okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Die offensichtlich unvermeidbaren „Pro & Contra Formate“ zur geplanten Zentralklinik in Georgsheil gibt es nun auch als Radiosendung. Am vergangenen Donnerstag (23.03.) sendete NDR 1 eine Diskussion zwischen Befürwortern und Kritikern des Vorhabens, aufgezeichnet im Auricher Familienzentrum.
Schon nach 25 Minuten entwickelte sich „engagierte Dynamik“. Zentralklinik-Chef Claus Eppmann erfüllte die ihm wohl liegende Rolle als „Stimmungskanone“ und fokussierte sich vor allem auf Margitta Schweers vom Aktionsbündnis Klinikerhalt. Ihr warf er unter anderem vor, Unfug zu reden und sich aufzuspielen. Er, Eppmann, habe es auch nicht nötig, sich vom Publikum beschimpfen zu lassen.
Kino im Kopf
Solche Einlagen heißen bei Eppmann „proaktive Kommunikationstrategie“ und verfehlten auch diesmal ihre Wirkung nicht. Das Publikum machte sich im weiteren Verlauf mit Applaus und Gejohle bemerkbar, teils mit höhnischem Gelächter und Zwischenrufen. Somit dürfte auch der NDR zufrieden gewesen sein. Schließlich kommt es bei einer Wortsendung mit rund 50 Minuten auch darauf an, so etwas ähnliches wie „lebendige Hörbilder“ einzufangen. „Kino im Kopf“ nennt das die Radiomoderatorin Anke Genius.
Natürlich ist Eppmann über die Fragestellung des Aktionsbündnisses Klinikerhalt „not amused“. Sie lautet: “Sollen die bestehenden Ubbo-Emmius-Kliniken an den Standorten Aurich und Norden erhalten bleiben?“ Eppmann hätte lieber eine Fragestellung gesehen die mit einem Ja für die Zentralklinik zu beantworten wäre. Befürworter müssen nun mit Nein votieren.
Der sachliche Hintergrund der Fragestellung des Aktionsbündnis Klinikerhalt ergibt sich jedoch aus dem Gutachten der Beratergesellschaft BDO vom 11. Juli 2014. Deren Auftrag lautete die Machbarkeit einer Zentralklinik zu prüfen. Natürlich kamen die Gutachter zu dem Schluss, dass eine Zentralklinik machbar sei – allerdings unter der Bedingung, die drei bestehenden Krankenhäuser in Norden, Aurich und Emden zu schließen. Das versteht sich von selbst.
Bürger sollten zur Zentralklinik nicht einmal befragt werden
Allerdings wurde im weiteren Verlauf offensichtlich vergessen, dass der von Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) geführte Aufsichtsrat die Interessen der Bürger als Eigentümer der Kliniken zu vertreten hat. So jedenfalls stellte es sich nicht nur dem Aktionsbündnis Klinikerhalt dar. Selbst die schlichte Bürgerbefragung – eine Art amtliche Meinungsumfrage ohne politisch bindende Wirkung – wurde auf Anraten des Landrats im Kreistag mit Mehrheit abgewiesen.
Die Bürger nicht einmal fragen zu wollen, ob sie zugunsten einer Zentralklinik die bestehenden Krankenhäuser aufgeben würden, war dumm. Doch mittlerweile hat auch das keine Bedeutung mehr. Jetzt werden die Bürger nicht mehr nur nach ihrer Meinung gefragt, sondern sie werden entscheiden.
Das gefällt vielen nicht, ist aber auch dank des Aktionsbündnisses Klinikerhalt gegen erhebliche Widerstände der hiesigen Politik durchgesetzt worden. Somit wurde eine wesentliche Vorgabe aus dem Hannoveraner Sozialministerium erfüllt. Dieses hatte erklärt, das bei der Bewilligung von Fördergeldern die „gesellschaftliche Akzeptanz“ des Vorhabens eine Rolle spielen werde. Das meint mehr als der nachvollziehbare Wunsch von Chefärzten und Klinikleitungen, die „Klitschen“ in Aurich und Norden am liebsten gleich loswerden zu können.
Die Sache mit den UEK-Klitschen
Zumindest der frühere UEK-Chefarzt Dr. Hans-Jörg Klotter hält die Häuser in Aurich und Norden für nicht zukunftsfähig. Man darf unterstellen, dass Klotter weiß wovon er spricht. Damit drängt sich allerdings die Frage auf, wie man im immerhin größten Landkreis der ostfriesischen Halbinsel zwei eigentlich gute Krankenhäuser zu Klitschen machen und angeblich final an die Wand fahren kann.
Hier schweigt des Sängers Höflichkeit und auch Landrat Harm-Uwe Weber macht sich bei dieser Frage rar. Noch vor kurzem hätte sich Dr. Klotter für derartige „Klitschen-Kommentare“ in der Öffentlichkeit vom Landrat einen „medialen Einlauf“ eingefangen. Eventuell auch noch eine kräftige Magenspülung hinter verschlossenen Türen, wegen Rufschädigung der UEK-Kliniken und Verletzung der Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber.
Schlechte Versuche die Kritiker platt zu machen
Eine weitere seltsame Übung einiger Befürworter ist es seit Jahren, die Bürger für „bauchgefühlt“, „desinformiert“ und ”ängstlich” zu halten, als strukturkonservative Besitzstandswahrer zu betrachten, die sich dem Fortschritt verweigern – oder – auf den Punkt gebracht: schlichtweg inkompetent, um bei einem solchen Thema überhaupt mitreden zu können. Auch dem Aktionsbündnis Klinikerhalt wirft man gerne vor, bei Bürgern Ängste zu schüren und „populistische Stimmungsmache“ zu betreiben. Versprochen wird immer wieder, dass sich niemand Sorgen machen bräuchte dass die wohnortnahe Versorgungsqualität ohne Krankenhäuser gefährdet sei. Das geht seit drei Jahren so.
Auch hier reicht wieder ein Blick in die eingangs erwähnte Machbarkeitsstudie der BDO. Auf Seite 44 heißt es dazu: Eine vom Krankenhaus zu verantwortende ambulante 24/7‑Versorgung in den Städten ist nicht finanzierbar. Die Mehrkosten dafür lägen bei ca. 3,65 Mio. € p.a. Ein zusätzliches Problem wäre die nicht ausreichende Anzahl an Ärzten. Deshalb müssten einen Vielzahl an Honorarärzten beschäftigt werden, was zur Kostenerhöhung von 4,5 bis 5,0 Mio. € führen werde.
Wer den Gutachtern nicht glauben mag, konnte anlässlich des in letzter Minute aus dem südbrookmerlander Moorboden gestampften Bürgerbegehren ”Pro Zentralklinik” erstaunliche Erklärungsversuche von Weber zur Kenntnis nehmen. Dieser verwies darauf, dass das alles seine Richtigkeit habe, da zum Thema Notfallversorgung an den Altstandorten nichts entschieden sei. Vor dem Hintergrund, dass die Kritiker permanent den Kopf gewaschen bekamen, weil sie genau das sahen, schoss Landrat Weber mal wieder ein Eigentor besonderer Güte.
Über Eppmanns Auftrag entscheiden jetzt die Bürger
Sicher – die Fragestellung der sogenannten ”Pro’s” war handwerklich nicht schlecht gemacht und trug leicht erkennbar die Handschrift professioneller Werbetexter. Sie lautete: ‚„Sind Sie dafür, dass zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in der Region das Zentralklinikum Georgsheil, Südbrookmerland geplant und gebaut wird, mit Beibehaltung der Notfallversorgung an den Standorten Aurich, Norden und Emden?“
Hier allerdings ging es mal nicht um Reklame für die Zentralklinik, sondern um eine Frage, die (das ist unbestritten) den Menschen mehr zumutet, als plakative Werbung und flotte Sprüche. Jetzt haben die Bürger darüber zu entscheiden, ob sie ihre Krankenhäuser saniert und bewahrt haben wollen (JA) oder nicht (NEIN). Zentralklinik-Macher Claus Eppmann unkte bereits, dass die Kritiker der Zentralklinik weiterhin so lange „zu Felde ziehen werden“, bis die Betonplatte des Fundaments der Neuklinik gegossen ist.
Hier braucht er (und andere) womöglich noch Nachhilfe-Unterricht in angewandter Direkt-Demokratie. Die Kritiker hatten bereits vor Monaten angekündigt, das man das Votum der Bürger respektieren werde – auch dann, wenn sie sich mehrheitlich für die Zentralklinik aussprechen.
Das hat einen einfachen Grund
Dieses Vorhaben ist ein zweifelsfrei hochkomplexes. Es dürfte unter Garantie zum Himmelfahrtskommando werden, wenn es zusätzlich auch noch gegen den Willen der Bürger durchgepeitscht werden muss. Unbestritten ist allerdings auch, dass ein Plan‑B ebenfalls mit Widrigkeiten zu kämpfen haben wird. Aber auch dafür braucht es die Zustimmung der Menschen in dieser Region. OZ-Kommentatorin Marion Luppen schrieb dazu, dass Ostfriesland wohl auf dem besten Wege sei, „Demokratie-Geschichte“ zu schreiben. Das mag einem zunächst überzogen vorkommen – doch die Tendenz dieser Kommentierung wird niemand ernsthaft bezweifeln können.
Die unsinnige Frage nach einem Plan‑B
Zum Ende der NDR-Sendung fragte Moderatorin Anke Genius nach dem Plan B, für den Fall, dass sich die Bürger für ihre Krankenhäuser und gegen die Zentralklinik entscheiden. Verständlich, das Claus Eppmann diese Frage nicht beantworten wollte und konnte. Er wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, würde er auch nur den Eindruck erwecken, dass etwas anderes als die Zentralklinik vernünftig sein könnte. Es ist schließlich sein Auftrag, den ihm die hiesigen Politik erteilt hat. Schon allein deshalb wäre es überflüssig, sich mit Eppmann zu streiten. Der Mann macht schließlich seinen Job, heißt es auch in Kreisen der Kritiker und das nicht einmal nur schlecht.
Jetzt allerdings stellt sich die Frage, ob die Bürger mit Eppmanns Auftragslage einverstanden sind. Dieses wird spätestens am 18. Juni von den Bürgern entschieden werden. Bis dahin wird niemand über Alternativpläne sprechen wollen. Am ”Tag danach” werden sie allerdings auf die Agenda müssen.
Krude Mischung: kreisinterne Konkurrenzen und Rivalitäten in der Ärzteschaft
Alternativlos ist die Zentralklinik ganz sicher nicht, schrieb auch ON-Chefredakteur Stephan Schmidt. Sie wirke lediglich erfolgsversprechender als weitere Sanierungsversuche. Das läge auch daran, dass alle handelnden Personen die UEK bereits aufgegeben haben: Ärzte, Pfleger, Landrat, Kreistag, Kostenträger und Ministerium. Wer die Leidensgeschichte des UEK-Verbunds Aurich/Norden kennt, eine krude Mischung aus kreisinterner Konkurrenz in Verbindung mit Rivalitäten in der Ärzteschaft, kann leicht jener von Stephan Schmidt beschriebenen Resignation anheimfallen.
Sollten sich die Bürger gegen eine Zentralklinik entscheiden, kann man nur wünschen das diese Resignation überwunden werden kann. Das könnte in der Tat eine Herkulesaufgabe werden. An einer Stelle sind sich Kritiker und Befürworter der Zentralklinik schließlich einig, bzw. liegen nicht soweit auseinander, wie es bisweilen erscheinen mag. So wie sich die Krankenhauslandschaft im Landkreis Aurich auch unter der Führung des noch amtierenden Landrats entwickelt hat, kann und wird es nicht mehr weitergehen.
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