Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

Zentralklinik wirft weitere Fragen auf

JWI G 1032Aurich (okj) – Pla­ner der Zen­tral­kli­nik haben offen­sicht­lich kei­nen Plan, wie die wohn­ort­na­he Grund- und Regel­ver­sor­gung der Men­schen in den Mit­tel­zen­tren Aurich, Emden, Nor­den und deren Umfeld künf­tig orga­ni­siert wer­den kann. Die­ser Ein­druck dräng­te sich auf einer Ver­an­stal­tung des Lan­des­ver­bands des Deut­schen Haus­ärz­te­ver­bands Nie­der­sach­sen am gest­ri­gen Mon­tag (13.6.) im Euro­pa­haus in Aurich auf. Zuvor hat­te der Auricher Bezirks­ver­band vor allem bei hie­si­gen Haus­ärz­ten ange­fragt, wie sie zur geplan­ten Zen­tral­kli­nik ste­hen. 49 Pra­xen betei­lig­ten sich an die­ser Umfra­ge. 40 spra­chen sich gegen das Pro­jekt aus, acht dafür. Eine ent­hielt sich.

Keine Alternative zur Zentralklinik ?

Der Geschäfts­füh­rer des Vor­ha­ben­trä­gers Zen­tral­kli­nik, Claus Epp­mann, kri­ti­sier­te zunächst die Vor­sit­zen­de des Auricher Bezirks­ver­bands Dr. Baba­ra Jans­sen, dass die Fra­ge­stel­lung der Umfra­ge nicht vor­ab mit ihm bespro­chen wor­den sei und des­halb nicht objek­tiv wäre. Des Wei­te­ren wur­de moniert, dass die Umfra­ge nicht reprä­sen­ta­tiv sei. Nach­dem Vor­ge­hens­wei­se und Beur­tei­lungs­kom­pe­tenz der zu die­ser Ver­an­stal­tung ein­la­den­den Ärz­tin­nen in Fra­ge gestellt war, beschrieb Epp­mann aus­führ­lich die Alter­na­tiv­lo­sig­keit einer Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil.

Fra­gen der anwe­sen­den Ärz­te und Bür­ger, war­um das Kli­ni­kum Leer mit den ange­glie­der­ten Stand­or­ten in Wee­ner und Bor­kum wirt­schaft­lich erfolg­reich sei, wäh­rend die bei­den Häu­ser des Land­krei­ses Aurich jähr­lich mit 10 Mio. Defi­zit abschlie­ßen, wur­den von Epp­mann in bekann­ter Klinikum Leer 3Wei­se nicht beant­wor­tet. Über geschäft­li­che Belan­ge eines Mit­be­wer­bers wol­le und dür­fe man sich nicht äußern. Haus­ärz­te, die in der Umfra­ge eine Zen­tral­kli­nik befür­wor­tet hat­ten, taten dies vor allem auch wegen der bekann­ten desas­trö­sen öko­no­mi­schen Situa­ti­on der UEK-Kran­ken­häu­ser im Land­kreis Aurich.

Der ärzt­li­che Direk­tor der UEK-Kli­ni­ken, Dr. Egbert Held, bedau­er­te es, das die Ärz­te sich nicht auf das medi­zi­ni­sche Kon­zept der Zen­tral­kli­nik bezo­gen hät­ten, räum­te jedoch ein, dass es durch die Ver­fah­rens­ab­läu­fe bei der Abstim­mung mit dem Sozi­al­mi­nis­te­ri­um bis auf Wei­te­res nicht mög­lich sein wer­de, ein „Modell zum anfas­sen“ zu prä­sen­tie­ren.

Strukturproblem zwischen stationärer und ambulanter Versorgung

Erneut offen­bar­te sich in der Dis­kus­si­on das gene­rel­le Pro­blem der in Deutsch­land tra­di­tio­nell fest­ge­füg­ten Tren­nung zwi­schen sta­tio­nä­rer und ambu­lan­ter Gesund­heits­vor­sor­ge, so die Ein­schät­zung eini­ger Mit­glie­dern des Akti­ons­bünd­nis­ses Kli­ni­ker­halt. Mit der Schlie­ßung wohn­ort­na­her Kran­ken­häu­ser wer­de letzt­lich ein ana­chro­nis­ti­sches Prin­zip nur kon­se­quent fort­ge­führt. In länd­li­chen Regio­nen füh­re jedoch kein Weg mehr dar­an vor­bei, dass kom­mu­na­le Kran­ken­häu­ser inte­gra­ler Bestand­teil auch des soge­nann­ten ambu­lan­ten Sek­tors vor Ort wer­den müs­sen. Die Vor­stel­lung der Zen­tral­kli­ni­ker, die ambu­lant behan­del­ba­ren Pati­en­ten den Krankenhausnie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten „aufs Auge zu drü­cken“, sei unter gege­be­nen Bedin­gun­gen weder für Pati­en­ten noch für die Ärz­te prak­ti­ka­bel. Die soge­nann­ten Medi­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­zen­tren böten abseh­bar kei­ne Alter­na­ti­ve zur beab­sich­tig­ten Schlie­ßung der drei Kran­ken­häu­ser.

Fatal sei zudem, dass das Kon­zept „Zen­tral­kli­nik“, wel­ches in Bal­lungs­räu­men durch­aus sinn­voll erschei­nen kann, nun ver­sucht wer­de auf eine länd­li­che Regio­nen mit gerin­ge­rer Ein­woh­ner­zahl zu über­tra­gen. Gefähr­lich sei dies vor allem des­halb, weil unter unver­än­der­ten Finan­zie­rungs­be­din­gun­gen kom­mu­na­ler Kran­ken­häu­ser auch die neue Zen­tral­kli­nik frü­her oder spä­ter wirt­schaft­li­che Pro­ble­me bekom­men wer­de. Dies läge in der inne­ren Logik des Fall­pau­scha­len-Sys­tems. Danach erfol­ge auf jede erfolg­rei­che Ratio­na­li­sie­rungs­maß­nah­me und betriebs­in­ter­ne Kos­ten­sen­kung im nächs­ten Schritt stets eine Preis­sen­kung für medi­zi­ni­sche Leis­tun­gen. Anbe­tracht einer nun mal gege­be­nen Ein­woh­ner­zahl von rund 240.000 Ein­woh­nern, wer­de auch die neue Zen­tral­kli­nik auf der Grund­la­ge einer Finan­zie­rung durch Fall­pau­scha­len auf mitt­le­re Sicht nicht die erfor­der­li­chen Erlö­se erwirt­schaf­ten kön­nen.

Immer wieder Fallpauschalen

Die­ses zur Zei­ten des Bun­des­kanz­ler Ger­hard Schö­der (SPD) 2004 ein­ge­führ­te Fall­pau­scha­len-Sys­tem habe mitt­ler­wei­le bun­des­weit über die Hälf­te aller kom­mu­na­len Kran­ken­häu­ser in Deutsch­land in den Ruin getrie­ben. Laut einer bun­des­wei­ten Stu­die der Deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft im Jahr 2014 lagen wegen JWI G 1001die­ser Fall­pau­scha­le die Ein­nah­men eines kom­mu­na­len Kran­ken­hau­ses für ambu­lant zu behan­deln­de Pati­en­ten im Durch­schnitt bei etwa 36.- Euro. Da ein Kran­ken­haus jedoch rund um die Uhr für alle Even­tua­li­tä­ten gerüs­tet sein muss, ent­stün­den betriebs­wirt­schaft­lich gerech­net pro Pati­ent Vor­hal­te­kos­ten von etwa 120.- €.

Das Emder Kran­ken­haus habe des­halb im Jahr 2014 bei etwa 12.300 ambu­lant zu ver­sorg­ten Pati­en­ten einen Ver­lust von rund 1.04 Mio. € ein­ge­fah­ren. Im Gegen­satz zu den Kran­ken­häu­sern im Land­kreis Aurich, deren öko­no­mi­sche Pro­ble­me auf eine Viel­zahl ekla­tan­ter Manage­ment-Feh­ler zurück­zu­füh­ren sind, sei das klei­ne Emder Kran­ken­haus vor allem Opfer einer gene­rell ver­fehl­ten Gesund­heits­po­li­tik. Unver­ständ­lich sei, war­um die­se Poli­tik wei­ter betrie­ben und gar ver­schärft wird, obwohl jeder genau weiß, dass sie eine Fehl­ent­wick­lung ist.

Der Patient als Defizitbringer

Das Dilem­ma aller wohn­ort­na­hen Kran­ken­häu­ser in länd­li­chen Regio­nen, die Teil der kom­mu­na­len Daseins­vor­sor­ge sind, bestehe vor allem dar­in, dass sie nicht die Mög­lich­keit haben, Defi­zit ver­ur­sa­chen­de Ambu­lant-Pati­en­ten abzu­wei­sen. Dies unter ande­rem auch, weil dar­aus recht­li­che bi KrankenhausrettungKon­se­quen­zen wegen „unter­las­se­ner Hil­fe­leis­tung“ ent­ste­hen könn­ten. Da soge­nann­te „Land­arzt-Pra­xen“ für die ambu­lan­te Gesund­heits­ver­sor­gung kei­ne Nach­fol­ger fin­den und geschlos­sen wer­den, gehen die Men­schen gezwun­ge­ner Maßen mit Beschwer­den aller Art vor allem in ihr wohn­ort­na­hes kom­mu­na­les Kran­ken­haus. Nach bis­he­ri­ger Les­art haben die­se Pati­en­ten in einem Kran­ken­haus aller­dings nichts zu suchen.

Die Lösung die­ses letzt­lich „struk­tu­rel­len Dilem­mas“, bestehe nun offen­sicht­lich dar­in, den Men­schen ihre wohn­ort­na­hen Kran­ken­häu­ser qua­si „weg zu neh­men“, auf die „Grü­ne Wie­se“ zu ver­la­gern, um dort – zen­tra­li­siert – die für das wirt­schaft­li­che Über­le­ben eines Kran­ken­hau­ses erfor­der­li­chen hohen sta­tio­nä­ren Fall­zah­len zu gene­rie­ren. Wegen der erschwer­ten Erreich­bar­keit einer sol­chen Zen­tral­kli­nik, wer­de gleich­zei­tig dafür gesorgt, dass die für das Kran­ken­haus „rui­nö­sen Pati­en­ten“ die Kli­nik erst gar nicht auf­su­chen.


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