okj-Kommentar von Margitta Schweers
Hoch geht es her zum Thema „Mario Barth deckt Steuerverschwendung in Ostfriesland auf“. Politiker überschlagen sich, um möglichst drastisch darauf zu verweisen, dass das gezeigte Format überzogen und fehlerhaft sei. Man darf unterstellen, dass sie dieses nicht tun, um möglichst alle Bürger vor Fehlentscheidungen zu bewahren.
Vielmehr scheint es so, dass jedes Wort ein getarntes Wundenlecken im Vorwahlkampf ist. Barths Sendung wird als unausgewogen und fehlerhaft beschrieben, der Bürger wäre dadurch getäuscht worden. Dies dürfte die Botschaft sein, die man seitens der Entscheiderebene senden will.
Was ist passiert?
Bei aller Geduld, die man für die Parteivertreter aufbringen mag, fehlt dem Leser der Zeitungen der Verweis auf den Bürger. Es waren nämlich unzählige Bürger und mögliche Patienten, die sich an Mario Barth gewandt haben. Diese Bürger haben sich Hilfe versprochen, weil sie selber den Eindruck haben, als kleiner Wähler nichts mehr gegen Politiker und deren Pläne ausrichten zu können.
Und was ist das Resultat dieser Anstrengung?
Aus den Darstellungen wird klar, dass die Sendung verrissen werden soll. Dass der dumme Bürger gar nicht versteht, was für schwerwiegende Gründe die Politik „zwingen“, die Zentralklinik auf Biegen und Brechen durchzuziehen. In wenigen Wochen redet niemand mehr über dieses Sendung. Zurück bleibt der hilflose Bürger, der dann im wahrsten Sinne des Wortes wieder „der Dumme“ ist.
Vor knapp einem Jahr wurden in Aurich, Norden und Emden die Infoveranstaltungen von Landkreis Aurich und der Stadt Emden durchgeführt. Über die Info, die man dort gab, darf man sehr wohl sagen, dass sie alles andere als ausgewogen war. Dort wurde von der guten neuen Medizin geredet, die demnächst nur noch im Zentralklinikum zu erwarten sei.
Verschwiegen wurde allerdings, was dieses für Auswirkungen auf den Patienten haben wird. Vor allem aus ökonomischen Gründen geht es um immer kürzere Liegezeiten – entsprechend knapp bemessene Bettenzahl – gemeinhin als ”blutige Entlassung” umschrieben – und es geht auch um lukrative ambulante Operationen, die Geld bringen sollen. Der medizinische Fortschritt ermöglicht das – keine Frage.
Kranke Krankhäuser als Hauptpatient
Doch nicht erwähnt wurde die Betreuung des Patienten nach der OP. Deshalb sei die Frage gestattet, welcher Hausarzt gern, regelmässig und rechtzeitig die Nachsorge des Patienten vornehmen kann und will. Man nahm schon gar keinen Bezug zum Schlagwort „blutige Entlassung“.
Und auch die Pflege am Krankenhausbett wird gestrafft. Die Krankenhäuser werden bereits heute mit knappem Personalschlüssel betrieben. Das heisst auf Neudeutsch: Qualimix. Klingt gut, ist aber nicht gut. Mittlerweile kennt jeder die Problematik der gehetzten Krankenschwester und die Misere der Ärzte und Pflegehelfer.
Die guten alten Zeiten sind vorbei – das müssen auch die Mitglieder des Aktionsbündnisses feststellen. Trotz allem muss darauf bestanden werden, dass es vorrangig um den Patienten geht. Hier wird jedoch immer deutlicher, dass die Politik die betriebswirtschaftlich kranken Krankenhäuser zum Hauptpatienten machen. Die Bevölkerung jedoch wird zum zahlenden Zuschauer degradiert.
Ein Krankenhaus muss betriebswirtschaftlich arbeiten können, ein Krankenhaus muss Spezialfälle behandeln, die gut abrechenbar sind. Und wo bleibt der Patient, der nur leidige langfristige und unlukrative Krankheit vorzuweisen hat? Die Abteilungen der bestehenden Krankenhäuser sind voll von Patienten. Man kann vieles rationalisieren und reduzieren, was sich aber nicht wegrationalisieren lässt, ist der Mensch!
Bürgernähe als Wahlkampf-Gag?
Die Politik, ob auf Bundes- oder Kommulalebene, zäumt das Pferd von hinten auf. Dabei wäre es dringend notwendig, zuerst den Bedarf des Bürgers zu ermitteln und danach die Gesundheitsversorgung entsprechend anzupassen. Allerdings bedeutet dies Arbeit, Wissen und den Willen, wirklich etwas für den Bürger erreichen zu wollen.
Vielleicht gibt es ja mal eine TV Produktion über Ostfriesland, die das Thema „Politikverdrossenheit und Bürgernähe“ aufgreift. Hoffentlich wird das dann bei ARD oder ZDF ausgestrahlt und hoffentlich findet man dann auch einen Moderator, der den Politikern auch genehm ist.
Bis dahin bleibt dem Bürger übrig, seine Wahlentscheidung am 11.09.2016 davon abhängig zu machen, welcher Politiker seine Wünsche und seinen Bedarf vertreten will und kann.
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