Aurich/Emden/Norden (okj) – Die für heute (29.09.) beabsichtige Zustimmung des Auricher Kreistages und des Rats der Stadt Emden zu einem sogenannten Konsortialvertrag wirft erhebliche kommunalrechtliche Fragen auf. Beabsichtigt ist unter anderem, dass die bestehenden Klinikgesellschaften für ein Euro an die „Zentralklinik Aurich-Emden-Norden GmbH“ übernommen wird. Wie Engelbert Smit vom Aktionsbündnis in Norden am gestrigen Mittwoch (28.09.) mitteilte, ist laut Gesellschaftervertrag eine solche Übernahme erst für den Zeitpunkt der Fertigstellung des Zentralklinikums vorgesehen. Schon aus diesem Grunde dürften die Regelungen unzulässig sein, sofern nicht auch der Gesellschaftervertrag geändert ist, betonte Smit.
Kommunalrechtlich ”glattes Parkett”
Das Aktionsbündnis hatte den Konsortialvertrag kurz nach dessen unerwünschter Veröffentlichung auch dem Rechtswissenschaftler Professor Dr. Thorsten Koch in Osnabrück vorgelegt. Koch lehrt an der dortigen Universität Kommunalrecht. Das Urteil des Juristen fiel anschließend vernichtend aus.
Krankenhäuser in Privatrechtsform zu betreiben, ist im Sinne von § 136 Abs. 3 Nkom VG nur dann zulässig, „wenn ein wichtiges Interesse der Kommune dran besteht und wenn in einem Bericht zur Vorbereitung des Beschlusses der Vertretung (§ 58 Abs. 1 Nr. 11) unter umfassender Abwägung der Vor- und Nachteile dargelegt wird, dass die Aufgabe im Vergleich zu den zulässigen Organisationsformen des öffentlichen Rechts wirtschaftlicher durchgeführt werden kann“.
Ein solcher Bericht sei offensichtlich nicht vorgelegt worden. Damit wäre der Vertragsabschluss schon aus formellen Gründen nicht zulässig.
Weber: Bedenken entbehren jeglicher Grundlage
In einer ersten Stellungnahme zu diesem Einwand teilte Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) mit, dass diese Bedenken jeglicher Grundlage entbehren. Das Aktionsbündnis verkenne die Tatsache, dass die Krankenhäuser schon seit Jahren in privater Rechtsform betrieben werden und entsprechend in dieser Rechtsform zusammengeführt werden sollen.
Eine ausführliche Abwägung der Vor- und Nachteile der Rechtsformen sei bereits vor mehr als zehn Jahren bei der Gründung der gemeinnützigen GmbH der Ubbo-Emmius-Klinik vorgelegt worden, sagte Weber auf Nachfrage der in Aurich erscheinenden Tageszeitung „Ostfriesische Nachrichten“.
Aktionbündnis: Webers Einlassungen ”grob neben der Spur” – Landrat vernebelt wesentliche Gesichtspunkte
Webers Einlassungen wurden noch am gleichen Abend vom Aktionsbündnis als „grob neben der Spur und außerhalb des ernsthaft diskussionswürdigen“ bewertet. Wie Rechtswissenschaftler Dr. Thorsten Koch inzwischen mitteilte, helfe es nicht auf Diskussionen von vor zehn Jahren zu verweisen, da hier eine Neugründung anstehe.
Diese müsse gesondert geprüft werden. Im Übrigen ersetze eine ausführliche Diskussion des Für und Wider nicht die kommunalverfassungsrechtlich erforderlichen Schritte. Das sollte ein Landrat wissen. Hier werde gezielt versucht, wesentlichen Gesichtspunkte zu vernebeln.
Zu diesen gehöre auch, dass nach Maßgabe des kommunalen Wirtschaftsrechts das Vorhaben Zentralklinik in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der beteiligten Kommunen stehen muss. Hierbei berücksichtige der Gesetzgeber nicht die Erwartung auf mögliche Zuschüsse durch das Land Niedersachsen. Eine im Sinne des Gesetzes geforderte Angemessenheit ist – soweit ersichtlich – sei bislang nicht dargelegt worden.
Veräußerung bestehender Krankenhäuser bei Kommunalaufsicht nicht nur ”anzeigepflichtig”
Durch die im Konsortialvertrag vorgesehenen Rechtsgeschäfte verlieren die beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften ihren Einfluss auf die von ihnen bislang getragenen Krankenhausgesellschaften. Nach § 148 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG sind Rechtsgeschäfte, durch die die Kommune ihren Einfluss auf das Unternehmen verliert oder mindert, nur bei Vorliegen eines wichtigen Interesses der Kommune zulässig. Dieses wichtige Interesse aus der Perspektive der jeweiligen Kommune ist bislang ebenfalls nicht entsprechend dargelegt worden. Auch aus dem Konsortialvertrag selbst ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorgaben beachtet wurden. (wobei § 137 Abs. 1 Nr. 2 bis 8 NKomVG wiederum entsprechend anzuwenden sind)
Nach § 152 Abs. 2 NKomVG bedarf die Entscheidung über die Veräußerung einer Eigengesellschaft der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht. Soweit die Beteiligten die Auffassung vertreten, dass die im Konsortialvertrag vorgesehenen Maßnahmen gleichwohl nur anzeigepflichtig sein sollen, kann dem nicht gefolgt werden. Dem steht entgegen, dass die beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften nur und die jeweilige kommunale Trägerschaft an den bestehenden Krankenhausgesellschaften aufgegeben werden soll.
Jurist rät dringend ab, einen rechtswidrigen Vertrag zu beschließen
Auf Nachfrage der in Leer erscheinenden Tageszeitung Ostfriesen-Zeitung (OZ) riet Koch dringend davon ab, einen rechtswidrigen Vertrag zu beschließen. „Das fällt einem am Ende zentnerschwer auf die Füße“ , so Koch in der OZ. Es könne sogar sein, dass der Auricher Landrat Harm-Uwe Weber und der Emder Oberbürgermeister Bernd Bornemann (beide SPD) bei etwaigen Schadenersatzansprüchen Dritter persönlich haften müssten, „wenn sie sehenden Auges einen rechtswidrigen Vertrag unterschreiben“.
Abgewählte Kommunalparlamente nicht berechtigt zu entscheiden?
Koch äußerte zudem Zweifel, ob es zulässig ist, dass die bereits abgewählten Kommunalparlamente – der jetzige Auricher Kreistag und der jetzige Emder Rat – eine solche Grundsatzentscheidung treffen. „Als unbeteiligter Bürger stört mich die Hektik“, fügte der Jurist an.
Kritisch bewertet das Aktionsbündnis auch, dass in dem Konsortialvertrag rechtsverbindlich festgelegt wird, dass beide Kommunen aus ihren Haushaltsmitteln insgesamt 12,5 Mio. Euro für Planungskosten bereitzustellen haben. Sollten diese Mittel nicht ausreichen, sind sie nach § 15 verpflichtet, „unverzüglich Gespräche über mögliche Lösungen für diesen zusätzlichen Finanzbedarf aufzunehmen“.
Für 12,5 Mio. Euro Planungskosten fehlt Haushaltsermächtigung
Ohne eine entsprechende Haushaltsermächtigung, könne der noch amtierende Kreistag dieser Verpflichtung allerdings nicht ohne weiteres zustimmen, erklärte Smit. Rein haushaltsrechtlich sei deshalb eine Haushaltsermächtigung durch die zuständigen Gremien erforderlich – für den Landkreis Aurich in einer Größenordnung von 6,25 Mio Euro. Sollten entsprechenden Vorkehrungen auch im Emder Haushalt nicht getroffen seien, gelte gleiches auch für den Rat der Stadt Emden, erklärte Alfred Schmidt vom Aktionsbündnis Klinikerhalt in Emden.
Der Kreistag in Aurich, wie auch der Rat der Stadt Emden wären gut beraten, die Entscheidung über den Konsortialvertrag zu vertagen und die aufgeworfenen Rechtsfragen in gebotener Sorgfalt prüfen zu lassen, sagte Schmidt. Im übrigen schließe man sich den Stimmen vieler Abgeordneter an, die mittlerweile die Auffassung vertreten, dass eine solche weit- und folgenreiche Entscheidung den von den Bürgern bei der Kommunalwahl am 11.9. neu gewählten Kreistag und Emder Rat zu überlassen sei.
Im Wortlaut:
Juristische Einordnung des Konsortialvertrages nach NKomVG
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