Ostfriesisches Klinik Journal

Für den Erhalt wohnortnaher Krankenhäuser

”Info-Offensive”: Bürger sollen Zentralklinik akzeptieren

OKJ-Kommentar
von Jürgen Wieckmann

Mit Sachlichkeit gegen Bürgervotum?

Für Mitte April drei Informations-Kampagnen in Aurich, Emden und Norden geplant

”Kal­te Füße” schei­nen die Ver­fech­ter einer Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil in der Tat zu bekom­men. Mit­te April ist nun eine ”Info-Offen­si­ve” geplant. Die Akzep­tanz der Bür­ger im Land­kreis Aurich aber auch der Stadt Emden für die­ses Vor­ha­ben­ten­diert seit Mona­ten gen Null. Einer der Grün­de ist, dass die Zen­tral­kli­nik auf der Grü­nen Wie­se nur finan­ziert wer­den kann, wenn die wohn­ort­na­hen Häu­ser in Emden, Nor­den und Aurich geschlos­sen wer­den. Das betrifft rund 110.000 Ein­woh­ner und wei­te­re im länd­li­chen Umfeld die­ser Städ­te.

Bild Weber Bornemann bei o-tv

Video-Inter­view mit Ober­bür­ger­meis­ter Bernd Bor­n­e­mann und Land­rat Harm-Uwe Weber bei ostfriesen.tv. Zum Anse­hen bit­te auf das Foto kli­cken

Zu den Merk­wür­dig­kei­ten die­ses Vor­ha­bens gehört auch, dass der Auricher Kreis­tag im Früh­jahr 2013 beschlos­sen hat­te, den UEK-Ver­bund Aurich/Norden zu sanie­ren und damit zu erhal­ten.

Nur ein hal­bes Jahr spä­ter über­rasch­ten Land­rat Harm-Uwe Weber und Emdens Ober­bür­ger­meis­ter Bernd Bor­n­e­mann in einem Exklu­siv-Inter­view bei ostfriesen.tv die Öffent­lich­keit mit dem Plan, eine Zen­tral­kli­nik in Georgs­heil zu errich­ten. Im Wahl­kampf hat­ten bei­de den Men­schen ver­si­chert, die Kran­ken­häu­ser erhal­ten zu wol­len.

Ent­spre­chend irri­iert waren dann auch die für gewöhn­lich gut unter­rich­te­ten Krei­se. Nur einen Tag vor dem Fern­seh­in­ter­view mit ostfriesen.tv hat­ten Weber und Bor­n­e­mann die zustän­di­gen Gre­mi­en ins Emder Rat­haus ein­be­stellt ud sie doret mit der Idee ”Zen­tral­kli­nik” kon­fron­tiert.

Der etwas über­rum­pel­te Kreis­tag hat­te dar­auf­hin beschlos­sen – durch­aus sinn­voll – die Mach­bar­keit die­ser Idee prü­fen zu las­sen. Doch seit­dem wird im Hin­ter­grund so getan, als hät­te hier irgend­wer ”grü­nes Licht” für die­ses Pro­jekt gege­ben.

Kreistagsgrüne kündigten rechtliche Schritte an

ON-online Grüne legen sich mit Landrat an

on-online [4.2.15]: Grü­ne legen sich mit Land­rat an. Zur Web­site bit­te auf das Image kli­cken

Der Kreis­tags-Abge­ord­ne­te Jochen Beek­huis (SPD) erklär­te dazu auf der Kreis­tag­sit­zung am 18. März, ”wer A sagt, müs­se auch B sagen”. Auf die­ser Kreis­tags­sit­zung soll­ten die Abge­ord­ne­ten der Grün­dung einer Trä­ger­ge­sell­schaft zustim­men. Die­ses sei not­wen­dig, damit beim Han­no­ve­ra­ner Sozi­al­mi­nis­te­ri­um for­mal­ju­ris­tisch ein För­der­an­trag gestellt wer­den kann, erklär­te Land­rat Weber dazu. Die Kreis­tags­ab­ge­ord­ne­te Gila Alt­mann (GRÜNE) kor­ri­gier­te Beek­hus und beton­te, sie habe nicht­ein­mal A gesagt, also der Prü­fung der Idee ”Zen­tral­kli­nik” zuge­stimmt. Die Grü­nen kün­dig­ten recht­li­che Schrit­te gegen das Vor­ge­hen des Lands­rats an.

Kurz­um – fast ein­ein­halb Jah­re hat­ten die Befür­wor­ter Zeit die Öffent­lich­keit über ihr Vor­ha­ben zu infor­mie­ren. Das bis­he­ri­ge ”Mus­ter” die­ser ”Infor­ma­ti­on” beschränk­te sich aller­dings dar­auf, die Kri­ti­ker für ”unin­for­miert”, ”bauch­ge­steu­er”, ”unsach­lich” oder auch ”popu­lis­tisch” zu betrach­ten. Nor­dens Bür­ger­meis­te­rin Bar­ba­ra Schlag wur­de gar ein ”per­fek­ter Maul­korb” ver­passt. Wer das Vor­ha­ben kri­ti­siert, gefähr­de damit För­der­mit­tel aus Han­no­ver, hieß es intern – und mit die­ser Ansa­ge funk­tio­nier­te in der Krei­se ”der übli­chen Ver­däch­ti­gen” der Corps-Geist. Hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand gibt aller­dings auch dif­fe­ren­zier­te Ton­la­gen.
[ON 13.1.15: Nor­der Bür­ger­meis­te­rin Bar­ba­ra Schlag kri­ti­siert Infor­ma­ti­ons­po­li­tik des Land­kreislink_symbol]

Finanzierungskonzept diffus bis unklar

Nach bis­he­ri­gen Anga­ben wird ein Neu­bau in Georgs­heil etwa 240 Mil­lio­nen Euro kos­ten. Wenn über­haupt, dürf­ten vom Land Nie­der­sach­sen För­der­gel­der in Höhe von etwa 50 Pro­zent gewährt wer­den. Die rest­li­chen 120 Mil­lio­nen Euro – zuzüg­lich erfor­der­li­che Infra­struk­tur­maß­nah­men, die bei sol­chen Vor­ha­ben bei etwa 50 bis 60 Mil­lio­nen Euro lie­gen könn­ten – müs­sen die Kom­mu­nen selbst auf­brin­gen.

Anbe­tracht wach­sen­der Schul­den­last – ins­be­son­de­re auch im Haus­halt des Land­krei­ses, befürch­ten Haus­halts­po­li­ti­ker, dass spä­tes­tens ab 2027 über eine Pri­va­ti­sie­rung der Zen­tral­kli­nik gespro­chen wird. Ober­bür­ger­meis­ter Bernd Bor­n­e­mann und auch der ärzt­li­che Direk­tor des Emder Kli­ni­kums Ulrich Pom­berg räum­ten mitt­ler­wei­le ein, dass kei­nes­wegs fest­ste­he, dass mit dem Neu­bau die Defi­zi­te redu­ziert wer­den könn­ten. Aurichs Bür­ger­meis­ter Heinz-Wer­ner Wind­horst erklär­te in einem Inter­view mit den Ost­frie­si­schen Nach­rich­ten (17.2.15), die Schul­den­last auf dem Neu­bau, wer­de einer Pri­va­ti­sie­rung ”Tür und Tor” geöff­net. Die SPD-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de im Auricher Stadt­rat Inge­borg Hart­mann-Seibt, set­ze noch einen drauf. Eine neue Groß­kli­nik sei für Inves­to­ren attrak­ti­ver als drei ”alte Kran­ken­häu­ser”.

[ON 17.2.15: UEK sanie­rungs­fä­hig – Wind­horst: Wir wer­den uns ein­mi­schen link_symbol]

UEK-Rettung als Betriebsgeheimnis ?

In einem waren sich Ost­fries­lands Kom­mu­nal­po­li­ti­ker bis­lang einig. Sie bevor­zug­ten ein Soli­dar­mo­dell, bei dem alle auf der Halb­in­sel betrie­be­nen kom­mu­na­len Kran­ken­häu­ser ihr Aus­kom­men haben soll­ten. Dies soll­te durch dezen­tra­le Schwer­punkt­bil­dun­gen erreicht wer­den. Auch aus die­sem Grun­de hat­te der Kreis­tag beschlos­sen, mit einem straf­fen ”Busi­ness-Plan” den UEK-VEr­bund Aurich/Norden aus den roten Zah­len zu füh­ren.

Die­ser ”Busi­ness-Plan” zeich­net sich aller­dings durch eine Viel­zahl kon­kre­ter Maß­nah­men aus. Auch aus die­sem Grun­de ver­wei­gert Land­rat Harm-Uwe Weber die Ver­öf­fent­li­chung. Der Ret­tungs­plan ent­hal­te schüt­zens­wer­te UEK-Betriebs­ge­heim­nis­se, die selbst den Bür­ger­meis­tern der betrof­fe­nen Städ­te Nor­den und Aurich aus­ge­hän­digt wer­den dürf­ten. Eine Geheim­hal­tungs­po­li­tik, die auf wenig Ver­ständ­nis stößt. Üblich ist in sol­chen Fäl­len, eine von schüt­zens­wer­ten Daten berei­nig­te Ver­si­on zu ver­öf­fent­li­chen.

Wer bremste Bredehorst-Rettungsplan aus?

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Dr. med. Kay Bre­de­horst: Fehl­te ihm die not­wen­di­ge Unter­stüt­zung aus Poli­tik und Kli­nik­lei­tung?

Wegen der kon­kre­ten und prak­ti­schen Maß­nah­men, haben auch inter­ne Wider­stän­de eine zeit­ge­rech­te Rea­li­sie­rung behin­dert, so Insi­der. Als eine Ursa­che dafür nann­te der Ärzt­li­che Direk­tor der UEK, Dr. Egbert Held, am 31. Janu­ar 2015 in den Ost­frie­si­sche Nach­rich­ten poli­ti­sche Ver­säum­nis­se – aber auch Riva­li­tä­ten in der Ärz­te­schaft. Aus­drück­lich nahm Dr. Held das Pfle­ge­per­so­nal aus. Die­ses hat nach sei­ner Ein­schät­zung sehr ”pra­xis­nah” und ”vor­bild­lich” zusam­men­ar­bei­tet. Ein wei­te­res Pro­blem sei­en bun­des­po­li­ti­sche Rah­men­be­din­gun­gen, die klei­ne Kran­ken­häu­ser an den Rand der Exis­tenz drän­gen.

[ON-Inter­view Dr. Egbert Held link_symbol]

Nach ein­ein­halb Jah­ren ”Corps-Geist” hin­ter ver­schlos­se­nen Türen, steht zu befürch­ten, dass die ange­kün­dig­te ”Info-Offen­si­ve” aus­schließ­lich dem Zweck dient, den Men­schen in die­ser Regi­on eine Zen­tral­klink ver­kau­fen zu wol­len. Mit poli­ti­schen PR-Tricks bekann­ter Mach­art wird die gewünsch­te Akzep­tanz aller­dings nicht zu errei­chen sein. Anbe­tracht der ”hei­li­gen Schwü­re” wahl­kämp­fen­der Poli­ti­ker, sie hat­ten sich für den Erhalt wohn­ort­na­her Kran­ken­häu­ser ver­pflich­tet, ist die Glaub­wür­dig­keit man­cher Poli­tik­dar­stel­ler zumin­dest arg stra­pa­ziert wor­den.

Info-Offensive: Für oder gegen die Bürger?

Wün­schens­wert wäre aller­dings, wenn sich die Bür­ger des Land­krei­ses Aurich hin­ter den gel­ten­den Kreis­tags­be­schluss stel­len wür­den. Die­ser hat den Erhalt der bei­den Häu­ser in Nor­den und Aurich zum Ziel. Land­rat Harm-Uwe Weber soll­te nicht mit der Vor­stel­lung durch­kom­men, sich mit der Idee einer Zen­tral­kli­nik der ”kreis­in­ter­nen Kon­kur­renz­si­tua­ti­on” ent­zie­hen zu kön­nen, bei allem Ver­ständ­nis für den ”kom­mu­nal­po­li­ti­schen Amok­lauf”.

Harm-Uwe Weber

Harm-Uwe Weber: Ist jetzt als Land­rat von ”sei­nen” Bür­gern gefragt.

Gemeint ist ein eher als ”Pro­vinz­pos­se” zu bewer­ten­der Klein­krieg zwi­schen den zwei seit 1975 nicht mehr exis­ten­ten Alt­krei­sen Aurich und Nor­den. Damals wur­de aus Han­no­ver eine Kreis­re­form ange­ord­net, die die dama­li­gen Kom­mu­nal­po­li­ti­ker offen­sicht­lich im Form einer ”feind­li­chen Über­nah­me” der Land­krei­ses Nor­den in der Kreis Aurich orga­ni­siert haben müs­sen.

Das wirkt bis heu­te und erfüllt mitt­ler­wei­le alle Kri­te­ri­en des bekann­ten ”tei­le und herr­sche”. Die­ses zu über­win­den ist eine poli­ti­sche Her­ku­les-Auf­ga­be, der sich der Land­rat für den Rest sei­ner Amts­zeit durch­aus anneh­men soll­ten. Für die Men­schen in die­ser Regi­on – und das gilt für alle länd­li­chen Regio­nen – steht näm­lich vor allem die wohn­ort­na­he Grund- und Regel­ver­sor­gung im Vor­der­grund. Dies ist auch eine Ver­pflich­tung der kom­mu­na­len Daseins­vor­sor­ge.

Des­halb wäre es sinn­voll, wenn sich die hie­si­ge Kom­mu­nal­po­li­tik (par­tei- und frak­ti­ons­über­grei­fend) mit den Bür­gern ver­bün­den wür­den und mit die­sem ”Pfund” im Rücken, mit dazu bei­trägt, dass ”eine Eta­ge höher”, die vom ärzt­li­chen Direk­tor der UEK, Dr. Egbert Held erwähn­ten ”bun­des­po­li­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen” kor­ri­giert wer­den. Dies ist letzt­lich nicht nur im Inter­es­se der Pati­en­ten.

Auch Ärz­te und Pfle­ge­per­so­nal haben in den letz­ten Jah­ren zuneh­mend dar­un­ter zu lei­den.

Dabei wis­sen mitt­ler­wei­le alle, dass sich hin­ter der zunächst sinn­voll erschei­nen­den ”Kos­ten­dämp­fung im Gesund­heits­we­sen” in den letz­ten Jah­ren eine aus den Fugen gera­te­ne Öko­no­mi­sie­rung breit gemacht. Dies hat nicht nur einer soge­nann­ten ”Zwei Klas­sen Medi­zin” die Pfor­ten geöff­net, son­dern auch Ärz­te und Pfle­ge­per­so­nal Arbeits­be­din­gun­gen auf­ge­nö­tigt, die in die­sen Sozi­al­be­ru­fen nicht mehr hin­nehm­bar sind. Das ist auch bei Ärz­ten hin­läng­lich bekannt – auch wenn sie öffent­lich dar­über nicht im Klar­text reden dür­fen.

Auch interner Druck auf Kritiker hat zu unterbleiben

Für die geplan­te ”Info-Offen­si­ve” wäre es zudem hilf­reich, wenn wei­te­re Mel­dun­gen ”hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand” als Falsch­mel­dun­gen zu betrach­ten sind, nach denen Kri­ti­ker des Kon­zepts ”Zen­tral­kli­nik” per­sön­lich unter Druck gesetzt oder hin­ter ver­schlos­se­nen Türen beschimpft wer­den.

Außer­dem wäre es wün­schens­wert, wenn auch in der kom­mu­na­len Poli­tik der Geist des Grund­ge­set­zes Art 33 Abs 1 GG Ein­zug erhal­ten wür­de.

Erin­ne­rung sei hier hier noch­mal zitiert:

(1) Die Abge­ord­ne­ten des Deut­schen Bun­des­ta­ges wer­den in all­ge­mei­ner, unmit­tel­ba­rer, frei­er, glei­cher und gehei­mer Wahl gewählt. Sie sind Ver­tre­ter des gan­zen Vol­kes, an Auf­trä­ge und Wei­sun­gen nicht gebun­den und nur ihrem Gewis­sen unter­wor­fen.

[Die Abge­ord­ne­ten im Kreis­tag des Land­krei­ses Aurich link_symbol]


Zum Lesen emp­foh­len:

THEMEN DER ZEIT

Ökonomisierung im Gesundheitswesen: Betriebswirtschaftlicher Erfolg als Unternehmensziel Dtsch Arztebl 2015; 112(9): A‑364 / B‑312 / C‑308

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