okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Für gewöhnlich sind Kreistagssitzungen öde Veranstaltungen. Mit ein Grund, warum Bürger wenig Interesse an der Arbeit ihres Parlaments haben. Am vergangenen Donnerstag (17.6.) bot dieses Parlament allerdings eine Veranstaltung, die sicher noch als eine der peinlichsten Vorführungen in die Geschichte dieser Institution eingehen wird.
Weil in der Öffentlichkeit bekannt wurde, welche Abgeordneten des Kreisausschusses gegen das Bürgerbegehren zur Zentralklinik abstimmten (okj berichtete), sollten sich die gewählten Volksvertreter auf Antrag des Landrats Harm-Uwe Weber (SPD) wegen Verletzung von Amtsgeheimnissen selbst rügen. Was man kaum für möglich halten konnte, passierte dann tatsächlich gegen 16 Uhr. Das Parlament folgte brav dem Ansinnen der „Regierung“.
Das dieses Kommunal-Parlament das oberste politische Organ der Bürger des Landkreis Aurich ist, scheint die Mehrheit der dort sitzenden völlig vergessen zu haben. Entsprechend wähnte sich die Kreistagsabgeordnete Anneliese Saathoff (Grüne) bei der Debatte über den Antrag des Landrats in einer Art Muppet-Show.
Doch will man die Vorstellung von „repräsentativer Demokratie“ noch ernst nehmen, so hat dieses Parlament nicht nur einzelne Abgeordnete auf Verlangen des Landrats gemaßregelt – es hat mit diesem Beschluss auch die Bürger des Landkreises gerügt.
Das ist weniger amüsant.
Will man die Verhältnisse im Auricher Kreistag wieder vom Kopf auf die Füße stellen, sollten eigentlich die Bürger jene Mehrheiten im Kreistag rügen, die mit ihrem Abstimmungsverhalten die Bürgerbeteiligung in einer für die Region wahrlich bedeutsamen Frage abgewiesen haben und sich dann auch noch – als Parlament – Restbestände von Souveränität haben abkaufen lassen.
Die Namen der Ausschussmitglieder sowie deren Parteizugehörigkeit, kann übrigens jeder auf den Internet-Seiten des Landkreises in der Rubrik Gremien Menüpunkt Kreisausschuss einsehen. Wer den traurigen politischen Zustand des Kreistages kennt, braucht wahrlich keine whistleblower aus geheimen Sitzungen, um ein gegebenes Abstimmungsverhältnis den Ausschussmitgliedern auch namentlich zuordnen zu können.
Aber das nur am Rande.
Hinter allem steht also nicht einmal im juristischen Sinne „Verrat von Amtsgeheimnissen“, es sei denn, man will tatsächlich den ausgemachten Unfug glauben, dass das Abstimmungsverhalten gewählter Abgeordneter für oder gegen Bürgerbeteiligung ein Amtsgeheimnis sei.
Natürlich: wenn in einem solchen Ausschuss etwa über die Veräußerung kommunaler Liegenschaften und vorliegende Angebote zu entscheiden ist, muss Verschwiegenheit im Detail zwingend geboten sein. Gleiches gilt auch für Personalien, die Schutzrechte Dritter berühren. Abstimmungsverhalten von gewählten Abgeordneten gehört mit Sicherheit nicht dazu.
Es sei daran erinnert, dass das Recht einem Ausschuss anzugehören, auf dem Mandat beruht welches die Bürger des Landkreises jedem Einzelnen auf Zeit gewährt haben.
Und zur Sache selbst?
Selbstverständlich gibt es Befürworter und Kritiker einer Zentralklinik. Dass sich dieses auch in einem Parlament abbildet, versteht sich von selbst. Doch von Personen die in ein solches Parlament gewählt wurden, müssen die Bürger erwarten dürfen, das sie zu ihren Überzeugungen stehen – unabhängig davon, ob diese von der Mehrheit der Bürger geteilt wird oder nicht.
Solche demokratietheoretischen Betrachtungsweisen sind allerdings wenig hilfreich. Sie sind höchstens geeignet, einstigen Studenten der Politikwissenschaften das angedeihen zu lassen, was der Volksmund bei Nachschulungen für Führerschein-Inhaber despektierlich einen „Idiotentest“ nennt.
In Wirklichkeit ist im Auricher Kreistag etwas ganz anderes passiert. Vor allem die Sozialdemokraten haben ein politisches Armutszeugnis abgeliefert, welches nichteinmal mehr mit hübsch garnierten formaljuristischen Winkelzügen zu kaschieren ist. Da mögen bei einigen Abgeordneten vielleicht noch die Worte des SPD Bundestagsabgeordneten Johann Saathoff in den Ohren klingen. Im Juli vergangenen Jahres ließ er in der Tageszeitung ”Ostfriesische Nachrichten” verlauten, die SPD sei seit jeher die Volks- und Bürgerpartei. Deshalb könne niemand ernsthaft gegen Bürgerbeteiligung sein. Das hat sich vergangene Woche für die SPD im Kreistag wohl final erledigt.
Nice to know.
Comments are closed.