Aurich (okj/ro) – Der Bürger ist in der Mitsprache beim Thema Gesundheitsversorgung offenbar nicht erwünscht. Dies sagte Margitta Schweers in der am vergangenen Sonntag (25.06.) bei Radio Ostfriesland ausgestrahlten Sendung „Das Sonntagsgespräch“.
In der Sendung, die sich mit den Folgen des Bürgerentscheids am 11. Juni 2017 befasste, sprachen Margitta Schweers, der ehemalige Wiesmoorer Kreistagsabegeordnete Wolfgang Sievers (FDP), die Krankenschwester Monika Sonnenberg aus Emsdetten und der Vorsitzende der Emder Wählergemeinschaft „Gemeinsam für Emden“ (GfE) Hinderikus Broer über die aus Bürgersicht notwendigen Anforderungen an die Gesundheitsversorgung der Menschen im Flächenland Niedersachsen und ländlichen Regionen.
Im Landkreis Aurich und der Stadt Emden sollten die Bürger entscheiden können, ob die bestehenden Krankenhäuser in Emden, Norden und Aurich erhalten bleiben sollen.
Im Landkreis Aurich stimmten 54,68 % der Menschen mit Nein und somit gegen die Krankenhäuser in Norden und Aurich. Dagegen hatte sich in Emden 61,92 % der Menschen für den Erhalt ihres kommunalen Krankenhauses ausgesprochen.
Damit ist die geplante Zentralklinik in Georgsheil an einem Bürgerentscheid gescheitert.
Sendungsmitschnitt
(Teil 1) | Wahlanalyse | Thema Notfall-Ambulanz | Politische Reaktionen Einladung ”Runder Tisch” |
(Teil 2) | Statement Hinderikus Broer (GfE) | Was ist Raumordnung | Themen für den Runden Tisch ? |
SPD/CDU im Kreistag: Politisches Dauerrülpsen
Krankenhaus und Gesundheitspolitik ist ein Thema, welches vorrangig die Bürger betrifft, sagte Schweers in der Sendung. Schweers hatte in der Einwohnerfragestunde am 22. Juni im Auricher Kreistag einen sogenannten „Runden Tisch“ vorgeschlagen. SPD und Teile der CDU-Fraktion reagierten darauf mit deutlichen Missfallens-Bekundungen. CDU-Fraktionsvorsitzender Hilko Gerdes rief, das können sie sich an den Hut stecken.
Tumult vor allem auch bei der SPD, die überwiegend mit einer von bauchgefühlt wütenden Geräuschkulisse auf diese Einladung einer Bürgerin reagierten. Wie aus Kreisen des Aktionsbündnisses verlautet, haben der CDU-Abgeordnete Hilko Gerdes und vor allem SPD-Fraktionsvorsitzender Jochen Beekhuis mal wieder einen ”tollen Beitrag” zur wachsenden Politiker- und Parteienverdrossenheit abgeliefert. Eine peinliche Aufführung im immerhin höchsten politischen Organ des Landkreises.
Im Norddeutschen Rundfunk erklärte Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt, Bürgerentscheide seien sicherlich ein Gewinn für die Demokratie. Gesagt sein müsse, dass bei solchen Entscheidungen die Bevölkerung sehr frühzeitig mit einzubeziehen sei, betonte die Ministerin.
Kommunalpolitik als Gutsherren-Show
Monika Sonnenberg vom Bündnis pro Krankenhäuser wohnortnah berichtet, das bundesweit Kommunalpolitik die Bürger bei der Entscheidung Krankenhäuser schließen wollen, nicht einbeziehen. Das beträfe unter anderem das Krankenhaus in der Stadt Künzelsau im Nordosten Baden-Würtembergs.
Erst nachdem beschlossen wurde dieses Krankenhaus zu schließen, wollte man mit den Bürgern sprechen. „Die sind da auf den Barrikaden“, sagte Sonnenberg. GfE-Vorsitzender Hinderikus Broer erklärte, auch Kommunalpolitik müsse lernen, dass die Zeiten vorbei seien, wo man noch Politik nach Gutsherrenart betreiben konnte.
Nur ein Streit ums liebe Geld ?
Überall werde beim Thema Krankenhaus der zweite Schritt vor dem ersten gemacht, betonte Sonnenberg. Dabei werden Krankenhäuser geschlossen ohne das man genau weiß, wie die Notfallversorgung laufen soll. Dafür gäbe es auch keine Lösung. Seit fast 30 Jahre streite man sich darum, ambulante und stationäre Behandlung enger zu verzahnen. Das allerdings funktioniere nicht, weil diese Behandlungen auch zwei unterschiedlichen Töpfen bezahlt werden.
Überall wollen die Menschen ihre kommunalen Krankenhäuser erhalten. Dies werde für die Kommunen jedoch immer schwieriger, weil alle Bundesländer ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und seit Jahren in diese Krankenhäuser nicht investiert worden ist. Kommunalpolitik müsse lernen die Interessen der Bürger von unten nach oben auf Landes- und auch Bundesebene Gewicht zu verschaffen.
Bürgerentscheid in Ostfriesland Signal für Bundespolitik
Dabei habe es Kommunalpolitik schwer, sich gegen Landes- und Bundespolitik durchzusetzen. Der Bürgerentscheid in Ostfriesland sei allerdings ein deutliches Zeichen auch an die Bundespolitik, die gebotene Distanz zu diversen Interessenverbänden und Lobbyisten zu wahren und die Bürger vor Ort nicht zu vergessen. Dort sei derzeit eine Studie der Leopoldina Akademie der Wissenschaft die Leitlinie. Danach brauche man in Deutschland nur noch rund 330 Krankenhäuser. Derzeit gäbe es bundesweit noch 1956 Krankenhäuser.
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