Aurich/Norden (okj) – Das Wahlergebnis der Kommunalwahl am 11. September wird wahrscheinlich keine Auswirkung auf die Entscheidungen zum Konsortial-Vertrag zwischen dem Landkreis Aurich, der Stadt Emden, den beiden Kliniken Ubbo-Emmius-Klinik gGmbh, dem Klinikum Emden sowie der Trägergesellschaft Zentralklinikum Aurich-Emden-Norden mbH haben. Dies bestätigte Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) der in Leer erscheinenden Ostfriesen-Zeitung.
Hintergrund: Die derzeitige Wahlperiode endet am 31. Oktober 2016. Erst danach konstituieren sich die Gremien, deren Vertreter am 11. September bei der Kommunalwahl gewählt wurden. Noch mit den sicheren Mehrheit dürfte der „alte Kreistag“ dem Vertrag der BDO-Legal am 29. September 2016 aller Wahrscheinlichkeit nach zustimmen.
Sichere SPD-Mehrheit soll Vertrag durchwinken
Landrat Weber (SPD) begründete diesen Zeitplan damit, dass diejenigen Politiker, die dem Vertrag zustimmen sollen, sich mit dem Thema befasst haben damit eingearbeitet sind. Das Aktionsbündnis Klinikerhalt, wie auch viele Bürger und dem Projekt kritisch gegenüberstehenden Kommunalpolitiker hatten verlangt, dass diese weichenstellende Entscheidung dem vom Bürger neu gewählten Kreistag vorbehalten bleiben müsse.
Offensichtlich füchte man, dass sich durch Wahlen die Mehrheitsverhältnisse im Kreistag ändern könnten und damit auf parlamentarisch demokratischer Basis die Realisierung der Vorhabens kritischer als bislang begleitet werde.
Sollten die beiden Hauptverwaltungsbeamten Harm-Uwe Weber (Aurich) und Bernd Bornemann (Emden) durch den alten Kreistag zur Unterschrift autorisiert werden, habe dieses rechtsverbindlichen Charakter. Der neu gewählte Kreistag könne dieses Vertragswerk nicht mehr „kassieren“. Kritisch sei auch, dass die Trägergesellschaft Zentralklinik als GmbH als einer der Vertragspartner de jure ein privatrechtliches Unternehmen ist.
Störfaktor Bürger
Nach Einschätzung von Beobachtern ist Zentralklinik-Chef Claus Eppmann weiter bestrebt, die Politik aus dem Verfahren weitgehend auszuschalten, da diese seiner Auffassung nach nicht genügend Fachkompetenz einbringe. Eppmann warb weiter dafür, die Gremien möglichst schlank und damit schlagkräftig zu halten. In einem Schreiben an die in Aurich erscheinenden Ostfriesischen-Nachrichten widersprach Eppmann allerdings diesem Eindruck. Die Politik werde auch im neuen Aufsichtsrat vertreten sein, erklärte der BDO-Mann.
Eppmanns Erklärungen in der Öffentlichkeit entsprechen allerdings den allgemeinen Einschätzungen, nach denen das deutsche Gesundheitswesen nur noch durch Marktgesetze reformierbar sei. Zu den schwierigsten Aufgaben gehöre es dabei, die vom Bundesgesetzgeber strukturell vorgebebene Marktbereinigung kleiner Krankenhäuser vor Ort durchzusetzen.
Gesundheitsmarkt als harter Verdrängungswettbewerb
Der Widerstand bei Bürgern und Teilen der Kommunalpolitik sei schwierig zu brechen. Dies rühre unter anderem daher, dass durch die Politik die Daseinsvorsorge im kommunalen Rahmen mittlerweile von einem „Versorgungssystem“ in einen „Gesundheitsmarkt“ umgewandelt worden ist. Besonders wirksam erweist sich dabei die unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführten Fallpauschalen, die 2009 ”scharf geschaltet” wurden.
Nach Angaben der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft gerieten seit dem rund Zweit-Drittel der kleinen Krankenhäuser in Niedersachsen in wirtschaftliche Schräglage.
Auf diesem Gesundheitsmarkt tobe derzeit ein beinharter Verdrängungswettbewerb, dem sich auch kommunale Krankenhäuser kaum noch entziehen können. Eppmann: „Früher war es so, dass die Großen die Kleinen schlucken. Heute schlucken die Schnellen die Langsamen“.
Zentralisierung für ländliche Regionen verkehrt
Nach Einschätzung des Aktionsbündnisses, verfolge die hiesige Kommunalpolitik unter SPD-Führung eine von Fachleuten für ländlichen Regionen längst als falsch erkannte Krankenhaus-Politik, die konsequent auf „marktbereinigung“ und Zentralisierung setze. Allerdings hätte gerade im Flächenland Niedersachsen kleine, wohnort- und bürgernahe Krankenhäuser eine besondere Bedeutung. „Wir brauchen auch kleinere Krankenhäuser der Grundversorgung in der Fläche“, erklärte Ministeriumssprecherin Heinke Träger. Kritik am Konzept einer Klinikkonzentration hat auch der stellvertretende Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Marten Bielefeld: An Krankenhäusern ohne Spezialisierung sei eine Facharztausbildung nicht mehr möglich. Wenn Kliniken in der Fläche nur eine Notfallversorgung anböten, geriete dort die Qualität wegen der geringeren Zahl von Patienten unter Druck.
Von Kommunalpolitikern in allen ländlichen Regionen müsse man erwarten dürfen, dass sie die spefizischen Anfordungen der Gesundheitsfür- und künftig vor allem auch Nachsorge von ”unten nach oben” vertreten – auch wenn die, vor allen in Metropolen ”gemachte Gesundheitspolitik”, auf ländliche Regionen nicht übertragbar ist.
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