Wadern/Aurich (sz/okj) – Bundesweiter Widerstand gegen die Schließung von Krankenhäusern formiert sich langsam aber zunehmend. Wie die in Saarbrücken erscheinende Saarbrücker Zeitung ihrer online-Ausgabe vom 23. Juli 2017 berichtet, hat die angekündigte Schließung der St.-Elisabeth-Klinik in Wadern bei vielen Bürgern und der Stadt für Unverständnis gesorgt. Nun soll eine Bürgerinitiative gegründet werden. Wie die Stadt mitteilte, ist die erste Versammlung für den kommenden Dienstag (28.07.) geplant.
Ungeachtet derartiger Proteste seitens der Bürgerschaft, setzten Gesundheitspolitiker aus Bund und Ländern allerdings weiter auf die beabsichtige Marktbereinigung. Das Ziel lautet, den Anteil sogenannter „Tante Emma Krankenhäuser“ vom Markt zu nehmen und Zentralisierungen gegen Bürger durchzusetzen. Als Begründung dafür werden in der Regel finanzielle Problem der Krankenhäuser angegeben.
Nachhaltige Krankenhaus-Marktbereinigung
Dieses ist jedoch eine logische Konsequenz der unter dem SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder 2004 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführten Fallpauschale.
Seit dem erfolgt die Finanzierung der Krankenhäuser nicht mehr dadurch, dass nach einer Behandlung die Kosten festgestellt und von der Versicherungswirtschaft bezahlt werden.
Mit der Fallpauschale ist im Vorhinein festgelegt, wie viel das Krankenhaus für den Patienten in Rechnung stellen kann.
Planung: Für ganz Deutschland nur noch 330 Zentralkrankenhäuser
Mit diesen und andere sogenannten „marktwirtschaftlichen Steuerungselementen“, unterwarfen Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen in ihrer Regierungszeit alle Krankenhäuser im Lande in besonderer Weise einer betriebswirtschaftlichen Effizienz- und Wettbewerbslogik. Wie beabsichtigt, hat dieses Fallpauschalen-System nach einer sogenannten Konvergenzphase von fünf Jahren ab 2009 fast allen kleineren Landkrankenhäusern die ökonomische Basis entzogen. Hierbei orientieren sich etliche Gesundheitspolitiker in Deutschland an einer Studie der Leopoldina Akademie der Wissenschaft. Diese hatte dargelegt, dass man in Deutschland lediglich 330 Zentralkrankenhäuser benötige. Derzeit gibt es bundesweit noch 1956 Krankenhäuser.
Auch Städte und Gemeinden gegen Krankenhausschließungen
Wie die Saarbrücker Zeitung schreibt, sieht die Stadt Wadern mit der Schließung der St.-Elisabeth-Klinik die gesundheitliche Versorgungslage akut gefährdet. Viele fühlen sich in der derzeitigen Situation nicht nur vom Betreiber, sondern auch von den Politikern des Landes und des Kreises im Stich gelassen.
Betroffen von der Schließung ist dabei neben der Stadt Wadern selbst das gesamte nördliche Saarland. Für die Menschen, insbesondere in der ländlichen Umgebung der Stadt, fällt so eine wichtige Institution der Akutversorgung weg, heißt es weiter. Durch eine unabhängige Bürgerinitiative könnten nun aber alle daran Beteiligten mitwirken, um wohnortnahe stationäre Akutversorgung zu erhalten.
Das von allen Bundesregierungen systematisch verfolgte Ziel, die deutsche Krankenhauslandschaft einer nachhaltigen Marktbereinigung auszusetzen, trifft in der Regel zunächst Klinikchefs und Kommunalpolitiker vor Ort. Auf diese fokussiert sich der Ärger der Bürger. Verkannt wird hier oft, dass sich diese an die landes- und bundespolitischen Rahmenbedingungen zu halten haben.
Kommunalpolitik gegen Bürger
Erstaunlich ist jedoch, das etliche dieser Kommunalpolitiker sich dafür entscheiden, Bürger – die sich für den Erhalt ihrer Krankenhäuser engagieren, als „bauchgefühlt“, „desinformiert“ und ewig gestrige zu beschimpfen, die sich gegen vermeintlichen Fortschritt stellen.
Dies zumindest war die Grundhaltung vieler Kommunalpolitiker in Ostfriesland, die versuchten, einen Bürgerentscheid für den Erhalt bestehender Krankenhäuser in Norden, Aurich und Emden zu verhindern.
Hier allerdings setzte sich die Bürgerinitiative für den Erhalt der Krankenhäuser durch und erreichte mit einem Bürgerentscheid, dass die geplante Zentralklinik auf der Grünen Wiese auf Eis gelegt werden musste.
Störfaktor Bürger – schwere Zeiten für Parteibuchträger ?
Eine Mehrheit im Auricher Kreistag, die sich aus CDU und SPD zusammensetzte, beschimpfte nach dem Bürgerentscheid eine Bürgerin aus Norden, die die Abgeordneten im Rahmen einer Einwohnerfragestunden zu einem sogenannten „Runden Tisch“ einlud.
Der CDU-Abgeordnete Hilko Gerdes fiel mit dem Zwischenruf auf, dass die Bürgerinitiative sich das „an den Hut stecken“ könne. Auch die SPD-Fraktion unter ihren Fraktionsvorsitzenden Jochen Beekhuis fiel durch etliche Unmutsbekundungen auf.
Auch Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann (SPD) beschimpfte die Emder, die sich beim Bürgerentscheid mit 61,9 % gegen Bornemanns Zentralklinikpläne und den Erhalt ihres kommunalen Krankenhauses aussprachen.
Bundesweite Vernetzung gegen Krankenhausschließungen
Mittlerweile sind bundesweit viele Bürgerinitiativen und Fördervereine vernetzt, die sich vor Ort gegen beabsichtigte Krankenhausschließungen zur Wehr setzen. Auch in anderen Bundesländern und Regionen ist jedoch zu beobachten, dass vor allem Kommunalpolitik den „Störfaktor Bürger“ immer wieder versucht „platt zu machen“. Dabei ist hinlänglich bekannt, das sich Kommunalpolitik am unteren Ende der gesundheitspolitischen Nahrungskette befindet. Als jener Politikbereich, der direkten Kontakt zu Menschen hält, fordern viele Initiativen, das Kommunalpolitik mit Bürgern gemeinsam gegen eine verfehlte Gesundheitspolitik angehen sollten, statt mit einem Parteibuch in der Tasche Politik „von oben nach unten“ exekutieren zu wollen.
”Kunde” Patient im Schatten der Funktionäre und Lobbyisten
Vor allen in ländlichen Regionen sind sich fast alle Gesundheitspolitiker darin einig, dass die Zukunft von Krankenhäuser in der sogenannten „integrierten Versorgung“ liegt. Dies meint, die letztlich unumgängliche Abschaffung eines mittlerweile anachronistischen Abrechnungssystems, welches strikt zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung unterscheidet. Seit fast dreißig Jahren diskutieren sogenannte Experten über dieses Problem – ohne es jedoch lösen zu können.
Der Grund dafür liegt in der Tatsache begründet, dass es sich bei diesen sogenannten „Experten“ in erster Linie um Funktionäre handelt, die die Interessen ihrer jeweiligen Organisationen zu vertreten und zu schützen haben. Dazu zählen unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung (zuständig für ambulante Behandlung), die Krankenhausgesellschaften (für stationäre Behandlungen), sowie die Versicherungswirtschaft. Die Verhandlungsführer dieser Organisationen kennen sich in der Regel gut und sehen ihre Hauptaufgabe darin, die Milliarden der Versicherten und Steuerzahler nach einem tendenziell planwirtschaftlichen Muster „halbwegs gerecht“ untereinander zu verteilen. Ausgeschlossen hierbei sind vor allem die Menschen, um die es angeblich gehen soll, die Patienten.
”Riese Patient” muss aufwachen
Vor diesem Hintergrund spricht die Publizistin Renate Hartwig seit Jahren davon, dass „der Riese Patient“ aufwachen müsse. Dies allerdings gestaltet sich schwierig. Ein Grund auch sind Kommunalpolitiker, die das Engagement der Bürger für die Krankenhäuser tendenziell als Bedrohung ihres Machtanspruchs einordnen. Bundesweit leider kein Einzelfall.
Auch der Auricher CDU-Kreistagsabgeordnete Hilko Gerdes forder kürzlich den Kreistag auf, mögliche Bürgerproteste gegen die Schließung etwa des Norder Krankenhauses zu ignorieren. Gegenüber der in Leer erscheinenden Ostfriesen-Zeitung (OZ) erklärte Gerdes, dass vor Jahren der komplette Kreistag eingeknickt sei, „als plötzlich 300 Mitarbeiter aus Norden auf der Matte“ standen. Derartiges können man sich nicht mehr leisten.
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