Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Krankenhäuser: Kommunalpolitik in der Sackgasse

jwi_300okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann

Klei­ne­re Land­kran­ken­häu­ser las­sen sich nicht wirt­schaft­lich füh­ren und das ist so gewollt. Die bun­des- und lan­des­po­li­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen sind so kon­stru­iert, dass Kran­ken­häu­sern wie Emden und Nor­den aber auch Witt­mund und sogar Aurich sys­te­ma­tisch das Licht aus­ge­knipst wird. Dies ist kei­ne dump­fe Ver­schwö­rungs­theo­rie, son­dern erklär­tes Ziel. Ähn­lich wie in Däne­mark, sol­len auch in Deutsch­land alle Kran­ken­häu­ser zen­tra­li­siert wer­den. Fern­ziel sind etwa 330 Kran­ken­häu­ser im gan­zen Land. Der­zeit sind es noch 1956.

Kommunale Haushalte können Defizite nicht abfangen

Lei­der wird in Ost­fries­land – spe­zi­ell im Land­kreis Aurich – dafür der Blick meist ver­stellt. Dies weil es hier schwer­wie­gen­de Pro­ble­me gibt, die nicht nur bauch­ge­fühlt seit rund 15 Jah­ren wir­ken – und zwar weit­ge­hend haus­ge­mach­te.

Des­halb gerät jeder (lei­der zurecht) immer wie­der ins Abseits, wenn man auf die über­ge­ord­ne­ten Rah­men­be­din­gun­gen ver­weist, die bun­des­weit klei­ne Kran­ken­häu­ser sys­te­ma­tisch in die gewoll­te Insol­venz füh­ren. Kom­mu­na­le Haus­hal­te, kön­nen die­se Defi­zi­te auf Dau­er natür­lich nicht mehr abfan­gen. Das aber ist auch gewollt.

Wo immer Kran­ken­häu­ser geschlos­sen wer­den, regt sich bun­des­weit der Wider­stand der Men­schen. So auch in Ost­fries­land, wobei es hier ledig­lich gelun­gen ist, die geplan­te Zen­tra­li­sie­rung – zumin­dest für eine gewis­se Zeit – zu blo­ckie­ren. Wer glaubt, damit sei die Sache ”gewon­nen”, irrt gewal­tig.

Mit Bürgerbeschimpfung ist niemandem gedient

In den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren haben wir hier erle­ben müs­sen, wie die kom­mu­na­le Poli­tik nichts bes­se­res zu tun hat­te, als eine Art Bür­ger­be­schimp­fung zu betrei­ben.

Wer gegen Zen­tra­li­sie­rung ist, dem wur­de gesagt, blan­ken Popu­lis­mus zu betrei­ben, bauch­ge­fühlt und ahnungs­be­freit zu sein oder als ewig gest­ri­ger Fort­schritts­ver­wei­ge­rer letzt­lich dafür ver­ant­wort­lich zu sein, dass die Gesund­heits­ver­sor­gung in der Regi­on zusam­men­bre­chen wird – jeden­falls nicht mehr gewähr­leis­tet wer­den kön­ne.

Eine höchst dümm­li­che Polit-Pro­pa­gan­da, die ihren Höhe­punkt im Auricher Kreis­tag fand. Im Rah­men einer Ein­woh­ner­fra­ge­stun­de hat­te eine Nor­der Bür­ge­rin das Kom­mu­nal­par­la­ment zu einem soge­nann­ten ”Run­den Tisch” ein­ge­la­den. Die dort ver­sam­mel­te Mehr­heit, bölk­te die­se Ein­la­dung nie­der – der CDU-Kreis­tags­ab­ge­ord­ne­te Hil­ko Ger­des ver­stieg sich gar zu der Ansa­ge, man kön­ne sich eine sol­che Ein­la­dung ”an den Hut” ste­cken.

Hilflose Politikdarsteller

Rück­tritts­for­de­run­gen an die Adres­se der poli­tisch Haupt­ver­ant­wort­li­chen, sind in sol­chen Fäl­len die typi­schen Ritua­le in der Poli­tik. Der­ar­ti­ges mag kurz­fris­tig hel­fen, eine kochen­de Volks­see­le zu beru­hi­gen – doch erfah­rungs­ge­mäß ändert sich durch schlich­ten Per­so­nen­aus­tausch herz­lich wenig.

Dies, weil schlicht­weg igno­riert wird, dass sich Kom­mu­nal­po­li­tik und deren Prot­ago­nis­ten letzt­lich am unte­ren Ende der gesund­heits­po­li­ti­schen Nah­rungs­ket­te befin­den. Das gilt auch für den noch amtie­ren­den Auricher Land­rat, der nur aus der Frosch­per­spek­ti­ve wie ”Guts­herr” wirkt.

In Wirk­lich­keit ist er in die­ser Ange­le­gen­heit ein eher unbe­deu­ten­der Poli­tik­dar­stel­ler – und das macht er nicht ein­mal gut. Glei­ches gilt ten­den­zi­ell auch für den Emder Ober­bür­ger­meis­ter.

Die­ser beflei­ßig­te sich eben­falls einer per­ma­nen­ten Bür­ger­be­schimp­fung – ohne begrei­fen zu kön­nen, das gera­de er ein Bür­ger­vo­tum in der Tasche hat, wel­ches ihm auf Lan­des­ebe­ne ein poli­ti­sches Gewicht qua­si geschenkt hat, wel­ches sei­ne in Emden unter­ge­hen­de Sozi­al­de­mo­kra­tie weit­ge­hend ver­lo­ren hat.

Der Patient als ”König Kunde” ?

Ich hal­te herz­lich wenig von Sprach­re­ge­lun­gen, die soge­nann­te Gesund­heits-Öko­no­men den Men­schen auf die Hirn­rin­de schrei­ben wol­len. Bei denen gibt es kei­ne Ärz­te mehr, son­dern ”Gesund­heits­dienst­leis­ter”. Pati­en­ten wer­den zu ”Kun­den” gemacht. Mit letz­te­rem kann man sich unter ande­ren Vor­zei­chen anfreun­den.

Die Publi­zis­tin Rena­te Hart­wig for­dert seit Jah­ren, dass es in die­sem Gesund­heits­we­sen unver­zicht­bar wer­de, dass ”der Rie­se Pati­ent” auf­wacht. Die­se For­de­rung ver­zich­tet dar­auf, Bür­ger & Pati­en­ten gegen Ärz­te & Pfle­ge­kräf­te auf­zu­wie­geln – wie man es zum Teil als ”Stra­te­gie” eini­ger Nasen hier in Ost­fries­land erle­ben durf­te.

Die­se For­de­rung ist getra­gen von der Erkennt­nis, dass die­ses Gesund­heits­sys­tem schon der­art aus den Fugen gera­ten ist, dass eben nicht nur die Pati­en­ten dar­un­ter lei­den, son­dern auch jene, die unter wid­rigs­ten Bedin­gun­gen als Ärz­te und Pfle­ge­kräf­te ihren Beruf (bzw. auch Beru­fung) aus­üben müs­sen.

Hier­bei han­delt es sich um Sozi­al­be­ru­fe, auf die die Gesell­schaft ange­wie­sen ist – und deren pure Öko­no­mi­sie­rung eine schlicht­weg fal­sche Wei­chen­stel­lung ist – übri­gens nach­hal­tig ein­ge­lei­tet unter rot/grün der Regie­rung Schröder/Fischer.

Fehlender Respekt vor den Sozialberufen

Ärz­te­Zei­tung / 022 / 08.02.2012

Men­schen in Sozi­al­be­ru­fen haben für gewöhn­lich ein mehr oder weni­ger stark aus­ge­präg­tes ”Hel­fer­syn­drom”. Das macht sie oft auch ”hilf­los”, weil sie in ihrem Den­ken vor allem Men­schen hel­fen und sie nicht mit den Pro­ble­men behel­li­gen wol­len unter denen sie die­se Hil­fe leis­ten müs­sen.

Das lässt sich teil­wei­se sogar auf Kli­nik­chefs über­tra­gen, die wegen die­sem kran­ken ”Gesundheits”-System de fac­to zu Maß­nah­men nahe­zu genö­tigt und erpresst wer­den, die nicht nur aus rein medi­zi­ni­scher Sicht haar­sträu­bend sind.

Das Kli­nik­chefs beim hin­läng­lich oft beklag­ten Pfle­ge­not­stand aus­ge­rech­net Pfle­ge­kräf­te frei­set­zen, ist ein Vor­gang, der schlicht nicht mehr ver­mit­tel­bar ist. Das aller­dings ist nur eine eher klei­ne Facet­te eines Sys­tems, wel­ches selbst soge­nann­te Exper­ten für fehl­ge­steu­ert hal­ten – aber sie alle machen mit. Nur hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand, wird der Unsinn bekrit­telt. Das aller­dings ist weit­ge­hend bedeu­tungs­los. Es lässt aber viel­leicht den Schluss zu, dass es mög­li­cher­wei­se sinn­voll wer­den könn­te, das jene ”Gesund­heits­dienst­leis­ter” in Zukunft ver­stärkt auf die Soli­da­ri­tät ihrer ”Kund­schaft” ange­wie­sen sind.

Kommunalpolitischer Masochismus

Das allein wird es jedoch nicht brin­gen – wes­we­gen ein ver­schärf­ter Blick auf die hie­si­ge Kom­mu­nal­po­li­tik Not tut.

Mitt­ler­wei­le kann man kei­nem Kom­mu­nal­po­li­ti­ker mehr abneh­men, dass sie Freu­de dar­an hät­ten, Men­schen zu erzäh­len, dass bestehen­de Kli­ni­ken geschlos­sen und eine Zen­tral­kli­nik gebaut wer­den soll. Das ist bun­des­weit zu bemer­ken.

Da mag es Aus­nah­men geben – vor allem bei jenen, die einen gewis­sen Hang zum kom­mu­nal­po­li­ti­schen Maso­chis­mus haben.

Das aber ist von gerin­gem Inter­es­se – höchs­tens ein mög­li­cher­wei­se ”öko­no­misch lukra­ti­ver Fall” für den Stand­ort Nor­den, mit der dort bekann­ten Fach­kli­nik.

Kommunalpolitik braucht konstruktiven Druck der Bürger

Inso­fern liegt der Schlüs­sel dar­in, dass die hie­si­ge Kom­mu­nal­po­li­tik – hof­fent­lich noch recht­zei­tig – lernt, dass die erkann­ten Pro­blem­la­gen nicht mehr gegen die Bür­ger, son­dern nur noch mit ihnen gemein­sam ange­gan­gen wer­den kön­nen – was mit Sicher­heit kein Wald­spa­zier­gang ist.

Als ers­ter Schritt – und der ist so gut wie unver­zicht­bar – müss­ten sich die­se Kom­mu­nal­po­li­ti­ker eine ”etwas” ande­re Hal­tung erar­bei­ten – meint vor allem, nicht mehr ”Poli­tik von oben nach unten” exe­ku­tie­ren zu wol­len, son­dern von ”unten nach oben” zu agie­ren.

Das ist eigent­lich die ”Königs­dis­zi­plin” gera­de der Kom­mu­nal­po­li­tik, die im Gegen­satz zu ande­ren Ebe­nen der Poli­tik ”dicht” am Bür­ger ist – und damit eine bedeut­sa­me Funk­ti­on hat, um die von oben gebas­tel­ten Fehl­ent­wick­lun­gen zu kor­ri­gie­ren.

Krankenhäuser neu erfinden ?

Wenn das in den Köp­fen ange­kom­men ist – wird hof­fent­lich auch noch ver­stan­den wer­den kön­nen, das wir in länd­li­chen Regio­nen in gewis­ser Wei­se ”Kran­ken­häu­ser neu erfin­den” müs­sen. Das klingt mög­li­cher­wei­se nach ”phan­ta­sie­vol­ler Mär­chen­stun­de” – ist aller­dings das Gegen­teil davon.

Seit fast 30 Jah­ren hocken in irgend­wel­chen ”Grä­mi­en” – irgend­wel­che Funk­tio­nä­re und Inter­es­sen­ver­bän­de rum, die längst als rich­tig erkann­tes immer wie­der blo­ckie­ren. Gemeint ist die schon lan­ge über­fäl­li­ge Auf­he­bung eines völ­lig ana­chro­nis­ti­schen Abrech­nungs­sys­tems, wel­ches zwi­schen ambu­lan­ter und sta­tio­nä­rer Behand­lung unter­schei­det. Das Stich­wort hier lau­tet ”inte­grier­te Gesund­heits­ver­sor­gung”.

Die Funktionärskaste und das Gezocke um Milliarden

Das aller­dings wird die­se Funk­tio­närs­kas­te im Gesund­heits­we­sen nie im Leben aus sich selbst her­aus bewerk­stel­li­gen kön­nen. Die­se ist näm­lich dar­auf kon­di­tio­niert, die Inter­es­sen ihrer jewei­li­gen Grup­pie­rung zu ver­tre­ten und zu ver­tei­di­gen. Das ist schlicht­weg ihr Job – das müs­sen sie auch so tun. Das kann man denen nicht ein­mal vor­wer­fen.

Doch was bei die­sen Spiel­chen immer wie­der raus­kommt, ist letzt­lich nichts ande­res, als har­tes Gezo­cke um die Mil­li­ar­den der Ver­si­cher­ten und Steu­er­zah­ler. Das wird auch in Zukunft so blei­ben, so lan­ge der ”Rie­se Pati­ent” (von mir aus auch ”Kun­de”) – wei­ter vor sich hin­schlum­mert.

Bei der Auf­wach­pha­se – das lässt sich garan­tie­ren – könn­te es noch sehr rauh und unan­ge­nehm wer­den. Die Funk­tio­nä­re, Lob­by­is­ten und Inter­es­sen­ver­tre­ter las­sen sich bekannt­lich nicht frei­wil­lig die Wurst vom Brot neh­men. ABER: das könn­te Hoff­nung machen – letzt­lich brau­chen wir in Ost­fries­land (und nicht nur hier) eine Art ”Gesund­heits­netz­werk” – und das wis­sen ja auch vie­le, die im Gesund­heits­we­sen tätig sind – wie auch die Pati­en­ten.

Dümmliches teile und herrsche

Chan­cen hat das aller­dings nur dann, wenn es in abseh­ba­rer Zeit gelin­gen könn­te, all jene auf bedeu­tungs­lo­se ”Hin­ter­bän­ke” zu ver­ban­nen, die sich hier in den letz­ten drei Jah­ren damit her­vor­ge­tan haben, eine Art ”Tei­le und Herr­sche” zu insze­nie­ren. So nach dem Mus­ter ”Auricher gegen Nor­der”, ”Stadt gegen Land”, ”Alt gegen Jung”, ”Kran­ken­haus-Ärz­te gegen nie­der­ge­las­se­ne Ärz­te” usw. usw. Die vor­erst schwie­ri­ge Auf­ga­be könn­te sein, die­sen Figu­ren bei­zu­brin­gen, dass sie jetzt bes­ser mal die Füs­se still zu hal­ten haben, denn der Wahlk®ampf Bür­ger­ent­scheid Zen­tral­kli­nik ist bereits Geschich­te.

Nach­fol­gen­de Genera­tio­nen mögen das alles in 100 Jah­ren gut doku­men­tiert beim Nie­der­säch­si­schen Lan­des­ar­chiv am Stand­ort Aurich ein­se­hen kön­nen. Über­las­sen wir es also bes­ser den His­to­ri­kern, dar­über zu urtei­len, wer hier wann nicht mehr alle Nadeln an der Tan­ne gehabt haben muss.

Die Heu­ti­gen haben rele­van­te­re Auf­ga­ben zu bewäl­ti­gen.


 

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