von Jürgen Wieckmann
„Bürgerbegehren gegen Zentralklinik in Georgsheil wegen Formfehler vom Landkreis Aurich abgelehnt“. So lautete die Eilmeldung von Radio Nordseewelle am 28. Januar um 19:08. Was da über den Ticker lief, entsprach so gar nicht den Informationen, die dem Aktionsbündnis aus dem inneren Zirkel der Entscheidungsträger erzählt wurde.
Eilfertig bemühte man sich mitzuteilen, dass damit nicht gemeint sei, ein Bürgerbegehren generell verhindern zu wollen. Landrat Harm-Uwe Weber habe angeboten, den Initiatoren hilfreich beiseite zu stehen, damit ein formvollendetes Bürgerbegehren abgegeben werden könne. Im Rahmen der nun anlaufenden Wahrheitsfindungen, glühten beim Aktionsbündnis rund eineinhalb Stunden die Drähte. Gegen 20:37 lief eine entsprechende Fragestellung über den Ticker:
„Falschmeldung von Radio Nordseewelle?“
Nicht nur die journalistische Ehre ließ die Radioredaktion unverzüglich zurücktickern: „Die Kollegen der ON melden es genau wie wir. Keine Falschmeldung. Unser Reporter war auch direkt vor Ort. Wir haben die Meldung aktualisiert. Herr Weber sagte heute weiter, dass ein neuer Antrag gestellt oder gegen diesen Entscheid geklagt werden kann”.
Die Ursache der allgemeinen Verwirrung, findet sich im Kreisausschuss selbst.
Schon einige Wochen vor der Sitzung machte eine Art „Latrinenparole“ die Runde, nach der Befürworter der Zentralklinik die Verhinderung eines Bürgerbegehrens nur noch über Formalitäten sahen. Eine Information die a) plausibel erschien, b) in der Quellenangabe gesichert war und c) unabhängig davon auch noch von anderer Seite bestätigt wurde. Selbstverständlich ging die hiesige Presse dieser „Vermutung“ nach ohne wohl selbst damit zu rechnen, dafür eine offizielle Bestätigung zu erhalten.
Landrat Weber reagierte darauf so, wie ein Landrat zu reagieren hat. Zum einen, dass eine Prüfung rein formal und nicht politisch zu erfolgen habe und zum anderen, dass dieses Verfahren fair vollzogen werde. Damit bestätigte der Landrat lediglich eine vom Gesetzgeber vorgegebene Selbstverständlichkeit.
Unbestritten bleibt jedoch, dass Weber über das bevorstehende Bürgerbegehren nicht sonderlich erfreut sein kann. Ferner gibt es über die Auslegung der Gesetze immer Unterschiede – bisweilen sogar gewisse „Ermessenspielräume“.
Wäre es anders, könnte man die Gerichte abschaffen.
Zwischen politischer Interpretation und formaljuristischem Drahtseilakt
Entsprechend wagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Hilko Gerdes schon mal einen Vorstoß, mit der Erklärung, das Aktionsbündnis operiere mit falschen Zahlen und trage damit zur Verwirrung eher mal ”Irreführung” bei. Landrat Weber setze noch einen drauf und erklärte, das Aktionsbündnis habe lediglich die Investitionskosten berücksichtigt, jedoch nicht laufende Betriebskosten der bestehenden Krankenhäuser in Emden, Norden und Aurich.
Verärgert dürfte nicht nur der Landrat darüber sein, dass seitens des Aktionsbündnisses die offiziell vermuteten Baukosten für das Zentralklinikum von 250 Mio € bezweifelt werden und eher bei 320 Mio € liegen könnten – und das auf mehreren Seiten mit Zahlenmaterial des Landkreises begründet.
Natürlich: am liebsten wäre es dem Landrat, würde das Aktionsbündnis seinen Berechnungen folgen und dann dürfte das Zentralklinikum nur 60 Mio. € kosten. Das kann man den Bürgern natürlich auch verkaufen.
Dazu braucht man nur die mögliche Förderung durch das Land Niedersachsen in Höhe von 50 % vergessen und von den übrig gebliebenen rund 125 Mio. € die von der Stadt Emden zu zahlenden Hälfte abziehen. So kommt man entspannt auf die rund 60 Mio €. Natürlich kann man das so machen.
Dabei wird bekanntlich nur über Neubaukosten gesprochen. Was in die Infrastruktur für das Krankenhaus auf der Grünen Wiese zu bezahlen ist, geht – buchhalterisch gedacht – zu Lasten der Gemeinde Südbrookmerland. Nach Lesart des Landrats, nichts, was den Haushalt des Landkreis in irgendeiner Weise belasten könnte. Im Sprachgebrauch der Kreisverwaltung lautet ein Grund für die Abweisung: ”nicht auf den Landkreis heruntergebrochen”.
Das auf dieser Ebene der Bewertung die Gesundheitsaspekte der Bürger eher keine Rolle spielen, versteht sich dabei von selbst.
Dein Steuerzahler, das unbekannte Wesen
Nun ist es selbst auf dieser Ebene völlig unerheblich, wem die Kosten des Projektes mit welchen Brüchen auch immer aufgebürdet werden – dem Land Niedersachsen oder der Gemeinde Südbrookmerland. Am Ende des Tages sind es immer die Steuergelder der Bürger und eben diese Bürger sind es, die der Verschleuderung von Steuergeldern generell Einhalt gebieten wollen.
Besonders amüsant ist die Milchmädchen-Rechnung mit den auf die Gemeinde Südbrookmerland abgewälzten Kosten. Die wird sich zu gegebener Zeit beim Landrat noch bedanken, möglicherweise in dem sie ihren Anteil an der Kreisumlage zurückfährt – zurückfahren muss – und den Rest ihrer Finanznot durch Gebührenerhöhung oder Streichung finanzieller Unterstützung abfangen müssen, etwa für Vereine oder integrierte Gesamtschulen. Und wenn das alles nichts mehr nützt, gibt es – wieder auf Landkreisebene – immer noch die Möglichkeit, die Kreisumlage für alle zu erhöhen.
Man kann es sich also schön rechnen und mit diversen Spalten der Buchhaltung kunstvoll und kreativ herumjonglieren – wie immer man will: früher oder später kommen die finanziellen Belastungen in der einen oder anderen Form als Boomerang im Haushalt des Landkreises wieder an.
Ehrenrettung für das Milchmädchen
Bei derartigen Überlegungen muss man allerdings immer aufpassen, sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ein Milchmädchen zu beleidigen. Doch mittlerweile durchschaut der Bürger die verwirrenden Definitionen und die hohe Kunst der kreativen Buchführung. Es besteht also die Gefahr, dass nicht nur die Milch des Mädchens, sondern vor allem die Bürger sauer werden.
Genau das scheint angesichts der bevorstehenden Kommunalwahl sogar beim Kreisausschuss angekommen zu sein. Dort nämlich zeichnete sich ein Patt ab und zwar – man ist erstaunt – durch die Stimmen der CDU. Die von der Kreisverwaltung vorgelegte Beschlussempfehlung wollte man so nicht mit „unterschreiben“. Für Landrat Harm-Uwe Weber eine äußerst unangenehme Lage, denn seine Stimme wäre dadurch die ausschlaggebende gewesen.
Die wohl der Wahrheit am nächsten kommende Überschrift zur Entscheidung des Kreisausschusses wählte ON-Chefredakteur Stephan Schmidt:
Zwischen „grotesk“ und „salomonisch“.
Letztlich hat man sich wohl eine verquere Lösung ausgedacht, die im Grunde einer Vertagung gleichkommt. Noch am gleichen Abend rief Landrat Weber den Mitunterzeichner des Antrags, Jürgen Reiß an. Das Angebot lautete – im Duktus: lasst uns erst mal miteinander reden, wir sagen Euch, was ihr noch zu beachten habt – und dann wird über den von Euch nachgebesserten Antrag erneut entschieden.
Dieser Anruf und diverse Interpretationen was der Landrat wohl gemurmelt haben könnte, löste in Teilen des Aktionsbündnisses erneut Irritation aus. Eines steht schließlich außer Zweifel – der Kreisausschuss hat das Bürgerbegehren de fakto und de jure abgewiesen. Doch diese Tatsache, von den Medien berichtet, ersetzt natürlich nicht den offiziellen Bescheid in schriftlicher Form – inklusive der jedem Bürger geläufigen Rechtsmittelbelehrung. Etwa, dass dem Antragsteller nach § 37 der Niedersächsischen Kommunalverfassung Hilfe beim Einleiten von Verwaltungsverfahren durch die Kreisverwaltung verpflichtend vorschreibt.
Nun mag Landrat Harm-Uwe Weber ein netter Kerl sein, mit dem freundlichen Bemühen den Gesprächsfaden mit dem Aktionsbündnis auf höchster Ebene einzuleiten. Dass das erst nach fast über einem Jahr geschieht, kann man bewerten wie man will – es ist bedeutungslos.
Gleiches gilt für Erzählungen und Interpretationen über Inhalte des erwähnten Telefonats zwischen Landrat Weber und dem offiziellen Vertreter des Aktionsbündnisses. Irrelevant sind auch Meldungen aus der Medienwelt – sogar, ob es sich nach Einschätzungen der Leserschaft um eine Falsch- oder Richtigmeldung handelt. Die Einleitung eines Bürgerbegehrens ist nunmal ein rein verwaltungsrechtliches Verfahren. Für dieses gelten bestimmte Spielregel – und die sind andere, als hintergründige politische Gespräche – oder gar „deals“ im vielleicht auch gemeinsamen Interesse einer Problemlösung.
Schon gar nicht steht hier noch zur Debatte, ob ein Zentralklinikum sinnvoll sein könnte oder auch nicht. Hier gehen die Auffassungen bekanntlich unversöhnlich auseinander und weil das so ist, soll die Entscheidung in die Hand des Bürgers gelegt werden. So einfach ist das.
Alle Informationen sind zugänglich
Die vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Hilko Gerdes verbreitete Auffassung, das Aktionsbündnis operiere mit falschen Zahlen, mag seine Einschätzung sein. Ob diese Einschätzung zutreffend ist oder nicht, kann jeder Bürger selbst überprüfen – zum Beispiel auf den Internet-Seiten
http://zentralklinikum-georgsheil.com/,
die von den Befürwortern des Vorhabens betrieben wird. Auch auf den Seiten des Landkreises kann sich der Bürger umfassend informieren. Im social-media gibt es gleich mehrere Online-Foren – darunter auch eines welches sich Pro Zentralklinik positioniert hat – und sogar eines von den Kritikern selbst betriebenes ”Pro und Contra”.
Nun ist es in der Politik üblich, vom mündigen Bürger zu sprechen, wenn dieser den eigenen Vorstellungen folgt – ihn aber als „bauchgefühlt“ und „uninformiert“ zu betrachten- ihn gar in die Ecke eines ahnungsbefreiten Dummerchens zu stellen, wenn er den eigenen Vorstellungen nicht zu folgen gedenkt.
Winkeladvokaten brauchen die kurze Leine
Derartige Urteile unterliegen grundsätzlich der jeweils vorherrschenden Definitionsmacht. Dank Internet, wird diese zunehmend gebrochen – was die Bürger allerdings vor die nicht zu unterschätzende Aufgabe stellt, sich in Sachverhalte und deren Beurteilung aus verschiedenen Sichtweisen einlesen zu müssen – auch solche, die zweifelsfrei komplex und verwirrend sein können.
Auch das angeblich aus der Mode gekommene „Zeitung lesen“ ist bei eigenständiger Beurteilung höchst hilfreich. Das Informationszeitalter ist eben nicht nur für sogenannte Entscheidungsträger ein anstrengendes.
Die Politik wäre also gut beraten, die Winkeladvokaten bei der formaljuristischen Bewertung des Antrages auf ein Bürgerbegehren an die kurze Leine zu nehmen. Es wäre sogar ratsam, sich beim zwar noch geltenden, aber bereits zur Abschaffung vorgesehenen Kostendeckungsvorschlag nicht all zu pingelig anzustellen. Nach diesem Recht, muss ein Bürgerbegehren eine kostendeckende Alternative enthalten.
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Gesetzgeber
Niemand wird bezweifeln können, dass dies sinnvoll ist. Zumindest dürfte jedem einsichtig sein, dass ein Bürgerbegehren, nach dem der Landrat verpflichtet werden könnte, zwei mal im Jahr für den gesamten Landkreis Freibier auszugeben, nicht im Sinne des Gesetzgebers ist – wobei man annehmen darf, dass für ein solches Bürgerbegehren eine breite Mehrheit nicht auszuschließen ist.
Gleichwohl hat die politische Praxis gezeigt, dass dieser begrenzende Passus all zu gerne dazu verwendet wird, um ernsthaft gemeinte Bürgerbegehren an die Wand zu setzen. Eine Art rechtlich abgesicherter „Mißbrauch“, für den man sogar ein gewisses Verständnis aufbringen kann. Schließlich sind Bürgerbegehren für Entscheidungsträger eine überaus lästige Angelegenheit.
Doch genau das sollen sie auch sein. Das es überhaupt bis zu einem Bürgerbegehren hat kommen müssen, hat allerdings tiefere Ursachen.
Entscheidung gefällt – Parlament muss abnicken ?
Schon bevor die Öffentlichkeit über die Pläne Zentralklinik informiert wurde – das Thema also noch hinter verschlossenen Türen im kleinen Klüngel erörtert wurde – hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Wiard Siebels nach eigenen Bekunden, dem „Harm-Uwe“ nahegelegt, von ersten Tag an die Bürger offensiv in das Verfahren mit einzubinden.
Dem Landrat, dem aus den eigenen Reihen ein Politikstil „nach Gutsherrenart“ nachgesagt wird, scheint diesen Hinweis seines Genossen in der Bedeutung wohl unterschätzt zu haben. Dem Vernehmen nach, sollen selbst Insider „von den Socken“ gewesen sein, als der Landrat eine Besprechung im Emder Rathaus einberief und den erstaunten Teilnehmern aus Aufsichtsrat, Betriebsrat und zuständigen Gremien erklärte, dass man eine Zentralklinik haben will.
Fast hatte man den Eindruck, Emdens Oberbürgermeister und der Auricher Landrat wären nachts durch die Kneipen gezogen, hätten sich „unter guten Freunden“ gegenseitig ihr Leid mit den durchaus realen Problemen ihrer Krankenhäuser geklagt – und frei nach der Devise, die besten Ideen hat man beim gepflegten Bierchen (gerne dürfen es auch ein paar mehr sein) spontan, das Ding mit der Zentralklinik ersonnen.
Mehr Demokratie wagen?
Das kann man sich durchaus amüsant vorstellen. Die Wahrheit ist natürlich eine andere. Solche Großprojekte werden von langer Hand „vorab eingetütet“ – durchsondiert und abgeprüft – und zwar bevor sie in ein offizielles parlamentarisches Entscheidungsverfahren gehen.
Soweit so gut – normal und professionell. Kritisch wird es allerdings, wenn man anschließend sogar noch dem Parlament vorgaukelt, es hätte auf relevanter Basis noch mitzureden – die Dinge wären noch ”entscheidungsoffen”.
So wurde selbst dem UEK-Aufsichtsrat gegenüber der Eindruck vermittelt, dass man doch ruhig mal eine Alternative prüfen könne, also, ob das mit der Zentralklinik vielleicht sinnvoll sein könne. Kostet auch nicht viel. Nun ja, wer will denn schon jemanden verweigern über neue Lösungswege nachzudenken und dieses Nachdenken auch prüfen zu lassen – jedenfalls dann, wenn man dabei im Glauben gelassen wird, dass sei letztlich noch tendenziell unverbindlich.
Gleiches widerfuhr dann aber auch dem Kreistag, von dem letztlich ”nur” erbeten wurde, das man prüfen lassen darf, ob eine Zentralklinik in Georgsheil überhaupt machbar sei. Auch das lässt sich – seriöser Weise – nicht gleich in Bausch und Bogen ablehnen oder gar verwerflich finden.
Dann plötzlich tauchte ein Trägerschaftsvertrag auf, dem der Kreistag ebenfalls zustimmen sollte, sogar müsste, da er unabdingbare Voraussetzung sei, um überhaupt Fördermittel in Hannover beantragen zu können, so begründete es der Landrat.
Salamitaktik wie aus dem Lehrbuch
Den SPD-Fraktionsmitgliedern im Kreistag war spätestens jetzt klar, was hier gespielt wird – eine Salamitaktik, wie aus dem Lehrbuch. Kritikern in den eigenen Reihen, bläute der SPD-Fraktionsvorsitzende und webertreue Jochen Beekhuis dann auch ein, wer A sage, müsse jetzt auch B sagen.
Nur der Abgeordnete Helmut Roß verweigerte die eingeforderte Fraktionsdisziplin und stimmte gegen den Vertrag – wofür er sich dann auch einige wohl unschöne Vorwürfe aus den eigenen Reihen anhören musste. Auch in der SPD geht man mit sogenannten Abweichlern nicht zimperlich um, vor allem dann nicht, wenn es die eigene Machtbasis gefährden könnte.
Die nächste „dicke Scheibe“ der Salami, versuchte Landrat Weber dem Kreisausschuss abzutrotzen.
Eine Mio € wollte er bewilligt haben, da bereits etliche Kosten für die Planungen der Zentralklinik angefallen wären – und weitere vor der Tür stehen. Auch hier stand der Kreisausschuss mit dem Rücken an der Wand. Fakt ist: die zu bezahlenden Rechnungen liegen bereits auf dem Schreibtisch. Letztlich kann der Kreisausschuss gar nicht ablehnen, es sei denn, er würde es zulassen wollen, dass der Landkreis die Rechnungen erbrachter Leistungen einfach nicht bezahlt.
Spätestens jetzt platzte wohl auch dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Hilko Gerdes der Kragen. Der Kreisausschuss genehmigte von der beantragten eine Millionen lediglich 200.000 €, so das der Landkreis die aufgelaufenen Rechnungen für Planungskosten bezahlen kann. Nicht mehr und nicht weniger.
Der Landrat trugs mit Fassung, schließlich weiß er genau, dass weitere Kosten ins Haus kommen – und auch die müssen bezahlt werden. Das war nur der Anfang. Der durchaus ehrenwerte Widerstand von Gerdes hatte letztlich nur einen symbolischen Wert.
Man merkt die Absicht und ist verstimmt
Nun mag „Salamitaktik“ in politischen Entscheidungsprozessen ein profanes Mittel sein. Es gehört zum professionellen Handwerkszeug und sei jedem zugebilligt. Wer so arbeitet, wird sich allerdings auch gefallen lassen müssen, dass bei einer so tiefgreifenden Entscheidung, die absehbar die Krankenhauslandschaft in Ostfriesland einschneidend verändern wird, die Salamitaktik durchschaut und von den Bürgern nicht gebilligt wird.
Erst recht, wenn man – erst auf der Druck der Öffentlichkeit – die eingeforderte Bürgerbeteiligung mit einer Reklameveranstaltung für die Zentralklinik verwechselt. So geschehen im April des vergangenen Jahres mit den sogenannten Informationsveranstaltungen. Hier fehlte nur noch eine Musikkapelle und die Medienshow wäre als „Infotainment-Konzept“ nahezu perfekt gewesen. Bürgerbeteiligung sieht jedenfalls anders aus.
Selbst Befürwortern einer Zentralklinik wird das durchaus robuste Agieren des Landrats zunehmen unheimlich. Mit aller Macht soll die Zentralklinik durchgesetzt werden.
Das allerdings dürfte nach Lage der Dinge nicht ganz so glatt durchgehen, wie es sich Landrat Harm-Uwe Weber wohl hätte wünschen können. Dass dem Bürgerbegehren stattgegeben werden wird, steht eigentlich nicht wirklich in Frage. Ein paar formaljuristische Fingerhakeleien gehören dazu – am Ende wird es einen Bürgerentscheid geben, der das Vorhaben erst mal auf Eis legen wird.
Auch das ist eine Wahrheit
Die bindende Wirkung des Bürgerentscheids gilt lediglich für zwei Jahre.
2018 kann der Kreistag oder ein dann amtierender Landrat das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen und die Bindung an den Bürgerentscheid sogar aufheben. Letztlich ist dieser Bürgerentscheid nichts weiter als eine Art Pause – ein sogenanntes „Memorandum“. Verhindert wäre die Zentralklinik damit noch lange nicht, auch wenn einige Aktivisten das gerne glauben würden.
Gesprochen wird hier schließlich über ein Vorhaben, welches – sportlich geplant – erst 2021 ans Netz gehen wird. Eine Zeitplanung, die ohnehin nicht sehr realistisch ist. Das im Blick, würden sich selbst überzeugte Befürworter einer Zentralklinik keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn sie einem solchen Bürgerentscheid nicht im Weg stehen.
Ob mit oder ohne Zentralklinik – derzeit ist vor allem wichtig, dass die Kooperationsstrukturen zwischen der Stadt Emden und dem Landkreis Aurich realisiert werden. Drei wirtschaftlich am seidenen Faden hängende Krankenhäuser gesunden schließlich nicht allein dadurch, dass man die nun mal gegebenen Probleme auf einen gemeinsamen Haufen legt.
Selbst Befürworter einer Zentralklinik werden einsehen müssen, dass im ersten Schritt die bestehenden Häuser so aufgestellt werden müssen, dass sie den Haushaltspolitikern nicht den Schlaf rauben. Und das im Miteinander und nicht Gegeneinander. Allein das ist eine Herkules-Aufgabe und wird – das kann man garantieren – im Detail etliche Ärgernisse mit sich bringen.
Nachdenken erlaubt
Schlußendlich geht es in diesem Bürgerbegehren aber um mehr als nur um das formal eingeforderte Ja oder Nein zur Zentralklinik. Es geht um eine generelle Weichenstellung zur Frage ”eine zentrale Klinik” oder eine dezentral organisierte ostfriesische Krankenhaus-Landschaft als Verbundlösung.
Für beide Varianten gilt: der Weg wird nicht einfach sein. Niemand sollte glauben, dass die vom Aktionsbündnis auf lange Sicht favorisierte „gesamtostfriesische Lösung“ ein entspannter Waldspaziergang sein könnte. Andere Regionen zeigen, dass eine solche Lösung machbar ist – allerdings nur dann, wenn auch der politische Wille entsprechend gegeben ist. Das durchzustehen, ist nur machbar, wenn Kommunalpolitiker und Bürger gemeinsam dafür kämpfen.
Doch so lange hier Politiker an der Macht sind, die jeden Tag erneut den Eindruck hinterlassen, sich einer „Top-Downstrategie“ zu unterwerfen – und dabei den erklärten Willen „ihrer Bürger“ ignorieren – deren Haltung eher mal als „bauchgefühlte Befindlichkeitsstörung“ abqualifizieren, sind solche Konzepte, wie sie 2012 sogar vom Geschäftsführer des Emder Klinikums, Ulrich Pomberg vorgeschlagen wurden, ins Reich der Träumerei zu verbannen.
Statt dessen bleibt weiterhin das altrömische „Teile und Herrsche“ wirkungsmächtig. Leer gegen Aurich, Aurich gegen Emden, alle drei gegen Norden und Aurich gegen Wittmund. Auf diese Weise ist letztlich nur eines garantiert – am Ende des Tages verlieren alle – und vor allem die Bürger.
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