-Vertrag” besteht letztlich auch darin, den Einfluss der beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften auf die von ihnen bislang getragenen Krankenhausgesellschaften zu reduzieren. Da hat der Gesetzgeber etliche Hürden in den Weg stellt, die sauber zu umschiffen nicht trivial ist.
Das Ergebnis ist dagegen sehr pragmatisch, denn Claus Eppmann würde nach Unterzeichnung dieses Vertrages zum Chef der Krankenhäuser werden. Ein Titel, der ihm medial bereits zugesprochen wird ohne es de jure zu sein. Korrekter Weise nennt er sich deshalb auch weiterhin ”Sprecher der Geschäftsführung”.
Die beiden Klinikchefs in Emden und Aurich hätten nach der Vertragsunterzeichnung in der Tendenz eher Nebenrollen. Ihre Hauptaufgabe hat es zu sein, sich selbst und ihre Häuser zu ”optimieren” – sprich – letztlich abzuwickeln. Das Eppmann mit den beiden „auf gleicher Augenhöhe“ und „kollegial“ umzugehen gedenkt, versteht sich dabei von selbst und wird man erwarten dürfen. Gleichwohl – rein rechtlich betrachtet – wird Eppmann künftig der Chef im Ring.
Misstrauen bei Politik hinter verschlossenen Türen
Dabei wird er vor allem eines zu machen haben, die drei Krankenhäuser so ”zu schleifen”, dass sie ”zentralklinikreif” werden. Das ist unter der Maßgabe ”wir wollen die Zentralklinik” schlichtweg notwendig. Drei strukturell defizitäre Krankenhäuser auf der Grünen Wiese gewissermaßen ”übereinanderzustapeln” und zu hoffen, dass sie von selbst gesunden, kann logischer Weise nicht funktionieren.
Das alles sollte allerdings zunächst hinter verschlossenen Türen ”kommuniziert” werden, weil – so die übliche Begründung – die zuständigen Gremien als erstes informiert werden sollten. Das ist natürlich eingehalten worden – denn erst 48 Stunden nach Zustellung des Dokuments an diesen erlauchten Kreis, bekam auch die Öffentlichkeit das Dokument via Internet präsentiert.
Das erinnert hoffentlich alle Akteure nochmals daran, dass sie letztlich nur Treuhänder einer öffentlichen Einrichtung sind – hier kommunales Krankenhaus.
Klare Ansage: Keine Rücksicht auf Wahl-Ereignisse nehmen
Eppmanns Ärgerlichkeiten darüber sind natürlich nachvollziehbar. Allerdings scheint er das mittlerweile über Jahre gewachsene tiefe Misstrauen gegenüber der hier sehr beliebten Politik hinter verschlossenen Türen zu unterschätzen und gießt auch nochmal Öl ins Feuer. „Wir haben hier eine Sacharbeit zu lösen“, betonte er und fügte hinzu, das man auf Wahltermine keine Rücksicht nehmen könne.
Die Ansage ist keineswegs eine im Ärger verunglückte Formulierung der Abteilung „Informationspannen“. Dafür ist Eppmann zu sehr Profi. Er spricht lediglich das aus, was Politiker nicht wagen zu sagen – auch wenn es die Wahrheit ist. Das er damit viel Unmut auf seine Person ziehen könnte, dürfte er wissen – doch letztlich würde sich ein solcher Unmut nur auf einen ”Pappkameraden” fokussieren. Eppmann agiert schließlich im Auftrag der politischen Führung im Landkreis und macht „nur“ seinen Job – wenn es sein muss, auch noch als „Schmutzfänger“ für wachsenden Unmut.
Nicht nur die Führungsgenossen im Landkreis Aurich dürften froh sein, ”einen Eppmann” zu haben, dem der Ruf vorauseilt, im Plattmachen von Widerständen ein fähiger Kopf zu sein – und Eppmann scheint derartige Herausforderungen durchaus zu schätzen.
Doch unabhängig von derart sportlichen Betrachtungsweisen, ahnen die politischen Führungen bereits, dass sich nach der Wahl die Mehrheitsverhältnisse im Kreistag und auch im Rat der Stadt Emden ändern und damit das Projekt Zentralklinik gefährdet werden könnte. Deshalb war auch beabsichtigt, den Konsortialvertrag noch unter den gegebenen Mehrheitsverhältnissen zeitnah einzutüten. Das hätte ohne die Veröffentlichung vermutlich niemand mitbekommen und dürfte nun schwieriger werden.
Ausgeschlossen ist es jedoch nicht.
Politisches Handwerk im Fokus
Anders als die meisten Bürger glauben, endet die Legislatur des noch amtierenden Kreistages nicht etwa am Tag nach der Wahl, sondern exakt am 30. September 2016 um 0.00 Uhr. Genügend Zeit also, um beiden Hauptverwaltungsbeamten Harm-Uwe Weber (SPD) und Bernd Bornemann (SPD) unter noch gegebenen Mehrheitsverhältnissen und im ”politischen Abgang” nach der Wahl völlig legitim das ”go” für die Unterschrift unter den bereits fertigen Konsortialvertrag zu geben.
Sobald – legitimiert durch die alten politischen Gremien – die Unterschriften geleistet wären, ist die Sache gelaufen und der neue Kreistag in dieser Frage quasi ausgeschaltet – abgehakt und eingetütet. Hier sind eben doch Profis am Werk.
Sicher – man kann geteilter Auffassung darüber sein, ob die beanstandete Indiskretion im Wahlkampf ein schlechter Stil sei oder gerade das Gegenteil davon. Über das Motiv der „Verräter“ lässt sich ja nur spekulieren. Selbst die Redaktion OKJ kennt den oder die „Verräter“ nicht, da das Dokument auf Datenträger anonym per Post zugeschickt wurde.
Liegt Entscheidung über den Vertrag jetzt bei den neu gewählten Kommunal-Parlamenten?
Anzunehmen ist, das gewisse Kreise Wert darauf gelegt haben, dass die Genehmigung zur Unterschrift durch die beiden Gesellschafter und Hauptverwaltungsbeamten unter diesen Konsortialvertrag dem neu gewählten Kreistag bzw. dem Rat der Stadt Emden vorbehalten bleiben sollte – und das wäre – sollte es wirklich das Motiv sein – auch gut so. Dabei kann letztlich niemand voraussagen, wie die Wähler entscheiden werden und ob sich die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kommunalparlamenten tatsächlich ändern werden.
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