okj-Kommentar
von Jürgen Wieckmann
Am 6. September dürfte die gegen 16:00 Uhr angesetzte Sitzung des Auricher Kreistages für die Menschen im Landkreis spannend werden. Nach dem Bürgerentscheid vom 11. Juni hat der „Souverän Bürger“ den Planungen für eine Zentralklinik in Georgsheil ein Ende bereitet.
Wie Zentralklinik-Chef Claus Eppmann bereits im Vorfeld der Abstimmung erklärte, wird ein negativer Entscheid zur Auflösung des Konsortialvertrags zwischen den Kliniken im Landkreis Aurich, der Stadt Emden, den beiden Gebietskörperschaften und der Zentralklinik GmbH führen. So ist es auch im Vertrag selbst festgehalten.
Auch wenn im Landkreis Aurich das Votum für die Schließung der Standorte Aurich und Norden ausgegangen ist, der Partner Emden ist durch Bürgerentscheid „aus dem Spiel“ – und damit auch das Projekt Zentralklinik. Ebenfalls obsolet dürfte deshalb auch der Trägerschaftsvertrag sein, zumindest in seiner jetzigen Fassung. Dieser enthält eine Zielvereinbarung, nach der die bestehenden Krankenhäuser in Emden, Aurich und Norden geschlossen und eine Zentralklinik errichtet werden sollte. Gleichwohl: Niemand wird wollen, das Emden und Aurich in alte Mechanismen zurückfallen und sich gegenseitig Konkurrenz machen.
Privatisierungsoption wirklich vom Tisch ?
Teile im Aktionsbündnis Klinikerhalt vermuten derzeit, dass sich „die Politik“ etwas ausdenken könnte, um dennoch eine Zentralklinik zu realisieren. Das ist nicht weit hergeholt. Schließlich könnte sich der noch amtierende Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) auf das Bürgervotum im Landkreis berufen, welches eindeutig „Pro Zentralklinik“ ausgefallen ist. Deshalb könnte Weber – theoretisch – mit einem privaten Investor eine sogenannte „öffentlich-private Partnerschaft“ eingehen.
Genau das hatte er 24 Stunden nach Verkündung des Wahlergebnisses Bürgerentscheid Zentralklinik in die Debatte gegeben. Über einen Mittelsmann, so Weber damals, habe er Kontakt zu einer am Vorhaben interessierten „großen Krankenhausgesellschaft“.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und am vergangenen Sonnabend (26.8.) als Auricher Unterbezirksvorsitzende wiedergewählte Johann Saathoff schloss mit einer klaren Aussage für die Sozialdemokraten eine Privatisierung aus, lehnte dies sogar strikt ab. Saathoff genießt in der Region zwar einen außergewöhnlich guten Ruf, doch unabhängig davon, liegt die Glaubwürdigkeit von Wahlversprechen politischer Parteien bei den Bürger nahe der Null-Linie.
Webers Zuständigkeit für Krankenhäuser muss beendet werden
Was immer auch auf der Kreistagssitzung am 6. September zur Abstimmung gestellt werden wird, für Landrat Harm-Uwe Weber (SPD) könnte es unangenehm werden. Das, so sagen Insider hinter vorgehaltener Hand, sei schon lange überfällig. Bereits als Dezernent unter seinem Vorgänger Landrat Walter Theuerkauf war er für das Krankenhauswesen im Landkreis verantwortlich.
Ihm wird deshalb die Hauptverantwortung für die offenkundige UEK-Misere angelastet. Die zum Teil hoch engagiert geführte Diskussion über das Für und Wider der Zentralklinik hat dieses fast in Vergessenheit geraten lassen. Nun aber ist der Landkreis Aurich wieder auf sich selbst zurückgeworfen – aktuell mit einem Defizit von rund 14 Millionen Euro.
Politisches Komplettversagen nicht weiter vertuschen
Völlig falsch wäre es jedoch, dieses der neuen UEK-Geschäftsführung mit Dr. Astrid Gesang und Claus Eppmann anzukreiden. Die Wahrheit ist schlimmer und es wird höchste Zeit sie endlich zur Kenntnis zu nehmen. Diese Geschäftsführung steht in Wirklichkeit vor dem Trümmerhaufen einer unter Weber seit 15 Jahren an die Wand gefahrene kommunalen Krankenhaus-Politik. Das lässt sich nicht ungeschehen machen und man wird sich darauf einzustellen haben, das in den nächsten Monaten noch eine Menge „Blut fließen“ wird.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es vor allem die Mitarbeiter der UEK treffen. Sie haben jetzt 15 Jahre politisches Komplettversagen auszubaden. Dies wird weh tun – und niemand wird es auf Dauer hinnehmen, wenn das für den dafür letztlich Verantwortlichen keine Konsequenzen nach sich zieht. Dies betrifft den Bereich ”politische Kultur”, in dem sich der noch amtierende Landrat – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat.
Die Entwicklungen der Krankenhäuser in den benachbarten Landkreisen Wittmund und Leer lassen es schlicht nicht mehr zu, sich die Sache schön zu reden – oder sich aus parteipolitisch nachvollziebaren Gründen schützend über den Landrat zu werfen. Aus Leer wurde dieser Tage vermeldet, dass das Land Niedersachsen für beide Krankenhäuser insgesamt 21,5 Millionen Euro Fördermittel bereitstellen werde. Kritiker des Weberschen Abenteuers „Zentralklinik“ gratulierten in den sozialen Medien den beiden Leeraner Krankenhäusern. Nicht ohne erneut mit Weber scharf ins Gericht zu gehen.
Webers seltsame Ausflüchte
Seit Jahren fragen die Menschen, was in Leer aber auch Wittmund trotz zweifelsfrei widriger Rahmenbedingungen offenbar geht, während der immerhin größte Landkreis auf der Halbinsel die kommunalen Krankenhäuser zu „Klitschen“ hat verkommen lassen. Das zumindest die nicht sehr erbauliche Einschätzung eines ehemaligen UEK-Chefarztes.
Webers stereotype Antwort auf derartige Fragen lautet, das man Verständnis dafür aufbringen müsse, wenn er sich nicht zur wirtschaftlichen Lage eines Mitbewerbers äußern möchte.
Das ist schlichtweg lächerlich und das Verständnis hat schon lange ertragbare Grenzen überschritten. Kein geringerer als der Erste Kreisrat in Leer, Rüdiger Reske verriet im April 2015 in der Ostfriesen-Zeitung das Geheimnis. Der Landkreis konzentriere sich als Eigentümer auf die Kontrolle, mische sich aber nicht ein. „Wir sagen weder, wie man betriebswirtschaftlich handelt, noch, wie man einen Blinddarm operiert.“ Zudem gebe es am Klinikum „ein gutes Zusammenspiel zwischen kaufmännischer und medizinischer Leitung“.
Das allerdings war auch nur die halbe Wahrheit.
Anfang der 2000 Jahre bewegte sich auch das Leeraner Klinikum am ökonomischen Abgrund. Dort allerdings legten sowohl Klinikchef Holger Glienke wie auch die Politik genügend Beurteilungskompetenz und vor allem Weitsicht an den Tag, um einschätzen zu können, welchen neuen Herausforderungen sich die Krankenhäuser künftig zu stellen haben. Nicht immer nur behutsam, aber doch als langfristig angelegten Veränderungsprozess, gelang es Glienke, das Leeraner Krankenhaus für die Zukunft fit zu machen.
Im Landkreis Aurich wurde schlichtweg gepennt
Völlig anders die Lage im Landkreis Aurich. Hier steckte man den Kopf schlichtweg in den Sand, wollte oder konnte die Realitäten nicht erkennen und beschäftigte sich lieber mit einer Art „Provinzposse“ zwischen zwei nicht mehr existenten Altkreisen. Auch das hat die Steuerzahler Millionen gekostet. Schlicht gesagt, im Landkreis Aurich hat man so gut wie alles verpennt, was man nur verpennen kann. Dabei hat es genügend warnende Stimmen gegeben. Erst 2009 schienen die Auricher Schlafmützen zu bemerken, dass bei der UEK der Dachstuhl brennt. Rettung versprach man sich vom Beratungsunternehmen Bredehorst.
Der Fisch stinkt vom Kopf her
Was der Gutachter zu Tage förderte, blieb in den wesentlichen Teilen aus nachvollziehbaren Gründen Verschlusssache. Einiges geriet dann doch in die Medien, etwa die Empfehlung, für den Standort Norden und Aurich einen gemeinsamen Einkauf zu organisieren. Eine Empfehlung, bei der man beinahe hätte annehmen können, der Gutachter leiste sich zwischendurch einen blöden Scherz.
Das Lieferanten bei Einkäufen in größeren Mengen Preisnachlässe einräumen, gehört schließlich zur Allgemeinbildung. Doch diese Empfehlung war ernst gemeint. Entsprechend ging es dann Seite für Seite weiter. Am Ende bestätigte die Lektüre eine bekannte Volksweisheit: Hier stinkt der Fisch vom Kopf her.
Das dürfte auch im Hannoveraner Sozialministerium nicht unbemerkt geblieben sein. Ein Jahr bevor aus Emden der Vorschlag für eine gemeinsame Zentralklinik eintraf, hatte der Landkreis auf Basis des Bredehorst-Gutachtens beim Ministerium einen Antrag auf Investitionsförderungen in Höhe von 40 Mio. Euro gestellt.
Weber ohne standig im Hannoveraner Ministerium
Der Antrag wurde nicht nur abgelehnt, so der Norder Chefarzt Dr. Ralph Bredtmann. Die hochrangig zusammengesetzte Delegation des Landkreises und der UEK wurde auch in der Körpersprache mit einer an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Weise abgeschmettert, so Dr. Bredtmann wörtlich. Die Botschaft sei brutal und deutlich gewesen: versucht gar nicht erst, den Antrag in geänderter Form noch einmal vor zulegen, für solch ein Stückwerk geben wir kein Geld.
Dies dürfte weniger auf den Gutachter Bredehorst gemünzt gewesen sein. Die Wahrheit ist: seit Jahren fehlt es im Landkreis Aurich an Persönlichkeiten, die in Hannover auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen haben. Das allerdings sollte niemanden verwundert der die Verhältnisse kennt. Diese Tatsache pfeifen die Spatzen quer über die ostfriesische Halbinsel von den Dächern – und auch für die sogenannten ”Mitbewerber” ist das schon lange kein Betriebsgeheimnis mehr.
Für jeden, der sich in den letzten drei Jahren mit dem Thema Zentralklinik intensiv befasst hat war offenkundig, das viele der sogenannten „Sachzwangargumente“ reines Ablenkungsmanöver von eigenem Unvermögen und selbst herbeigeführten Missständen waren. Größe der Abteilungen, Zustand und Architektur der Gebäude, die Qualitäts- und Mindestmengenvorgaben, die Legenden von der Personalgewinnung, die nur bei einer ZK gelingen könne – all dies diente letztlich nur dazu, den Menschen die Alternativlosigkeit Zentralklinik einzubläuen – teilweise durchaus mit Erfolg. Auch beim Thema „akademisches Lehrkrankenhaus“ weiß so gut wie jeder, dass die UEK diesen Status durch schlichtes Nicht-Kümmern verloren hat.
Eine Herkulesaufgabe
ON-Chefredakteur Stefan Schmidt kommentierte bereits vor Monaten völlig zurecht: Sollte die Zentralklinik am Bürgerentscheid scheitern, werde die Sanierung der beiden Krankenhäuser im Landkreis eine Herkulesaufgabe. Was Schmidt nicht schrieb, aber mittlerweile viele denken: Mit dem politisch Hauptverantwortlichen dieser Miesere ist kein Staat mehr zu machen. Harm-Uwe Weber muss seine Zuständigkeit für das Krankenhauswesen im Landkreis abgeben. Das Problem. Dieses Weber-Erbe antreten zu müssen, kann man eigentlich niemandem wünschen. Doch anders wird es nicht gehen.
Dr. Puchart, übernehmen Sie
– bitte – !
Leider wird sich auch das Aktionsbündnis Klinikerhalt, welches bisweilen auch „gesamtostfriesisch denkt“ eine letztlich richtige Vorstellung bis auf Weiteres abschminken müssen. Ein Klinikverbund, gemeinsam mit Leer oder auch Wittmund. Das ist schlichtweg unrealistisch.
Der Leeraner Klinikchef, wie auch sein Kollege in Wittmund, wären mit dem Klammerbeutel gepudert, würden sie sich zusätzlich zu den eigenen Herausforderungen nun auch noch den an die Wand gefahrenen Klotz „UEK-Aurich/Norden“ ans Bein heften. Ob dies für alle Zeiten so bleiben wird, sei damit nicht gesagt. Ernsthaft ließe sich darüber vielleicht in einigen Jahren reden – unter der Voraussetzung, dass es im Landkreis Aurich gelingt, jene Herkulesaufgabe zu stemmen.
Mit Landrat Harm-Uwe Weber kann und wird dies nicht gelingen können. Die Krankenhaus-Ära Weber muss beendet werden. So lange Weber als „Mister Krankenhaus“ geführt wird, dürfte auch die neue UEK-Geschäftsführung mit dieser politischen Hypothek zu kämpfen haben.
Stellt sich nur noch die Frage, ob die SPD im Kreistag fähig und in der Lage ist, ihrem „Spitzenmann“ im gebotenen Respekt jedoch unmissverständlich klar zu machen, dass die nun bevorstehenden und zweifelsfrei auch schmerzhaften Prozesse nicht mehr sein „Job“ sein können. Niemand wird hier auf Dauer eine Diskussion aushalten können, bei der jede schmerzhafte Maßnahme in der Dauerschleife verendet, dass der dafür politisch Hauptverantwortliche Harm-Uwe Weber heißt und dabei ungeschoren bleibt.
Neue UEK-Geschäftsführung braucht Unterstützung – auch durch die Bürger
Allerdings wird auch das Aktionsbündnis umdenken müssen. Die alten Reflexe, für jährlich aufkommende Defizite die UEK-Geschäftsführung an den Pranger zu stellen, haben ihre Gültigkeit verloren. Die neue Geschäftsführung wird 15 Jahre verfehlte Krankenhaus-Politik auf kommunaler Ebene zu heilen haben, eine Politik, die nun mal mit dem Namen Weber verbunden ist.
Dies ist wahrliche keine Aufgabe, für die man irgendwen beglückwünschen könnte. Deshalb braucht diese Geschäftsführung eine breite Unterstützung auch und vor allem durch die Bürger, die mit ihrem Votum einen klaren Auftrag gegeben habe. Dieser lautet: Erhalt bestehender Krankenhäuser. Das ist machbar – nach 15 Jahren exorbitanter Versäumnisse und Managementfehlern in Reihe jedoch unter Vorzeichen, die vermutlich über viele Jahre niemandem Freude bereiten werden – auch nicht der damit konfrontierten UEK-Geschäftsführung.
Bürgervotum stärker als Politklüngel ?
Nicht unentscheidend wird dabei allerdings auch sein, das in Hannover künftig eine Auricher Delegation die Gespräche führt, die dort ernst genommen werden kann. Man kann von Claus Eppmann halten was man will, es braucht jedoch nicht viel Phantasie, um sich vorstellen zu können, dass ein Claus Eppmann, eine Dr. Astrid Gesang oder auch ein Dr. Frank Puchert allein durch ihr Auftreten in Hannover anderes behandelt werden, als dies nicht nur allein der Norder Chefarzt zu berichten wusste.
Man darf sogar hoffen, dass eine solche Delegation mit einem Bürgervotum in der Tasche stark agieren könnte, mit einem auch politischen Gewicht, welches wirkungsvoller sein könnte als der übliche parteipolitische Klüngel.
Der CDU im Auricher Kreistag wäre zudem anzuraten, auf politischer Ebene das Angebot des Leeraner CDU-Fraktionschefs und Krankenhaus-Aufsichtsratsmitglied Dieter Baumann anzunehmen. Dieser hatte im Juli erklärt, man müsse beim Thema Krankenhäuser „ohne Denkverbote miteinander reden und gegenseitig voneinander lernen“.
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